Die Argumente im Einzelnen:
In einem Artikel in der österreichischen Ärztezeitung medi.um nehmen vier Lehrstuhlinhaber der Medizinischen Universität Wien, die Dozenten und Professoren Hutter, Kundi, Moshammer und Wallner, darunter zwei Autoren der MOBI-Kids-Studie (Hutter, Kundi), zu den Fehlinterpretationen der Studie Stellung. Die Zeitschrift ordnet die Fehlinterpretation im Editorial als „Dilettantismus“ oder „Lobbyismus“ ein:
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„Es kann nicht und war nicht das Ziel der MOBI-Kids Studie, die Auslösung von Hirntumoren durch Mobilfunk zu untersuchen!“, schreibt ein Autor der MOBI-Kids-Studie, Prof. Michael Kundi (Med. Uni. Wien, Mail an diagnose:funk).
Insgesamt kann die Studie v.a. deshalb keinen Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und Hirntumoren bei jungen Menschen liefern, weil die in der Studie erfassten Hirntumoren mehrheitlich vor (!) einer Handynutzung entstanden sind! So weisen die Wiener Wissenschaftler darauf hin, dass die meisten in der MOBI-Kids-Studie erfassten Gehirntumoren bei Kindern sich bereits vor oder kurz nach der Geburt gebildet haben. Da zum Zeitpunkt der Tumorentstehung die Kinder noch gar kein Mobiltelefon genutzt hatten, kann deshalb logischerweise auch kein Zusammenhang hergestellt werden. Dieses Null-Ergebnis als Beweis umzudeuten, dass Mobilfunkstrahlung keine Auswirkungen hätte, ist eine besonders manipulative Fehlinterpretation. So kritisieren die Autoren der Medizinischen Universität Wien:
- „Dass die MOBI-Kids-Ergebnisse mit der Annahme keines Risikos der Mobiltelefonexposition oder sogar generell von Funkstrahlung verbunden wären, entbehrt ... jeder Grundlage.“[4]
Tumoren, die durch Mobilfunkstrahlung ausgelöst werden und zu einem erhöhten Gehirntumorrisiko führen würden, dürften von der MOBI-Kids-Studie – wenn überhaupt – nur geringfügig erfasst worden sein, da sie sich wegen der erforderlichen Expositions- und Latenzzeit von 10 bis 30 Jahren mehrheitlich erst später als in der untersuchten Altersgruppe der 10 bis 24 – Jährigen zeigen würden.
Kernaussage zur Tumorpromotion wird unterschlagen
Komplett unterschlagen wird vom BfS und den Medien eine Kernaussage der Studie. Die MOBI-Kids-Studie weist darauf hin, dass die Strahlungseinwirkung durch die spätere Handynutzung zu einem beschleunigten Tumorwachstum eines bereits vorhandenen Tumors bei den betroffenen Kindern geführt haben kann:
- „Es wird angenommen, dass viele Tumore im Kindes- und Jugendalter möglicherweise schon pränatal oder kurz nach der Geburt ausgelöst werden. Tumoren, die für die MOBI-Kids-Studie in Frage kommen, erreichen daher ihren Höhepunkt hauptsächlich im 3. Lebensjahr und gehen danach zurück. In der Altersspanne von 10 bis 24 Jahren können daher viele Tumorpatienten bereits eine wachsende Masse an neoplastischen Zellen gehabt haben, die zu ihrer Hirntumor-Diagnose führten, nachdem sie mit der Nutzung von Mobiltelefonen begonnen haben. Unter diesen Umständen könnte die Nutzung von Mobiltelefonen die Wachstumsrate dieser entstehenden Tumore erhöht und zu einer früheren Diagnose geführt haben“ (MOBI-Kids-Studie, S. 15).
diagnose:funk fordert vom Bundesamt für Strahlenschutz eine Richtigstellung seiner Fehlinterpretationen
Jörn Gutbier, der Vorsitzende von diagnose:funk, kritisiert die Unterschlagung dieser Ergebnisse und die Fehlinterpretation der Studie durch das BfS scharf, da sie in der Konsequenz zur Gesundheitsschädigung von Kindern anstiftet:
- „Die Verfälschungen der MOBI-Kids-Ergebnisse durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sind fahrlässig. Ihre Verbreitung in den Medien hat eine fatale Wirkung, weil so Ärzten signalisiert wird, dass sie sich um die neuroonkologischen Risiken der Mobilfunkstrahlung nicht mehr weiter kümmern müssen, und Eltern jetzt glauben, ihren Kindern die Handynutzung sorglos erlauben zu können. Die Verfälschungen können nicht mit fachlicher Unfähigkeit eines Sachbearbeiters entschuldigt werden, denn sie haben System. Alle Studien, die in den letzten 20 Jahren Gesundheitsrisiken nachweisen, werden vom BfS postwendend fehlinterpretiert, wie zuletzt der Umgang des BfS mit der von der EU herausgegebenen STOA-Studie und den Fehlinterpretationen der NTP- und Ramazzini-Studien, die ein krebsauslösendes Potential nachweisen, zeigen. Die Industrie kann sich auf das BfS verlassen. Das BfS wird seiner Verpflichtung zum Strahlenschutz und zur Vorsorge nicht gerecht, es verfehlt seinen Schutzauftrag.“
Damit müsse Schluss sein, so Gutbier. Deshalb wird diagnose:funk einen Beschwerdebrief an die deutsche Umweltministerin und das BfS schreiben mit der Aufforderung, die Presseerklärung zur MOBI-Kids-Studie zurückzuziehen und eine Richtigstellung zu veröffentlichen.
- Auch Sie können aktiv werden! Schreiben Sie der Chefredaktion ihrer Lokalzeitung, dass die Meldungen in der Zeitung über die MOBI-Kids Studie auf einer Fehlinterpretation beruhen und sie darum bitten, dass dies wegen der Konsequenzen für die Gesundheit der Kinder richtig gestellt wird. Verweisen Sie auf diesen Homepageartikel.
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Ausführliche Analysen zu den Ergebnissen der MOBI-Kids Studie
Lesen Sie die die weiteren Analysen (>>> alle zum Download rechte Spalte) zu den wirklichen Ergebnissen der MOBI-Kids Studie:
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Der Europäische Wirtschafts- und Sozialauschuss der EU (EWSA) fordert von der Politik Konseqenzen aus der Studienlage
Das Ziel solcher Fehlinterpretationen und Fälschungen liegt auf der Hand: Politikern wird signalisiert, eine Schutzpolitik sei wegen fehlender Risiken nicht notwendig. Nach der Verfälschung der Ergebnisse der STOA-Studie durch das BfS, der falschen Darstellung der Studienlage zu 5G durch das ICNIRP-Mitglied Prof. Martin Röösli in der Zeitschrift Aktuelle Kardiologie und der Fehldarstellung der UK Million Woman Studie ist die Fehlinterpretation der MOBI-Kids-Studie durch das BfS nun die schon vierte Desinformation über Studienergebnisse im Jahr 2022, die von ICNIRP und BfS lanciert wurden. Ist es „Lobbyismus“ oder „Dilettantismus“, wie die Österreichische Ärztezeitung medi.um fragt, auch im Blick auf das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz? Wir meinen, es ist beides. Es zeigt, wie berechtigt die Forderungen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialauschusses der EU (EWSA) in seiner Stellungnahme im Amtsblatt der EU sind. In dieser Stellungnahme zieht der EWSA die bestehenden von der ICNIRP definierten Schutzstandards in Zweifel, fordert die Ersetzung der ICNIRP durch ein unabhängiges Gremium und die Anerkennung der Ergebnisse der Forschung durch die Politik.diagnose:funk schließt sich den Forderungen der EWSA an, Entscheidungsträger sollten dies auch tun.
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