Unsere Meinung: Die Politik muss endlich auf die Erkenntnisse der Wissenschaft statt auf die Tech-Konzerne hören
Mit dem Digitalpakt "Digitale Bildung" von 2017 lies sich die Bildungspolitik für die Geschäftsfelder der Tech-Konzerne instrumentalisieren. Untersuchungen weisen inzwischen nach, dass die Smartphone-Nutzung einen wesentlichen Anteil an der Bildungskatastrophe und am Leistungsabfall in den Schulen hat.
Die ARTE-Dokumentation stellt eindringlich dar, wovor uns Neurobiologen seit Jahren warnen: Smartphones sind nicht-stoffliche Drogen. Kinder haben noch keine Impulskontrolle, um die Verführungen dieser Droge zu erkennen, geschweige denn zu beherrschen. Schon das schlechte Vorbild Smartphone - affiner Eltern oder eine halbe Stunde Nutzung wirken wie ein Anfixen. Viele App-Entwickler sind Drogendesigner für den Profit der Tech-Konzerne. Das bewusste Ziel ist es, Nutzer abhängig zu machen. Millionen Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene, sind es bereits. Mit gravierenden Folgen: Von der Bulemie bis zu Vereinsamung und Depression, vom Empathieverlust bis zu Gewaltexzessen. Und viele Lerndefizite sind darauf zurückzuführen. In der aktuellen DAK-Sucht-Studie heißt es:
- „Wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird, rutschen immer mehr Kinder und Jugendliche in die Mediensucht und der negative Trend kann nicht mehr gestoppt werden. So würden Familien zerstört und die Zukunft vieler junger Menschen bedroht.“
In ihrem Buch „Wir verlieren unsere Kinder!“ warnt die Rektorin Silke Müller:
- „Ich denke, wir verlieren unsere Kinder und vor allem die Seelen und ihre psychische Unversehrtheit deswegen in den Tiefen der Netzwerke, weil wir nicht hinschauen.“ Und sie hält der Bildungspolitik den Spiegel vor: „Statt uns den Gefahren im Netzt bewusst zu stellen, sie anzunehmen und zu einem Mittelpunkt der Erziehungs- und Bildungsarbeit zu machen, blenden wir sie im Sinne von „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ oder durch ein komplettes Verharmlosen aus.“
Alarmismus ist eigentlich kein guter Ratgeber für Politik. Doch nach dieser ARTE-Sendung müssten die Kultusbehörden aufwachen und sich in Krisensitzungen mit den schon lange vorliegenden Erkenntnissen der Hirnforscher wie Korte, Spitzer oder Teuchert-Noodt, Medienpädagogen wie Lankau, Bleckmann oder Leipner befassen. Sie müssen umsteuern: Der Digitalpakt ist ein Geschäftsmodell der Tech-Konzerne, um die profitträchtige Droge Smartphone in die Schulen zu schleusen. Die Kultusministerien ließen sich als Schleuser instrumentalisieren. Es ist Zeit, die kritischen Wissenschaftler, die Alternativen für eine Erziehung zur Medienmündigkeit vorschlagen, anzuhören. Nicht nur in den Kultusbehörden, sondern auch in den Lehrergewerkschaften.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die industriehörige Politik ohne Druck von Eltern untätig bleibt, ist groß. Es ist deshalb die Aufgabe von Eltern, Erziehern, Lehrern und Ärzten, in ihrem Umfeld diese dramatische Entwicklung zu thematisieren und Lösungen einzufordern, damit wir "unsere Kinder nicht verlieren".
>>> Lesen Sie dazu unsere Artikelserie zur Bildungskatastrophe und Digitalisierung.
diagnose:funk hat schon vor 10 Jahren diese Risiken erkannt und in Zusammenarbeit mit Pädagogen und Neurobiologen Broschüren und Filme publiziert. Lehrern und Eltern empfehlen wie unser Standardwerk „Gesund aufwachsen im Umgang mit digitalen Medien“, inzwischen in 20 Sprachen erschienen, und unsere DVD „Aufwach(s)en im Umgang mit digitalen“ Medien.