Der für die Digitalisierung zuständige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen mit der erweiterten Zuständigkeit für Verteidigung und Raumfahrt ist seit Dezember 2019 Thierry Breton. Er war Vorsitzender und CEO von France Télécom (2002–2005). Heute ist er Ehrenvorsitzender von Thomson und Orange. Von 2008 bis 2019 war er Vorsitzender und CEO von Atos, einem weltweit führenden IT-Unternehmen (mit ca. 110.000 Beschäftigten in 73 Ländern). Von 2005 bis 2007 war er französischer Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie (alle Angaben Wikipedia).
Auf der Tagung der Kompetenzinitiative im Oktober 2022 berichtete ein Mitarbeiter der EU-Abgeordneten Michele Rivasi (>>Video) und ein Mitarbeiter des Europäischen Wirtschafts- und Sozialauschusses (EWSA) (>> Video), wie mit einer personellen Dominanz und Netzwerken der IT-Branche verhindert wird, dass Initiativen und Positionen wie die STOA-Studie und die EWSA-Stellungnahme für eine gesundheitsverträgliche Mobilfunkpolitik zum Zuge kommen.
Schmiergeld-Methoden wie jetzt im Fall der nun abgesetzten Vizepräsidentin Eva Kaili sind da nicht notwendig. Den EU-Kommissar Breton braucht man nicht zu bestechen, er weiß, was er für die Mobilfunkindustrie zu tun hat.
- Die Dreistigkeit der Tatsache, dass ein IT-Boss EU-Digital-Kommissar ist, wird in den Medien nicht hinterfragt. Typisch für den kritiklosen Digitalhype. Man stelle sich den Aufschrei vor, wenn der Daimler-Boss Verkehrs-Kommissar würde, der CEO von Bayer, Reemtsma oder Jägermeister den Kommissar für Gesundheit, Monsanto den für Landwirtschaft, Rheinmetall oder Heckler & Koch den für Verteidigung, Apple oder Facebook den für Datenschutz, Google, Microsoft oder Bertelsmann den für Bildung stellten!
Bundeskanzler Scholz antwortete auf die Frage der Süddeutschen Zeitung: "Der Chef eines Rüstungskonzerns hat gesagt, die etwa 300 deutschen Leopard-Panzer reichten aus, um Augsburg zu verteidigen, aber nicht Berlin und das ganze Land": "Es ist eine kluge Arbeitsteilung, dass jemand, der sein Geld mit dem Verkauf von Waffen verdient, nicht gleichzeitig Verteidigungsminister ist" (Olaf Scholz, 17.12.2022).
Die meisten Branchen verlassen sich noch auf den klassischen Lobbyismus, um den Schein einer neutral interessenausgleichenden Politik aufrecht zu erhalten. Man nennt diese „saubere“ Interessenpolitik auch institutionelle Korruption, die Stuttgarter Zeitung schreibt:
- „Genau an dieser Stelle beginnen die wirklichen Schwierigkeiten: wenn Verbände und Unternehmen nicht mehr offen agieren. In Brüssel bieten Agenturen ihre Dienste an, deren Söldner als sogenannte Berater oder Experten durch die Flure der Macht in Parlament und Kommission huschen. Solche Leute gehen längst auch an Instituten, Hochschulen oder Denkfabriken ihrer Arbeit nach. Sie sind selbst für Insider des Politikbetriebs kaum mehr zu identifizieren“ (Leitartikel, 13.12.2022).
diagnose:funk stellt im Brennpunkt „Wie die Telekommunikationsindustrie die Politik im Griff hat!“ (Download s.u.) dar, wie heute Vertreter der Telekommunikationsindustrie in den deutschen Ministerien ein und ausgehen, die Politik beeinflussen und es geschafft haben, dass die deutschen Strahlenschutzgremien zu ihren Dienstleistern degeneriert sind. Den am 30.11.2022 von der Bundesregierung eingesetzten "Beirat Digitalstrategie Deutschland" dominiert die Industrie.