KOMPAKT: Frau Wilkens, wir bitten Sie, sich hier kurz vorzustellen.
CHRISTINA WILKENS: Mit meiner Familie lebe ich in Norddeutschland im eigenen Haus. Ich bin Polizistin mit Leib und Seele. Zuletzt war ich Stationsbeamtin und für einige Jahre Aufklärerin in der 53. Einzeldiensthundertschaft. Als Jugendsachbearbeiterin hatte ich gute Kontakte zu anderen Institutionen und war auch im Gesundheitsmanagement der Polizei aktiv.
KOMPAKT: Wie erging es Ihnen gesundheitlich?
CHRISTINA WILKENS: Seit 2012 litt ich zunehmend an Erschöpfung, was mein Arzt und ich zunächst auf einen Eisenmangel zurückführten. Die verordneten Infusionen halfen aber nur kurzfristig. Ich litt an Schlafproblemen (Stressträumen), so dass ich mich selten morgens erholt fühlte. Ein helles Summen in einer Kopfhälfte wurde immer lauter. Urlaube brachten mir keine anhaltende Erholung, mit dem ersten Arbeitstag setzte wieder eine bleierne Müdigkeit ein. Dazu kamen Rückenverspannungen, Sehstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Herzstolpern. Im Dezember 2019 erlitt ich einen Burnout. Darauf folgte die Suche nach den Ursachen. Weder hatte ich Probleme im persönlichen Umfeld, noch brachte mich das Arbeitsaufkommen im Dienst an meine Grenzen. Klar war nur, dass meine Leistungsfähigkeit stark abgenommen hatte. Aus einer „kurzen Krankschreibung“, um mich zu erholen, wurden dann acht Monate bis zur beantragten psychosomatischen Reha. Ich konnte mich in der Reha erholen und ärgerte mich gleichzeitig, dass ich kaum Funkempfang für mein Handy hatte.
Ich bin nebenberuflich Heilpraktikerin, in diesem Rahmen lernte ich, dass elektromagnetische Felder krankheitsauslösend sein können. Was das genauer bedeutet, verstand ich nach und nach. Zunächst schalteten wir zu Hause nachts das WLAN aus, die Stressträume waren damit vorbei. Ganz ohne hochfrequente Strahlung ging es mir gut, aber der Dienst bei der Polizei brachte unvermeidbar Funk mit sich. Die Dienststelle ist mit einem DECT-Telefon ausgestattet, wir haben Diensthandys und im Außendienst Handfunkgeräte. Im Streifenwagen ist ein Funkgerät fest installiert und auf Polizeigebäuden steht der TETRA-Sender.
KOMPAKT: Sie erhielten viel Unterstützung für die weitere Berufstätigkeit. Wie konnten Sie das erreichen?
CHRISTINA WILKENS: Aufgrund meiner langen Krankheitsphase wurde ich aufgefordert, die Polizeiärztin aufzusuchen und diese verlangte ein psychiatrisches Gutachten, weil sie meinen Angaben über die potenzielle Schädlichkeit von Mobilfunk nicht glauben konnte. Der Psychiater konnte bei mir keine psychische Einschränkung erkennen. Die Polizeiärztin attestierte mir deshalb, voll dienstfähig zu sein, Krankmeldungen wurden nur noch vom medizinischen Dienst der Polizei akzeptiert. Ich schaffte es, zwei Stunden täglich mehr oder weniger effektiv zu arbeiten, vier Stunden waren aber nur schwer durchzustehen. Dem Personaldezernat meldete ich, dass es nicht geht und wendete mich an die Gewerkschaft. Das Landessozialamt anerkannte mir auf meinen Antrag erst eine 20%ige, dann eine 30%ige Behinderung. Durch einen Antrag bei der Agentur für Arbeit erreichte ich eine Gleichstellung mit einer 50% Schwerbehinderung. Zu meinem Hausarzt bestätigten zwei weitere Ärzte meine Elektrohypersensibilität. Im Sommer 2021 startete ein betriebliches Eingliederungsmanagement. Mit mir am Tisch saßen ein Schwerbehindertenvertreter, Personalvertreter, eine Person des Integrationsfachdiensts, eine Sachbearbeiterin des Gesundheitsmanagements und die Chefin der Personalabteilung. Von allen wurde die Erkrankung Elektrohypersensibilität ernst genommen. Der Beschluss war, dass ich zukünftig im Homeoffice arbeiten darf und vom Integrationsfachdienst die Kosten für das Einrichten eines strahlungsarmen Büros im eigenen Haus übernommen werden. Ein Maler tapezierte die Wände mit abschirmender Tapete und strich die Decke mit abschirmender Farbe. Das Fenster bekam eine Spezialfolie und die Tür wurde mit einem Abschirmstoff versehen. Das Büro wurde mit einem strahlungsarmen Monitor und abgeschirmten Kabeln ausgestattet. Die Arbeiten wurden von einem Baubiologen begleitet.
KOMPAKT: Durch diese Hilfen können Sie weiterhin Polizistin sein und sich Ihren Lebensunterhalt verdienen. Dem Land Niedersachsen bleibt Ihre Arbeitskraft erhalten.
CHRISTINA WILKENS: Ich bin sehr froh über die Unterstützung, die ich erhielt, auch wenn ich meiner früher bevorzugten Arbeit als Freund und Helfer im direkten Kontakt zu unterschiedlichsten Menschen leider nicht mehr nachkommen kann. Arbeitskollegen und Kolleginnen begegnen mir mit Wohlwollen. Besprechungen finden telefonisch statt, selten auch mal in der Polizeidienststelle. Es zeigte sich, dass bei Bereitschaft auf beiden Seiten viel möglich ist.
KOMPAKT: Liebe Frau Wilkens, vielen Dank für das Interview, das vielen Betroffenen Mut machen wird.