Verbraucherschutzminister fordern nationales Roaming
Auf der Konferenz der Verbraucherschutzminister in Konstanz im Juni 2023 sprachen sich die Landes-Minister für ein verpflichtendes nationales Roaming auf Bundesebene aus. Sie wollen damit vor allem Versorgungslücken im ländlichen Raum schließen. Das ist zwar zu begrüßen, aber zunächst müssen alle Kommunen und der ländliche Raum lückenlos mit Glasfaserkabeln versorgt werden. diagnose:funk wendet sich derzeit an Bundestagesabgeordneten mit der Bitte, sich einzusetzen für
- Die Verpflichtung aller Betreiber auf nationales Roaming.
- Den lückenlosen Ausbau des Glasfasernetzes.
- Die Förderung von energieeffizienten Projekten zur Trennung der Indoor- und Outdoorversorgung, die Wohnungen nicht durchstrahlen.
- Die Förderung neuer Technologien wie OWC/VLC - Kommunikation mit Licht/Infrarot.
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Begriffserklärungen
Mobilfunk/-wettbewerb bedeutet aktuell getrennte Netze - jeder Betreiber hat sein eigenes physikalisches Netzinfrastruktur. KundInnen eines Mobilfunkanbieters haben nur dort Netzzugang, wo ihr Anbieter ein eigenes Netz aufgebaut hat. Nur die sog. Notruffunktion lässt es zu, dass ein Endgerät auch auf andere Netze zugreifen kann, sollte das Vertragsnetz mal nicht zur Verfügung stehen.
Roaming kennen wir aus dem Urlaub im Ausland: Egal, wohin ich in Europa fahre, ich habe immer ein verfügbares Netz, unabhängig vom eigenen Provider. Ursprünglich bezeichnete ‚Roaming‘ die Weiterleitung von Verkehren, die ein Teilnehmer in einem (üblicherweise im Ausland) besuchten Mobilfunknetz erzeugt, an das entsprechende Heimnetz des Teilnehmers. In den internationalen Regelungen wird demnach zwischen einem „Bewohner“ und einem „Besucher“ eines Ortes unterschieden. BewohnerInnen können nur Verträge mit Mobilfunkanbietern abschließen, die an ihrem Wohnort ein eigenes Netz aufgebaut haben. BesucherInnen jedoch können ihr Handy auch dort nutzen, wo es ein Mobilfunknetz irgendeines anderen Anbieters gibt.
Bei der Trennung der Indoor- und Outdoor-Versorgung werden Wohnungen und Betriebe über Glasfaser versorgt, Sendeanlagen beschränken sich auf die Versorgung von mobiler Kommunikation im Außenbereich. Weil damit Gebäude nicht mehr durchstrahlt werden müssen, kann die Sendeleistung reduziert werden. Im Mittel reden wir hier über Minimierungsfaktor 100 bis 300. Praktisch hieße dieses Konzept aber nicht, dass Mobilfunk im Innenbereich gar nicht mehr funktioniert, da die Übergänge immer fließend und die Dämpfungseigenschaften der Baumasse sehr unterschiedlich sind. Es bestünde aber keine Vorgabe mehr Mobilfunk von jedem Betreiber hochbitratig in so gut wie allen Gebäuden der Republik am Rande jeder Funkzelle anzubieten (aktuell wird von der BNA/der Politik verlangt, das in 98% aller Gebäude Indoor 100 MBit/s Übertragungsleistung von allen Betreibern möglich sein sollen). Hochbitratig bedeutet, dass die Empfangsleistung um 5 bis 6 Zehnerpotenzen höher liegen muss, als wenn nur ´Erreichbarkeit` gegeben sein müsste. Vgl. hierzu >>>. Hohe Empfangsleistung bedeutet hohe Feldstärken - Mensch und Umwelt werden unnötig stark bestrahlt/befeldet.
Network-Sharing ist technisch das gleiche wie Roaming. Das Endgerät mit der Vertrag eines Betreibers kann auf den Dienst eines anderen Betreiber zugreifen. International wird dies als MOCN-Sharing (Multi Operator Core Network) bezeichnet. Technische Elemente, die Signale erzeugen, verarbeiten, verstärken und steuern können werden gemeinsam verwendet.[5]
Ein Netz für Alle ist eine politische Forderung für die flächendeckende Umsetzung des Network-Sharing / Roaming innerhalb eines Landes. Das Ziel: Wo ein Mobilfunknetz zur Verfügung steht, hat ein Endgerätenutzer Zugang. Somit bräuchte nicht jeder Betreiber flächendeckend seine eigene physische Mobilfunkinfrastruktur aufbauen. Sehr viel der bereits gebauten Infrastruktur – vor allem im ländlichen Raum - wäre über Nacht überflüssig und könnte abgebaut, bzw. müsste nach dem Willen der Politik zur Flächendeckung, erst gar nicht errichtet werden und alle Bürger im Land hätten ein besseres Netz*. Auch die Deregulierungen der Landesbauordnung und die Entrechtung der Kommunen, wie sie z.Zt. erneut laufen, wären damit vollständig überflüssig.
* Beispielhaft hierfür ist der Zusammenschluss von Telefonica mit dem alten Mobilfunkbetreiber E-Plus. Zur Fusion der beiden Konzerne wurde damals mitgeteilt, dass damit ein Großteil der laufenden Basisstationen durch den Zusammenschluss nicht mehr gebraucht werden, weil diese die gleichen Flächen versorgen. E-Plus hatte zum Zeitpunkt der Fusion als drittgrößter Anbieter am Markt allein ca. 32.000 Basisstationen im Betrieb.
Für das dritte Quartal 2023 benennt das Statistische Bundesamt eine Zahl von 240.400 Basisstationen die in Deutschland von den drei Mobilfunkanbietern betrieben werden. Die Karten der Bundesnetzagentur zeigen, dass die drei großen Anbieter alle weitgehend das Gleiche in der Fläche versorgen und dies wiederum jeder mit mehreren Diensten macht. GSM-, LTE- und zunehmend 5G - Netze werden parallel betrieben.[6] Und in unabhängigen Untersuchungen zur Netzqualität wird festgehalten, dass die Unterschiede in der Netzqualität der drei Betreiber auch immer kleiner werden.[7] Das macht deutlich, welches Potenzial darin liegt, mit sehr viel weniger Sendeanalagen und nur noch leistungsfähigen Diensten wie LTE (Abschaltung von GSM) eine ausreichende, weitestgehend flächendeckende, strahlenminimierte Mobilfunkversorgung herzustellen.
Quellen
[1] 5G - Erst bauen – dann genehmigen. „…5G ist der wichtigste Baustein in der Digitalisierungsstrategie für das ganze Land ... Wir brauchen ein Netz, in dem jeder Spaß hat ohne Limitierungen...“ Telefonica Chef Markus Haas, Süddeutsche Zeitung, 18. Januar 2022
[2] Seit 2019 gibt es einen weiteren Anbieter der ´nur` drei Lizenzbänder ersteigert hat.
[3] https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/20240123_MoFu.html?nn=659670
[4] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/energie-ressourceneffizienz-digitaler
diagnose:funk Artikelserie zu Digitalisierung & Energie- und Ressourcenverbrauch: https://www.diagnose-funk.org/1752
[5] Eine Übersicht über verschiedene (vorrangig in Europa) umgesetzte ‚Sharing‘-Varianten geben die in den Jahren 2014, 2016 und 2017 erstellten Studien von CMS, wobei die erste dieser Studien frei verfügbar ist. Dóra Petrányi, Chris Watson (CMS): „Network Sharing Study 2014”, September 2014: https://cms.law/en/DEU/Publication/CMS-Network-Sharing-Study-2014
[6] Vgl.: https://gigabitgrundbuch.bund.de/GIGA/DE/Breitbandatlas/Vollbild/start.html
[7] https://www.connect.de/vergleich/mobilfunknetztest-2024-bestes-handy-netz-connect-3204537.html