Klein, aber schlagkräftig: Die Bürgerinitiative Cavertitz im Frühjahr 2022 vor dem geplanten Standort des Funkmasts. Im Ort hatte sie weitere gut sichtbare Banner aufgehängt, die das Thema 5G im öffentlichen Raum präsent hielten. Mittlerweile hat sich aus der Initiative ein Verein gebildet, der das Thema Gesundheit im ländlichen Raum weiter verfolgt. Foto: Thomas Barth
Die Geschichte einer hartnäckigen, sachlichen Auseinandersetzung
Wie so oft erfuhren die Bürger mehr zufällig von den Plänen. Eine Einwohnerin fragte im Gemeinderat nach und wies auf gesundheitliche Bedenken hin. Nach kontroverser Diskussion erteilte jedoch der Gemeinderat mit knapper Mehrheit das gemeindliche Einvernehmen.
Da half nur noch die Gründung einer Bürgerinitiative. Erschwert durch den ersten Corona-Lockdown, nahm diese im Juni 2020 ihre Arbeit auf. Mit den üblichen Mitteln wie Einwohnerversammlung, Plakat- und Flyeraktionen und einer gut gepflegten Homepage konnten wir das Thema in der Öffentlichkeit präsent halten. Immer wieder konfrontierten wir in persönlichen Treffen die Bürgermeisterin, den Gemeinderat und Lokalpolitiker damit. Die Präsenz unserer Bürgerinitiative in Gemeinderatssitzungen, zahlreiche Leserbriefe in der Zeitung und die Vernetzung mit anderen Initiativen stärkten unsere Kompetenz. Wichtig war, immer sofort zu reagieren, wenn etwas geschah.
An die Verantwortung appelliert
Doch entscheidend war aus unserer Sicht ein anderer Ansatzpunkt, der vielleicht auch anderen Bürgerinitiativen helfen könnte. Und zwar ist der Verpächter des Grundstücks, auf dem der Funkmast stehen sollte, eine Agrargenossenschaft – ein in Ostdeutschland sehr verbreitetes Phänomen, da die Funknetzbetreiber vor allem an diese Unternehmen herantreten, um an Landflächen für die Funkmasten zu kommen. Agrargenossenschaften sind große landwirtschaftliche Betriebe von oft mehr als 1000 Hektar Größe, die von den Landbesitzern der Umgebung Landflächen pachten. Außerdem treten sie nicht selten als Direktvermarkter von ländlichen Produkten auf. Für ihre Geschäfte sind sie also auf ein gutes Verhältnis zu den Bewohnern der Gemeinde angewiesen. Dem Thema „gesundes Leben auf dem Land“ muss sich heutzutage jeder Betrieb stellen, da die Bevölkerung entsprechend sensibilisiert ist und gern in einer gesunden Umgebung leben möchte. Mit einer Postkartenaktion erinnerten wir die entsprechende Agrargenossenschaft an ihre Verantwortung als Verpächter der Fläche für den Funkmasten. Das schlug hohe Wellen und brachte uns an den Rand eines Rechtsstreits, doch letztlich führte es bei der Genossenschaft zu der Einsicht, dass der Standort des Funkmasts tatsächlich sehr unglücklich gewählt war. Das Unternehmen bemühte sich daraufhin selbstständig um eine Auflösung des Vertrags mit der Deutschen Funkturm GmbH.
Rechtsberatung hinzugezogen, Deutsche Funkturm zieht zurück
Mithilfe eines rechtlichen Beistands ließen wir gleichzeitig beim Landratsamt Nordsachsen die Baugenehmigung überprüfen, was einige Ungereimtheiten ans Tageslicht brachte, zum Beispiel zwei verschiedene Standorte für den Funkmasten in den Bauunterlagen, die ca. 15 Meter voneinander abwichen. Auch in dieser Hinsicht lohnt sich genaues Hinschauen. Wenn man wie in unserem Fall gleich am Anfang mit einem Rechtsanwalt auftreten kann, unterstreicht das die Ernsthaftigkeit des Unterfangens.
Was der entscheidende Auslöser für den Rückzieher der Deutschen Funkturm GmbH war, wissen wir natürlich nicht genau. Die Cavertitzer Bürgermeisterin setzte sich aktiv für eine Verlegung des Standortes ein, während der Gemeinderat weitgehend passiv blieb oder uns sogar öffentlich angriff. Im Rückblick erscheint es uns jedoch so, dass es wirksam ist, wenn man mit konzentrierter Arbeit Schritt für Schritt eine Allianz aus Bürgern und lokalen Akteuren bildet und sich dabei auch nicht scheut, die Landverpächter für die Funkturmflächen in die Verantwortung zu nehmen. Denn die nächste Pachtvertragsverlängerung kommt ganz bestimmt, und hier sind die Landwirtschaftsbetriebe empfindlich.
Thomas Barth
Bürgerinitiative gegen 5G Cavertitz