Jörn Gutbier, Vorsitzender diagnose:funk
An Bundesamt für Strahlenschutz, Präsidentin Dr. Inge Paulini
Aussagen Dr. Leymann (Bundesamt für Strahlenschutz) zu elektrohypersensiblen Menschen
Sehr geehrte Frau Dr. Paulini,
auf einer Einwohnerversammlung in Herrischried am 04.07.2022 äußerte sich Ihr Mitarbeiter Dr. Leymann auf herabwürdigende Weise über elektrosensible Menschen, in dem er sie zu Geisteskranken erklärte. Er sagte:
- „Herr Gutbier hat es gerade noch mal gesagt, Aufklärung ist enorm wichtig – und auch Aufklärung der Mediziner, die elektrosensible Menschen behandeln. Das Schicksal dieser Menschen ist wirklich tragisch, weil Sie von einem Geist verfolgt werden. Weil die Leiden dieser Menschen nicht von den elektromagnetischen Feldern hervorgerufen werden, sondern von anderen Ursachen. Es geht darum, die Mediziner aufzuklären, dass sie die Ursachen abklären und nach anderen Erkrankungen oder sonstigen Problemen, die diese Menschen haben, suchen und auch aufklären und nicht Geistern hinterherjagen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir vom Bundesamt für Strahlenschutz nicht nur durch solche Veranstaltungen touren, sondern auch die Mediziner aufklären, damit diesen Menschen wirklich geholfen werden kann. (…)“
Dass betroffene Menschen, die gleichzeitig Kritiker der Mobilfunkpolitik sind, zu Geisteskranken erklärt werden, erinnert an Praktiken totalitärer Staaten. Kein in der Psychiatrie Beschäftigter würde die ihm anvertrauten wirklich gehandicapten Klienten als „geisteskrank“ stigmatisieren. Es war z.B. in der DDR Praxis, dass unliebsame BürgerInnen zu Geisteskranken erklärt und in geschlossene Abteilungen der Psychiatrie eingeliefert wurden. Im Mittelalter wurde so mit angeblichen Hexen verfahren.
Selbst wenn es eine wissenschaftliche Debatte darüber gibt, ob Elektrohypersensibilität eine Tatsache oder eine Einbildung ist, verbietet es sich, sich eines Wortschatzes aus dem Wörterbuch von Unmenschen und vergangener Geschichte zu bedienen. Dass offensichtlich ein solcher Geist im Bundesamt für Strahlenschutz geduldet wird, ist mehr als befremdlich.
Wir weisen Sie darauf hin, dass andere Institutionen diese Debatte sachlich und auf der Grundlage eines humanen Menschenbildes führen. In der vom Technikfolgenausschuss des EU-Parlaments STOA herausgegeben Studie „Health Impact of 5G “ wird ausdrücklich der Schutz elektrosensibler Personen gefordert:
- „Öffentliche Versammlungsorte könnten "HF-EMF-Verbotszonen" sein (wie beim Zigarettenrauchen), um die passive Exposition von Personen zu vermeiden, die keine Mobiltelefone oder Langstreckenübertragungstechniken nutzen, um so viele gefährdete ältere oder immungeschwächte Menschen, Kinder und elektrosensible Personen zu schützen.“(S. 153, dtsch. Übersetzung)[1]
Der Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Union (EWSA) schreibt in seiner Stellungnahme im Amtsblatt der EU vom 04.03.2022:
- „Das Europäische Parlament, der EWSA und der Europarat haben anerkannt, dass Elektrohypersensibilität bzw. Elektrohypersensitivität eine Krankheit ist. Hiervon sind eine Reihe von Menschen betroffen, und mit der Einführung von 5G, für das eine viel höhere Dichte elektronischer Anlagen benötigt wird, könnte dieses Krankheitsbild häufiger auftreten.“[2]
Die Landesärztekammer Baden-Württemberg fordert in ihrer Stellungnahme zum Mobilfunk von 2021 u.a.:
- „Schaffen von mobilfunkfreien Zonen u.a. in öffentlichen Einrichtungen (Bus, Bahn, Schule, Hochschule, Verwaltung, Kliniken), aber auch im privaten Bereich (Schlafzimmer), Einrichtung einer Koordinierungsstelle zur Sammlung von Meldungen über „Mobilfunk-Nebenwirkungen“, auch für Elektrosensible".[3]
Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschen mit Behinderung schrieb am 06.07.2022:
- „Stellt also heute ein*e Gutachter*in in der Versorgungsverwaltung fest, dass sich jemand durch Mobilfunkstrahlung stark in seiner Teilhabe eingeschränkt sieht, kann daraus schon heute die Feststellung des GdB (Grad der Behinderung) erfolgen, auch wenn Elektrohypersensibilität nicht ausdrücklich in der VersMedV genannt ist.“ (Brief vom 6.7.22 an die Europäische Bürgerinitiative)
Sehr geehrte Frau Dr. Paulini,
mit seiner Aussage hat sich Dr. Leymann für eine weitere Außenvertretung des Bundesamtes für Strahlenschutz disqualifiziert. Oder hat Dr. Leymann mit seiner Aussage die Meinung Ihres Hauses vertreten? Dazu erwarten wir von Ihnen eine schriftliche Stellungnahme bis zum 31.07.2022.
Mit freundlichen Grüßen
Dipl.-Ing. Jörn Gutbier, Vorsitzender diagnose:funk
Quellen
[1] Download der STOA-Studie auf: https://www.diagnose-funk.org/1789
[2] EWSA-Stellungnahme auf https://www.diagnose-funk.org/1828
[3] Positionspapier Landesärztekammer BaWü: https://www.diagnose-funk.org/1758
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