Bürgerinitiativen sagen „Nein!“ zur geplanten Einschränkung der Rechte der Kommunen beim Mobilfunkausbau!

Offener Brief an die Landesregierungen
Gegen die Pläne, die Kommunen in ihren Rechten bei der Planung der Mobilfunkinfrastruktur einzuschränken, protestieren in einem gemeinsamen Brief vier mobilfunkkritische Organisationen. Helfen Sie mit, diesen Brief zu verbreiten. Schicken Sie ihn an Ihre Gemeinderäte und Bürgermeister!
Die unterzeichnenden Organisationen

Bürgerinitiativen sagen „Nein!“ zur geplanten Einschränkung der Rechte der Kommunen beim Mobilfunkausbau!

Anerkennung der EU-Empfehlungen für eine Politik der Minimierung der Strahlenbelastung auch in Deutschland!

Offener Brief an die Landesregierungen und die Bundesregierung, z.K. Deutscher Städtetag

Die unterzeichnenden Organisationen, die mehr als 100 Bürgerinitiativen repräsentieren, fordern die Landesregierungen von Bayern und Baden-Württemberg auf, ihre Pläne, durch Änderungen der Landesbauordnung die Rechte der Kommunen beim Aufbau von Mobilfunkmasten weiter einzuschränken, zu stoppen.[1] Laut Gesetzentwürfen vom Oktober 2022 soll die Verfahrensfreiheit für Antennenanlagen erheblich erweitert werden. Diesen Angriff auf die Mitspracherechte der Kommunen hat der Deutsche Städtetag noch im Januar 2022 abgelehnt.[2] Bürgermeister und Gemeinderäte sollten diese Entrechtung nicht hinnehmen. Die Einschränkungen betreffen allerdings nur die baurechtliche Ebene.

Recht auf erweiterten Immissionsschutz bleibt bestehen!

Die mediale Botschaft, Kommunen hätten nun keine regulierenden Rechte mehr, ist irreführend. Die Beteiligung der Kommunen über das Baurecht soll weitestgehend abgeschafft werden, aber ihr Recht auf einen erweiterten Immissions­schutz nach der 26. BImSchV (Bundesimmissionsschutzverordnung) bleibt unverändert bestehen. Im § 7a dieser Verordnung ist festgelegt, dass die Kommunen rechtzeitig über die Ausbaupläne der Netzbetreiber und die Möglichkeit zur Mitwirkung informiert werden müssen. Das Recht der Kommune, mit Mobilfunkvorsorgekonzepten und Standort­alter­nativen eine Strahlungsminimierung und Gesundheitsschutz umzusetzen, bleibt also bestehen. Dies muss aber auch für die sog. „mobile Masten“ gelten, deren Errichtung zukünftig bis zu 2 Jahre genehmigungsfrei möglich sein soll.

Dem Vorpreschen von Grünen & CDU in Baden-Württemberg und der CSU in Bayern wollen andere Bundesländer folgen. Noch 2020 haben die Fachkommissionen der Ministerkonferenz diese Art der kalten Entrechtung der Kommunen und dem Freibrief zur Stadtbildverschandelung durch Hausdachanlagen mit bis zu 15 m Höhe abgelehnt.[3]

>10 m Sendeanlagen auf der IHK-Reutlingen. So verschandelt man mit dem Hugo-Häring-Preis ausgezeichnete Architektur. Das Büro Riehle-Architekten aus Stuttgart will von der Anlage anscheinend auch nichts wissen: https://t1p.de/aw4yfdiagnose:funk

Diese Pläne stehen auch im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung,[4] der verfassungsrechtlich geschützten Gemeindeautonomie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG),[5] dem Dialogverfahren nach §7a der 26. BImSchV und der Pflicht der Kommunen zur Gesundheitsvorsorge. Sie stehen zudem im Gegensatz zu den neuesten Empfehlungen und Warnungen europäischer Gremien und zur Studienlage über die Risiken der Mobilfunkstrahlung:

  • Der Technikfolgenausschuss des EU-Parlaments publizierte 2021 die STOA-Studie, die feststellt: Mobilfunk­strahlung mit den bisher verwendeten Frequenzen und Techniken ist gesundheitsschädlich, deshalb darf ohne weitere Forschung und Technikfolgenabschätzung 5G nicht in Betrieb genommen werden.[6]
  • Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) warnt in seiner Stellungnahme vom März 2022, veröffentlicht im Amtsblatt der EU, vor „elektromagnetischer Verschmutzung“ und fordert eine strenge Kontrolle der Strahlenbelastung, um „den Schutz der Interessen der Bürger und insbesondere der Risikogruppen (Kinder, Schwangere, chronisch kranke Personen, ältere Menschen, Menschen die unter Elektrosensibilität leiden) zu gewährleisten.“[7] Gefordert wird die Stärkung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger bei der Einwilligung zur Aufstellung von Antennen.
  • Der neueste Studienüberblick (Review) von Balmori (2022) dokumentiert, dass die Mehrzahl der Studien zu Sendeanlagen Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung nachweisen.[8]
  • Die Internationale Kommission für biologische Auswirkungen elektromagnetischer Felder (ICBE-EMF)[9], besetzt mit weltweit führenden Experten, weist in ihrer neuen Veröffentlichung nach, dass die geltenden Grenzwerte keiner­lei medizinische Schutzfunktion haben, fordert neue Schutzregelungen und die Anwendung des Vorsorgeprinzips.
  • Der Technikfolgenausschuss des Deutschen Bundestages warnt in seinem Bericht von 2022 zum Energieverbrauch der IKT-Technologie, dass der Energiebedarf der Netze und Geräte ohne Eingreifen des Staates bis 2030 um 300 % steigt: „Die Annahmen für das Worst-Case-Szenario scheinen weiterhin plausibel, sodass ein Anstieg des Energiebedarfs auf maximal 58,5 TWh/a (von 22 TWh/a in 2022, d. Verf.) für 2030 denkbar erscheint“ (S.27).[10]

Wir fordern die Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Dokumente beim Aufbau der Mobilfunk-Infrastruktur. Wenn nun den Kommunalverwaltungen durch die geplanten Regelungen fälschlicherweise suggeriert wird, sie könnten und sollen eh´ nicht beim Bau von Sendeanlagen mitreden, zerrüttet dies das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen nachhaltig, v.a. wenn ihnen erst die Bürgerinitiativen vor Ort wieder erklären müssen, welche Handlungs­spielräume eine Kommune hat.[11]

Wir fordern die Regierungen auf, die geplante Entrechtung der Kommunen zugunsten der umweltzerstörenden Wachstums- und Konsum­strategie der Mobilfunkbetreiber fallen zu lassen und stattdessen endlich gesetzliche Regelungen[12] zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung und zur Minimierung der Strahlenbelastung zu verabschieden und damit auch den steigenden Energieverbrauch zu stoppen.

Wir rufen alle kommunalen Entscheidungsträger und Bürgerinnen und Bürger auf, diese beabsichtigte Entrechtung abzulehnen und weiterhin die Beteiligung entsprechend § 7a der 26. BImSchV einzufordern. Wir fordern:

  • Die Wahrung und Stärkung der Rechte der Kommunen beim Ausbau der Mobilfunk-Infrastruktur
  • Die Übernahme der Kosten der Alternativen-Prüfung bei der Aufstellung von Sendeanlagen aus den Versteigerungserlösen!
  • Den sofortigen lückenlosen Ausbau des Glasfasernetzes bis zum letzten Alm-Bauernhof
  • Eine Politik der Strahlenminimierung durch ein Netz für alle Anbieter, nationales Roaming, die Anwendung alternativer Technologien (z.B. LiFi / VLC) und Schutzzonen für sensible Personengruppen
  • Die Trennung der Indoor- und Outdoorversorgung zum Schutz der Wohnungen vor ungewollter Durchstrahlung
  • Eine Neufestsetzung der Grenzwerte nach den medizinisch-biologischen Kriterien der ICBE-EMF (Internationale Kommission für biologische Auswirkungen elektromagnetischer Felder)
  • Die Durchsetzung ökologischer und energiesparender Kriterien beim Ausbau der IKT-Technologie

01.11.2022, die unterzeichnenden Organisationen:

Bündnis Verantwortungsvoller Mobilfunk Deutschland (bvmde) e.V., Diagnose:funk e.V., Europäische Bürgerinitiative Stop 5G – Verbunden, aber geschützt, Mobilfunk Bürgerforum e.V.

Korrespondenz: Jörn Gutbier, Vorsitzender diagnose:funk, kontakt(at)diagnose-funk.de

Bürgerinitiative Cavertitz in AktionQuelle: cavertitz-gegen-5g.de

Quellen

[1] Sawall/Golem: Bayern lässt Sendemasten ohne Genehmigung bauen, 19.10.2022 https://kurzelinks.de/qptb,

https://www.diagnose-funk.org/1907

[2] Pakalaski / Golem: Mobilfunkmasten schneller bauen: Städtetag ist gegen Vorschlag des Telefónica-Chefs, 22.01.2022

https://kurzelinks.de/bq74 , https://www.diagnose-funk.org/1790

[3] Den Wünschen der Bundesregierung und der Mobilfunkindustrie von 2019 sind die Fachkommissionen Städtebau und Bauaufsicht der Ministerkonferenz auf ihrer Tagung im September 2020 nicht gefolgt. Es bleibt im § 61 MBO (Musterbauordnung) bei der Verfahrensfreiheit bis zu 10 m Masthöhe auf Gebäuden.

[4] Darstellung der Rechtslage in: Corinna Nitsch / Maria-Lena Weiss / Michael Frey: Kommunale Gestaltungsspielräume im Rahmen des 5G-Ausbaus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 22/2020, 15.11.2020; https://www.diagnose-funk.org/1632, https://www.diagnose-funk.org/1769

[5] Bernd Irmfrid Budzinski: Gemeindliche Autonomie, 5G und Vorsorge, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 22/2020, 15.11.2020,

https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail?newsid=1632

[6] Auf einen Blick: EU-Dokumente fordern Umsteuern in der Strahlenschutzpolitik: STOA-Studie, EWSA-Stellungnahme, EU-Briefing u.a., https://www.diagnose-funk.org/1899

[7] Aus der EWSA-Stellungnahme:

  • „1.7. Der EWSA empfiehlt, alle Sendestationen und die von ihnen genutzten Frequenzen zu erfassen und diese Information zu veröffentlichen, um eine bessere Kontrolle in den Gebieten und den Schutz der Interessen der Bürger und insbesondere der Risikogruppen (Kinder, Schwangere, chronisch kranke Personen, ältere Menschen, Menschen die unter Elektrosensibilität leiden) zu gewährleisten. Außerdem müssen die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer berücksichtigt werden.
  • 1.14. Der EWSA versteht, dass die Bürger bei der Aufstellung der Antennen ihre Eigentumsrechte gewahrt wissen wollen und dass sie sich im Zusammenhang mit den mittlerweile allgegenwärtigen 5G-Netzen, die sich vom eigenen Wohnraum bis hin zu Satelliten im Weltraum erstrecken, um ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sorgen. Das Recht auf Eigentum und die Entscheidungen der Menschen müssen respektiert werden. Es muss sichergestellt werden, dass es eine genaue Definition der „Einwilligung nach erfolgter Aufklärung“ gibt, denn nur so kann von einem echten Recht auf freie, auf umfassenden Informationen beruhende und gültige Einwilligung der Bürger die Rede sein.“ https://www.diagnose-funk.org/1828.

[8] Balmori A (2022): Evidence for a health risk by RF on humans living around mobile phone base stations: From radiofrequency sickness to cancer. Environmental Research 214, 113851, https://www.diagnose-funk.org/1891; https://www.emfdata.org/de/studien/detail&id=646

[9] International Commission on the Biological Effects of Electromagnetic Fields (ICBE-EMF): Scientific evidence invalidates health assumptions underlying the FCCmnand ICNIRP exposure limit determinationsmnfor radiofrequency radiation: implications for 5G Environmental Health (2022) 21:92, https://doi.org/10.1186/s12940-022-00900-9

[10] Grünwald, R.; Caviezel, C.: Energieverbrauch der IKT-Infrastruktur. Endbericht zum TA-Projekt, 2022. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000151164, https://www.tab-beim-bundestag.de/publikationen.php; Vergleichszahlen: Der Nettostromverbrauch in Deutschland betrug im Jahr 2021 rund 508 Terawattstunden, der Verbrauch von Hamburg im Jahr 2019 bei 11,775 TWh.

[11] Entgegen der oft kommunizierten Falschinformation umfasst die Anwendung des Dialog- und/oder Planungsverfahrens auch alle genehmigungsfreien Sendeanlagen (Vgl. Urteil des BVerwG (4 C 1/11) vom 30.08.2012).Vgl. diagnose:funk Ratgeber Kommunale Handlungsfelder u.a. S. 22ff. https://www.diagnose-funk.org/publikationen/ratgeber/ratgeber-4-kommunale-handlungsfelder. Unerheblich ist auch, ob der Betreiber bereits einen oder auch mehrere (Vor-)Mietverträge mit privaten oder gewerblichen Standortvermietern geschlossen hat. Wenn die Kommune sich dazu entschließt, sich bei der Standortfindung aktiv einzumischen, betrifft das alle Formen von Mobilfunksendeanlagen: Makrozellen auf Häusern oder Masten im Außenbereich, egal welcher Höhe sowie auch Kleinzellen (SmallCells), egal welcher Leistungsstärken (vgl. Nitsch/Weiss/Frey 2020). Wie hier und mit welchen Bandagen von Staatsseite agiert wird, hat diagnose:funk bereits im August 2020 analysiert: Mit Akzeptanzmanagern gegen 5G-Proteste, www.diagnose-funk.org/1602

[12] Gesetzliche Regelungen wurden bereits im Jahr 2005 in den Leitlinien Strahlenschutz des Bundesamtes für Strahlenschutz gefordert und wurden bis heute durch die Mobilfunklobby verhindert. Download Leitlinien Strahlenschutz: https://www.diagnose-funk.org/1507

Publikation zum Thema

4. vollständig überarbeitete Auflage, 2021Format: A5Seitenanzahl: 96 Veröffentlicht am: 26.05.2021 Bestellnr.: 104Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk | Titelfoto: stock.adobe.com

Kommunale Handlungsfelder

Mobilfunk: Rechte der Kommunen - Gefahrenminimierung und Vorsorge auf kommunaler Ebene
Autor:
diagnose:funk | Dipl.-Ing. Jörn Gutbier
Inhalt:
Diese Broschüre gibt Auskunft, welche Möglichkeiten Gemeinden haben, in die Aufstellung von Mobilfunksendeanlagen steuernd einzugreifen. Es wird aufgezeigt, was Kommunen neben dem sog. Dialogverfahren mit den Betreibern noch alles tun können, um ihre Bürger:innen mit einem Vorsorge- und Minimierungskonzept vor der weiterhin unkontrolliert zunehmenden Verstrahlung unserer Lebenswelt zu schützen. Darüber hinaus wird auf Argumente eingegangen, die in der Mobilfunkdiskussion eine wichtige Rolle spielen: die Grenzwerte, der fehlende Versicherungsschutz der Betreiber, der Mobilfunkpakt der kommunalen Spitzenverbände, die Strahlungsausbreitung um Sendeanlagen, die Messung und Bewertung der Strahlungsstärke, der Diskurs um Sendeanlagen versus Endgeräte, Kleinzellennetze, alternative Technologien u.a.m. Die Kommune ist immer noch die einzige Ebene, auf der zur Zeit ein wichtiger Teil einer neuen, effektiven Art der Mobilfunkvorsorgepolitik zum Schutz der Menschen und der Umwelt eingeleitet und umgesetzt werden kann.
diagnose:funk
Format: Din langSeitenanzahl: 10 Veröffentlicht am: 12.08.2022 Bestellnr.: 318Sprache: deutschHerausgeber: diagnose:funk

Mobilfunk, Sendeanlagen, Netzausbau. Kommunale Rechte zur Gesundheitsvorsorge wahrnehmen!


Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Ein Mobilfunkmast soll gebaut werden. Welche Risiken sind nachgewiesen? Was können Initiativen fordern? Welche Rechte haben Kommunen? Der bewährte Flyer zu den Risiken von Mobilfunksendeanlagen und den Handlungsmöglichkeiten der Kommunen ist komplett neu erstellt worden. Er fasst die wichtigsten Informationen kurz zusammen, auch für EntscheidungsträgerInnen in den Kommunen.
Artikel veröffentlicht:
01.11.2022
Autor:
Bündnis Verantwortungsvoller Mobilfunk Deutschland (bvmde) e.V., Diagnose:funk e.V., Europäische Bürgerinitiative Stop 5G – Verbunden, aber geschützt, Mobilfunk Bürgerforum e.V.

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