Stopp für Sendemasten: Stadtrat Füssen fordert einstimmig Mobilfunk-Moratorium

Signalwirkung für alle Kommunen in Deutschland
Der Stadtrat in Füssen hat mit Verweis auf einen anhängigen Prozess um einen Mobilfunkmasten, für den die Schutzfunktion der Grenzwerte überprüft werden sollen, ein Moratorium für die weitere Baugenehmigung von Sendemasten beschlossen. In Füssen sollen solange keine neuen Sendemasten aufgestellt werden, bis die Frage der Grenzwerte geklärt ist.
Rathaus Füssen / AllgäuFoto: Füssen Tourismus und Marketing, Gerhard Eisenschink

Einstimmig hat der Stadtrat am 22. Oktober 2024 im vollen Sitzungssaal des Füssener Rathauses ein Ausbau-Moratorium für Mobilfunkmasten gefordert. Der Anlass: Im Ortsteil Oberried soll ein neuer Sendemast aufgestellt werden. Die Forderung nach einem Moratorium begründet der Stadtrat wie folgt:

  • Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat im April 2024 eine Sachverhaltsaufklärung zur Überprüfung und Neubewertung der Grenzwerte angefordert, um die Rechtmäßigkeit der Standortbescheinigung eines  Mobilfunkmasten zu überprüfen. Das Verwaltungsgericht (VG) Mainz muss danach eine Klage neu verhandeln – und zwar mit einer inhaltlichen Klärung, ob die für Mobilfunkstrahlung geltenden Grenzwerte die körperliche Unversehrtheit der Menschen gewährleisten. Der Stadtrat Füssen fordert ein Moratorium, bis dieses anhängige Verfahren abgeschlossen ist.
  • Der Umweltbeirat der Stadt Füssen, die Stadträte Andreas Eggenberger (CSU) und Dr. Martin Metzger (Bürger für Füssen), die ihn leiten, führte an, dass in den letzten 20 Jahren immer mehr medizinische Studien erschienen, die nahelegen, dass die derzeitigen Grenzwerte nicht vor Gesundheitsschäden schützen.
  • Es wird auch angeführt, dass die 2022 neu gegründete internationale Grenzwertkommission ICBE-EMF auf die Unwissenschaftlichkeit der ICNIRP-Richtlinien hinweist, auf denen die geltenden Grenzwerte begründet sind. Daher werden neue niedrigere Grenzwerte gefordert.

Zur Meinungsbildung hat auch ein Vortrag des diagnose:funk-Vorstandes Jörn Gutbier am 12. September 2024 in Füssen-Weißensee beigetragen. Der Beschluss des Füssener Stadtrates hat eine Signalwirkung für alle anderen Kommunen in Deutschland.

Wir ermuntern Bürgerinitiativen, in ihren Kommunen die Bürgermeister und Gemeinderäte über diesen Vorgang zu unterrichten und ggf. gegen Beschlüsse zum Bau von Sendeanlagen und gegen erst kürzlich erteilte Standortbescheinigungen Klage einzureichen.

Falls Sie Beratung brauchen, schreiben Sie an kontakt(at)diagnose-funk.de, wir rufen Sie zurück.

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Anja Brückner, Dissertation

Aktuelle juristische Dissertation: Grenzwerte sind untragbar

„Der Staat kommt seiner Vorsorgepflicht daher nur hinsichtlich thermischer Effekte nach.[4] Da athermische Wirkungen trotz aktueller Forschungsergebnisse und vorsorgerelevanten Risikoniveaus nicht in die (Neu-)Berechnung der Grenzwerte der 26. BImSchV eingeflossen sind, sind diese Grenzwerte – bezogen auf Mobilfunkstrahlung in ihrer Gesamtheit – derzeit ungeeignet, Vorsorge zu bewirken und daher untragbar“ (S.50).


Mehr dazu auf https://www.diagnose-funk.org/2109

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Das anstehende Gerichtsverfahren

Im Verfahren vor dem VG Mainz soll über die Rechtmäßigkeit und damit Schutzfunktion der Grenzwerte entschieden werden, die wiederum die Grundlage für alle Entscheidungen zu Standortbescheinigungen sind. Eine gültige Standortbescheinigung ist Grundvoraussetzung für die Inbetriebnahme einer Mobilfunksendeanlage. Diese immissionsschutzrechtliche Prüfung auf Grundlage der in Abrede gestellten Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung ist zwar unabhängig von dem baurechtlichen Verfahren. Aber aktuell macht keine Baugenehmigung eines Mobilfunksendeanlagenstandortes mehr Sinn, wenn dessen Inbetriebnahme in Bezug auf die aktuellen Standards, die Leistungsauslegungen und damit deren Reichweiten grundlegend in Frage gestellt ist.

Das ausstehende Urteil kann dazu führen, dass, wenn die Grenzwerte gesenkt werden müssten, es völlig neue Versorgungskonzepte zur Erreichung einer Mobilfunkversorgung in Zukunft bedarf. Das hätte Auswirkungen darauf, wo und in welcher Art überhaupt noch Sendeanlagen errichtet werden könnten. Darum meinen wir, dass diese Sachlage zwingend zu einem Stopp von Neuplanungen und Inbetriebnahmen führen sollte. Es dürften keine baulichen Fakten mehr geschaffen werden. Entsprechende Beschlüsse der politischen Gremien wären damit zu begründen.

Antennenwildwuchs braucht RegelungBild:diagnose:funk

Jetzt in Kommunen handeln! Dafür es gibt nun drei Optionen:

1. In laufenden Verfahren können sich Betroffene (Anwohner im Umkreis von ca. 400 m um geplante Standorte) auf das Urteil des OVG Koblenz beziehen und einen Antrag auf Aussetzung des anhängigen Verfahrens stellen.

2. Bürgerinitiativen können im Rahmen ihrer Lobbyarbeit Gemeinderatsfraktionen, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Landratsämter darüber informieren, dass es dieses Berufungsurteil des OVG Koblenz jetzt gibt. Ziel: Bis zum Abschluss des Verfahrens in Mainz einigen sich alle Beteiligten auf ein Moratorium des Mobilfunkausbaus vor Ort. Denn wer jetzt den Mobilfunk weiter ausbaut, obwohl die Rechtmäßigkeit der Grenzwerte von einem Gericht erstmals deutlich in Frage gestellt wurde, muss die Konsequenzen zu Ende denken.

3. Bürgerinnen und Bürger, die vom (geplanten) Bau eines Mobilfunkmasten betroffen sind, können nun unter Hinweis auf die neue Rechtsprechung ebenfalls eine Klage einreichen. Bürgerinitiativen können sie z.B. im Rahmen einer solidarischen Klage finanziell und personell unterstützen und gleichzeitig dazu Pressearbeit machen.

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Rechtsanwältin Sibylle Killinger: "Grenzwerte rechtmäßig? „Ein bahnbrechendes Urteil!“"

Neueste Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Sendemasten: Artikelserie: ATHEM-3-Studie. Schädliche Wirkungen auf Chromosomen signifikant belegt.

Publikation zum Thema

diagnose:funk
Format: A4Seitenanzahl: 36 Veröffentlicht am: 01.02.2023 Bestellnr.: 249Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

ICBE-EMF: Die Zeit ist reif für neue Grenzwerte

Die neu gegründete Grenzwertkommission weist die Unwissenschaftlichkeit der geltenden ICNIRP-Grenzwerte für Mobilfunkstrahlung nach
Autor:
ICBE-EMF / diagnose:funk
Inhalt:
Dieser Brennpunkt publiziert die Übersetzung der Studie der internationalen Grenzwertkommission ICBE-EMF (International Commission on the Biological Effects of EMF) „Wissenschaftliche Erkenntnisse entkräften gesundheitliche Annahmen, die den FCC (Federal Communication Commission, USA) und ICNIRP-Grenzwertbestimmungen für Hochfrequenzstrahlung zugrunde liegen: Folgen für 5G“ (2022). Darin fordert die ICBE-EMF die Rücknahme und Neufestlegung der Grenzwerte für die Exposition gegenüber hochfrequenter Funkstrahlung (HF). Die Rücknahme der Grenzwerte ist notwendig, denn ihre Festlegung beruht auf falschen Annahmen. Das Ziel neuer Grenzwerte wäre die Festlegung von Standards zum Gesundheitsschutz für Arbeitnehmer, die Öffentlichkeit und die Natur.
diagnose:funk
Stand: 08.10.2024Format: DIN A4Seitenanzahl: 18 Veröffentlicht am: 14.06.2024 Sprache: deutschHerausgeber: diagnose:funk

Überblick Nr. 1: Wie wirkt Mobilfunk auf Menschen, Tiere und Pflanzen?


Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Der Überblick Nr. 1 stellt die Gesamtstudienlage dar. Quellenbasiert wird dargestellt, dass es zu vielen medizinischen Endpunkten wie Fertilität und Krebs zu nahezu allen im Mobilfunk verwendeten Frequenzen peer-reviewte Studien gibt, die gesundheitliche Schädigungen nachweisen. Dies gilt sowohl für die körpernahe Nutzung von Handys, Smartwatches, Tablets und Notebooks als auch für WLAN-Router und Mobilfunkbasisstationen. Inzwischen bestätigen Dokumente der Europäischen Union und des Deutschen Bundestages diese wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wir geben Ihnen einen Überblick über die Studienlage, der in den weiteren Publikationen dieser Reihe vertieft wird.
diagnose:funk
Stand: 08.10.2024Format: A4Seitenanzahl: 22 Veröffentlicht am: 14.06.2024 Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

Überblick Nr. 3: Zeigt Mobilfunk auch nicht-thermische Wirkungen?


Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Überblick Nr. 3 setzt sich mit einer Hauptbegründung für die Ungefährlichkeit der Mobilfunkstrahlung auseinander: Die gesetzlichen Grenzwerte würden vor Gesundheitsrisiken schützen. Es würde keine Beweise für nicht-thermische Wirkungen geben. Jedoch: Der Ausschluss von Studien mit nicht-thermischen Wirkungen für die Risikobewertung wird inzwischen von europäischen Gremien kritisiert, ebenso in juristischen Gutachten. Dieser Überblick stellt die Diskussion um das thermische Dogma seit den 1950er Jahren bis heute dar. diagnose:funk dokumentiert darin exemplarisch 70 Studien, die nicht-thermische Wirkungen zeigen. Damit wird die Schutzfunktion der geltenden Grenzwerte wissenschaftlich in Frage gestellt.
Artikel veröffentlicht:
27.10.2024
Autor:
diagnose:funk
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