Deutscher Bundestag, 11.10.2024: Beratung zum Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen

Mobilfunk First - Natur Second!
Im Deutschen Bundestag wird am 11.10.2024 der Gesetzentwurf „zur Beschleunigung des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen“ (TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz, TKnabeg) in erster Lesung beraten. Die Vorlage passierte am 27.9.2024 den Bundesrat. Mit diesem Gesetz wird gegen das Vorsorgeprinzip im Naturschutz verstoßen.
Bild: Bundestag by Stepro

Die von der FDP initiierten Beschleunigungsgesetze - für mehr Wachstum, mehr Autobahnen, mehr Mobilfunkmasten (TKnabeg) und Großprojekte aller Art - sind verheerend für Natur und Umwelt und eine Entrechtung der Naturschutzorganisationen und Kommunen.

Der NABU kritisierte bereits 2023: "Die Politik will das Land „schneller, moderner, sicherer“ machen, erreicht mit dem „Pakt für Planungsbeschleunigung“ aber das Gegenteil. Umweltstandards werden abgeschafft, eine neue Ära rücksichtsloser Naturzerstörung droht":

  • "Wissenschaftliche Ignoranz, massive Einschränkungen, völkerrechtswidrig: Der NABU sparte zuletzt nicht mit deutlicher Kritik an Maßnahmen des Pakts für Beschleunigung ... Die Politik wolle Deutschland „schneller, moderner, sicherer“ gestalten. Doch die Ansätze von Bundesregierung und Landesregierungen würden aus Sicht des Umweltverbands das genaue Gegenteil bewirken. Sie würden Deutschland „verwundbarer, unsicherer und ungesünder“ machen ... Die Verfahrensbeschleunigung sehen die Verbände lediglich als Vorwand, um Umweltstandards und rechtliche Schritte zu beschränken „so massiv wie noch nie zuvor.“ "

Der TKnabeg-Gesetzentwurf (Bundesrat Drucksache 391/2/24), wie er vom Bundesrat an den Bundestag ging, schreibt den Bau von Mobilfunkmasten als ein „überragendes öffentliches Interesse“ fest. Das Gesetz legt damit fest, dass Belange des Naturschutzes zugunsten des Mobilfunkausbaus nachrangig behandelt werden. Dies trägt zur weiteren Umweltzerstörung und zum Artensterben bei.

Dagegen fordern wir und die Umweltverbände aus Brandenburg: Keine Mobilfunkmasten in Naturschutzgebieten! Die Studienlage weist auf ein enormes Schädigungspotential, insbesondere für Insekten hin (1). Der Gesetzentwurf ist geprägt von der umweltzerstörerischen Wachstumsideologie. Weitere Informationen zur Studienlage und das Positionspapier der Umweltverbände auf: https://www.diagnose-funk.org/2133

Der einstimmig verabschiedete Bericht des Technikfolgenausschusses des Bundestages (TAB) zur Mobilfunktechnologie (2023) beschreibt das grundsätzliche Risiko der Mobilfunkstrahlung und benennt mögliche Schäden. Die Bundesregierung und die Angeordneten sind aufgefordert, den Empfehlungen des Berichts zu folgen, der nach „neuen technischen Standards“ verlangt, die „Einrichtung von Schutzzonen“ und sogar „Sendeanlagen-Verbotszonen“ sowie die umfassende „Aufklärung der Bevölkerung“ über die Risiken fordert.

Wir fordern, dass dieser Gesetzentwurf zurückgezogen wird! Wir bringen im Folgenden eine Analyse der Beschlussvorlage.

(1) Die Studienlage zu Insekten und EMF dokumentieren unsere spezielle Homepage www.insekten-schuetzen.info und zusammenfassend unsere >>> Artikelserie.

Originalbild und Montage von VodafoneBild: Presseportal Vodafone

Analyse des Gesetzentwurfes zum Telekommunikations - Netzausbau -Beschleunigungs-Gesetz (TKnabeg)

1. Das "überragende öffentliche Interesse" soll immer dort gelten, wo keine Maximalversorgung nach neuester Mobilfunktechnik vorhanden ist. Abwägungsprozesse sind damit faktisch vorentschieden. Anders als ursprünglich vorgesehen, wird Festnetz (Kabelverlegungen) dem Mobilfunk gleichgestellt. Auch hier soll das "überragende öffentliche Interesse" gelten. Aus Sicht einer Strahlenminimierung kann das vorteilhaft sein, so es denn dazu genutzt wird. Aber eine Sichtweise, Kabel als Alternative zum Mobilfunk zu nutzen, ist diesem Gesetz fremd, kommt als Anliegen nirgends vor. Es wird immer wieder die "diskriminierungsfreie" Verfügbarkeit beider Technologien betont. Aus Sicht des Naturschutzes sind Bodenarbeiten problematisch, weshalb das Umweltministerium kein "überragendes öffentliches Interesse" an Kabelverlegungen in Naturschutzgebieten im Gesetz haben wollte.

2.Der Bundesrat möchte sogar klargestellt wissen: Nicht nur Bundesstraßen, sondern auch nachgeordnete Straßen, sogar Radwege und Wanderwege sollen in die Versorgungsauflage für die Mobilfunkanbieter  eingeschlossen werden.(S.13)

In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass schon jetzt bei den Unteren Naturschutzbehörden Anträge auf Befreiung vom Bauverbot in Naturschutzgebieten eingehen, um einen Funkmast zu errichten, nur um wenige hundert Meter Bundesstraße zu versorgen. Dabei wird häufig ansonsten nur eine größere Waldfläche "versorgt". Aufgrund des Dämpfungseffekts der Waldbäume müssen zudem relativ hohe Sendeleistungen abgestrahlt werden. Dies alles würde sich noch vervielfachen, wenn demnächst auch noch Rad- und Wanderwege in die Versorgungsauflagen eingeschlossen werden sollen. Zu bedenken wäre auch, dass alle diese Funkmasten auch noch eine Stromzufuhr brauchen, die auch noch gelegt werden muss.

3. Das "überragende öffentliche Interesse" gilt auch für Naturschutzgebiete, lediglich in Nationalparks soll die reguläre Güterabwägung gelten, also selbst hier kein völliges Bauverbot. Auch in Natura 2000 Gebieten, soweit nicht in Nationalparks gelegen, soll das "überragende öffentliche Interesse" gelten (Eingeräumt wird, dass dies aus Naturschutzgründen problematisch sei, aber größere Ausnahmen seien "nicht zustimmungsfähig"). Nationalparks dagegen machten nur 0,6% der Fläche aus, das sei hinnehmbar( S. 3).  Sehr problematisch aus Naturschutzsicht ist, dass selbst in Natura 2000 Gebieten, obwohl sie einen sehr hohen Schutzstatus genießen und eine besondere Nachweispflicht (mit "hoher Prognosesicherheit" lt. EUGH-Urteil) hinsichtlich der Verträglichkeit eines Eingriffs mit den Schutzzielen verlangen, ein "überragendes öffentliches Interesse" geltend gemacht werden kann. Natura 2000 Gebiete bilden ein zusammenhängendes europaweites Schutzgebietsnetz, das nur in seiner Weitflächigkeit seinen nachhaltigen Schutzzweck erfüllen kann.

4. Art. 87f, Abs.1 GG ("Garantie angemessener Telekommunikationsleistungen") wird durch §§ 156ff Telekommunikationsgesetz ("Recht auf schnelles Internet") interpretiert, das heißt also (anders als im normalen Spachgebrauch): Nur maximal ist angemessen! (S.25), es wird also ausdrücklich nicht zwischen "maximal" und "angemessen" unterschieden!

5. Der Bundesrat möchte verpflichtende Versorgung mit  Telekommunikation in das Baurecht und Förderrecht aufgenommen wissen. Ob das zwingend Mobilfunk sein muss, dazu wird nichts gesagt. Wegen der "diskrimierungsfreien Nutzung" beider Technologien könnte es aber sein, dass das auch auf spätere Small-Cell-Sender am Haus zu beziehen ist.(S.30)

6. Kabel sollen möglichst von mehreren Anbietern gemeinsam genutzt werden ( Besorgnisse wegen ständiger neuer Bauarbeiten auf den Straßen), für den Mobilfunk sollen solche Auflagen nur bedingt gelten. Es sollen hier Roaming-Auflagen durch die Bundesnetzagentur gemacht werden können, zeitlich und regional begrenzt, um sogen. "graue Flecken" zu beseitigen. Roaming-Auflagen zur Strahlenminimierung oder um einen Mastbau in Naturschutzgebieten zu vermeiden, finden sich in dem Gesetzentwurf nicht. Hier muss bedacht werden, dass Mastprojekte in Naturschutzgebieten nicht nur durch HF-EMF Schäden anrichten, sondern wie jedes Bauprojekt durch Bodenversiegelung, Aushubarbeiten, Eingriffe in Habitate und Lebensräume seltener Arten etc..

Fazit: Es soll eine flächendeckende Mobilfunkversorgung, überall auf Maximalniveau gewährleistet werden, faktisch ohne dass eine Abwägung mit anderen wichtigen Belangen durchgeführt werden muss. Übliche Abwägungen brauchen nur in Nationalparks, also in 0,6 % der Landesfläche durchgeführt werden!

Analyse für diagnose:funk: Harald Wernicke

Bild: © Raimond Spekking,CC BY-SA 4.0, Wiki

Das können Sie tun!

Unser Vorschlag: Schreiben Sie Ihre Wahlkreisabgeordneten an, Sie finden sie hier: https://www.bundestag.de/abgeordnete/wahlkreise

Schreiben Sie auch das Umweltministerium (poststelle(at)bmuv.bund.de / steffi.lemke(at)bundestag.de), das Digitalministerium (poststelle (at)bmdv.bund.de, volker.wissing(at)bundestag.de) mit kurzen Worten an:

Betr.: Protest gegen Telekommunikationsnetzausbaubeschleunigungsgesetz (TK-NaBeG)

Sehr geehrte/ r ….

ich appelliere an Sie, dazu beizutragen, dass der Gesetzentwurf „zur Beschleunigung des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen“ (TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz) in der Lesung am 11.10.2024 nicht verabschiedet wird.

Ich schließe mich dem Protest der Umweltverbände aus Brandenburg an, die fordern: Keine Mobilfunkmasten in Naturschutzgebieten! Sie weisen nach, dass die Studienlage inzwischen auf ein enormes Schädigungspotential für Insekten hinweist. Mit diesem Gesetz wird gegen das Vorsorgeprinzip verstoßen. Die Verbände kritisieren, dass der Gesetzentwurf den Bau von Mobilfunkmasten als ein „überragendes öffentliches Interesse“ festschreiben will. Dies würde bedeuten, dass Belange des Naturschutzes zugunsten des Mobilfunkausbaus nachrangig behandelt werden. Dies trägt zur weiteren Umweltzerstörung und zum Artensterben bei. Weitere Informationen und das Positionspapier der Umweltverbände auf: https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/2133

Der einstimmig verabschiedete Bericht des Technikfolgenausschusses des Bundestages (TAB) zur Mobilfunktechnologie beschreibt das grundsätzliche Risiko der Mobilfunkstrahlung und benennt mögliche Schäden. Die Bundesregierung ist aufgefordert, den Empfehlungen des Berichts zu folgen, der nach „neuen technischen Standards“ verlangt, die „Einrichtung von Schutzzonen“ und sogar „Sendeanlagen-Verbotszonen“ sowie die umfassende „Aufklärung der Bevölkerung“ über die Risiken fordert. Meine Meinung als Wähler(in) müsste Sie interessieren. Über Ihre Antwort würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Artikel veröffentlicht:
03.10.2024
Autor:
Harald Wernicke / diagnose:funk
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