13. Vorsorge, Natur-, Klimaschutz und wohl vielfach auch der Schlaf sind somit ohne Aufwand durch eine Unterlassung dieser sog. Indoorversorgung zu verbessern, wie es in ‚Kappel‘ und anderen ‚Funklöchern‘ im Übrigen weitgehend schon faktisch der Fall ist. Die ungefragte und absichtliche Einstrahlung mehrerer Mobilfunk-Netze und Frequenzen durch alle Hauswände hindurch verstößt außerdem rechtlich gegen den besonderen Schutz der Wohnung, um so eher, weil auch nach Meinung der Stadt darauf kein Anspruch besteht.
In Neubaugebieten (Dietenbach) sollte deshalb neu und modellhaft ebenfalls ein Gebiet ohne Indoor-Versorgung geschaffen werden. Die vorhandenen ‚Funklöcher‘ beweisen, dass funkfreie Zonen möglich sind, ohne dass der Mobilfunkverkehr im Übrigen erschwert wäre.
14. Im Einzelnen entgegnen wir zur Stellungnahme der Stadt in der Vorlage noch wie folgt:
a) Der Strahlenschutz wird zum Gegenstand auch der Baugenehmigung, wenn er als planungsrechtliches Erfordernis für ein bestimmtes Gebiet in einem Bebauungsplan vorgesehen wurde. Ein Mobilfunkkonzept beispielsweise für Kappel lässt sich entgegen der Auffassung der Stadt in einem dortigen örtlichen Bebauungsplan, nicht aber nur mit einem gesamtstädtischen Konzept im Flächennutzungsplan verwirklichen. Dass Bund und Land den Ausbau fördern und die Verfahrensfreiheit für die Höhe der Masten erweitert haben, ist gegenüber der Planungshoheit der Gemeinden unerheblich.
b) Die Auswirkungen auf Flora und Fauna sind inzwischen bestätigt. Das schweizerische Umweltamt spricht 2022 von „Evidenz“ und „eindeutigen“ Auswirkungen auf die Genetik mit „Gefahren für die Ökosysteme“, „hochwahrscheinlich auch bei realen Leistungen“ im Alltag (Ergebnis aus 127 Studien, insbesondere zu Insekten).[14] Aus diesem Grunde liegt es nahe, eine Schutzzone in Kappel auch auf die umliegende Landschaft auszudehnen, zumal sich diese im besonders zu schützenden „Biosphärenschutzgebiet Schwarzwald“ befindet.
c) Selbstverständlich ist allein die Abwesenheit eines ständigen elektromagnetischen Feldes in der Wohnung die Garantie dafür, dass in die Privatsphäre nicht „eingebrochen“ werden kann und auch ein Datenklau nicht möglich ist. Schon jetzt gilt ein Smartphone oder „Alexa“, aber auch ein funkfähiger Fernseher, als Dauer-Spion. [15] Dabei wird in die Privatsphäre schon dann eingebrochen, wenn der Provider selbst ungefragt Daten erhebt, ohne dass es eines „Hacker-Angriffs“ bedarf.
d) Für eine städtische Meldestelle für Auswirkungen des Mobilfunks würde in einem ersten Schritt die bloße Möglichkeit ausreichen, Auffälligkeiten und Störungen des Wohnens im Zusammenhang mit dem Ausbau des Mobilfunks zu sammeln und zu ordnen, um sie eines Tages dem Gesundheitsamt zu übergeben. Dies könnte auch für Fragen der Haftung bedeutsam werden.
e) Es genügt nicht, die elektrosensiblen Menschen auf ein paar Innenräume zu verweisen, obwohl die Stadt damit selbst den Nutzen des Verzichts auf die Indoor-Versorgung einräumt! Nicht ernst zu nehmen und als Bleibe unzumutbar ist allerdings ihr Hinweis auf Keller oder Bergwerksstollen (!), obwohl nach einer Schätzung 25.000 Menschen in ihrer Verzweiflung tatsächlich im Wald (!) oder in Kellern leben (Bundesamt für Strahlenschutz, 2007). Wir erinnern daran, dass Elektro(hyper)sensibilität inzwischen europaweit ein weitgehend anerkanntes Leiden ist (vgl. Anhang, Rückseite).
Schlussbemerkung:
Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte / Ortschaftsräte,
Art. 20a unserer Verfassung verlangt von allen staatlichen Organen, die „natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt zu schützen.“
Damit sind Umwelt-, Klima- und Tierschutz Staatsziele, die auch Vorsorge rechtfertigen und erfordern. Gesetz und Recht, nämlich die gemeindliche Autonomie, Planungshoheit und Allzuständigkeit, erlauben es den Gemeinden, hieran selbständig mitzuwirken, insbesondere auch Vorsorge zu bieten. Das bedeutet, dass Gemeinden mehr für den Umweltschutz tun können, als die Mitbürger nur immer auf das gesetzliche Schutzminimum, die „Grenzwerte“, zu verweisen.
Ja, das Aktionsbündnis sieht eine gewisse Pflicht aller Ortschafts- und Gemeinderäte, in eigener Verantwortung zu entscheiden, ob jenen, die keine weiter ständig zunehmende Funkstrahlung vertragen, endlich Schutz durch strahlenreduzierte Wohnbereiche gewährt werden muss – und damit zugleich neuen Betroffenen dieses Schicksal zu ersparen ist. Die Verfassung verlangt, dies „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen“ zu entscheiden.
Der Technikfolgenausschuss des Deutschen Bundestages empfiehlt nach alledem – wie bereits erwähnt - „Schutzzonen in Betracht zu ziehen“ (TAB 2022, S. 17). Wer, wenn nicht die für Wohnen und Unterbringung zuständigen Gemeinden mit ihrer Planungshoheit sollten dieser Empfehlung nachkommen? Wer, wenn nicht die „Umweltkapitale“ Freiburg sollte damit beginnen? Schutzzonen sind machbar, wie wiederum zahlreiche ‚Funklöcher‘ beweisen.
gez. Dr. Wolf Bergmann Bernd Irmfrid Budzinski Tjark Voigts
Quellen
[1] Über 3000 (2674 gültige) Unterschriften - trotz Corona und zum zweiten Mal (zuerst gelang dies für die Einwohnerversammlung 2019)!
[2] BReg: „..hat das Vorsorgeprinzip keine Berücksichtigung gefunden“ (BT-Drucks. 14/7958; Nr. 34 der großen Anfrage der CDU). OVG Saarlouis: "bewußt nicht enthaltene Vorsorgekomponente"; https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=OVG%20Saarland&Datum=17.10.2006&Aktenzeichen=2%20W%2019%2F06
[3] Die Zeit/Le monde v. 17.11.2008: „Das Risiko ist nicht versicherbar“, so Besson, frz. Rückversicherer SCOR zu Mobilfunkgefahren; www.zeit.de/online/2008/47 handystrahlung-interview; >>> LeMonde; ferner Lloyds, Münchner Rück, E+S Rück, „Emerging Risks“ - zuletzt SwissRe, 2013: „Höchstes Risiko“ neben NANO- und Chemotechnologien.
[4] Worum es im Übrigen dem Aktionsbündnis geht, siehe Anhang.
[5] TAB 2022, S. 17; Diese Erklärung wird von allen Parteien getragen.
[6] 1,5 % der Bevölkerung gelten als sicher strahlenempfindlich, also in Freiburg möglicherweise mehr als 3000 Personen!
[7] Seine „Unbedenklichkeitserklärung“ gilt nur für 5G mit den bisherigen Frequenzen im Verbund mit 4G.
[8] „The committee recommends not to use the 26 GHz frequency band for 5G for as long as the potential health risks have not been investigated“ https://www.healthcouncil.nl/binaries/healthcouncil/documents/advisory-reports/2020/09/02/5g-and-health/Advisory-report-5G-and-health.pdf
[9] Der Niederländische Gesundheitsrat ist eine „anerkannte Stelle“, vergleichbar mit dem Bundesamt für Strahlenschutz, welches ihn auch regelmäßig als ‚Kollegen‘ zitiert. Seine Äußerungen verdienen daher im vereinten Europa überall Beachtung.
[10] https://www.dak.de/dak/bundesthemen/muedes-deutschland-schlafstoerungen-steigen-deutlich-an-2108960.html#/ DAK-Gesundheitsreport „Deutschland schläft schlecht – ein unterschätztes Problem“
[11] BfS (2022): Ressortforschungsberichte zum Strahlenschutz. Detaillierte vergleichende Analyse der Alters- und Geschlechtsabhängigkeit des Einflusses hochfrequenter elektromagnetischer Felder von Mobilfunk-Endgeräten auf Gehirnaktivität, Schlaf und kognitive Leistungsfähigkeit, Vorhaben 3619S82465:
https://doris.bfs.de/jspui/handle/urn:nbn:de:0221-2022040532025
PDF-Aufruf durch Direkteingabe im Browser: file:///C:/Users/Nutzer/Downloads/BfS_2022_3619S82465.pdf
[12]https://www.bakom.admin.ch/dam/bakom/de/dokumente/zukunftstauglichemobilfunknetze.pdf.download.pdf/zukunftstauglichemobilfunknetze.pdf
[13] Verzicht: Indoor-Versorgung = „Sendeleistungs-Reduktion um: - 18 dB (Faktor 63 zur Berücksichtigung der Gebäudedämpfung) und - 5 dB (Faktor 3,2) zur Berücksichtigung des geringeren Outdoor-Fast-Fading-Effektes; somit insgesamt: 23 dB (ca. Faktor 200)", Peter Nießen, EMF-Institut.
[14] Bericht im Auftrag des (schweizerischen) Bundesamts für Umwelt (BAFU): 1-87 Mulot M, Kroeber T, Gossner M, Fröhlich J (2022); https://www.emf-portal.org/en/article/49665
[15] Siehe jüngst die Süddeutsche Zeitung vom 3./4.02.2024, S. 55 „Spioniert mich mein Saugroboter aus?“
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