Stuttgart, 25.5.2022: Die Umwelt- und Verbraucherorganisation diagnose:funk empfiehlt der Bayerischen Digitalministerin Judith Gerlach (CSU), vor Äußerungen zu genehmigungsfreien Mobilfunkmasten die entsprechende Bundesverordnung zu lesen. Judith Gerlach hatte gestern gefordert, dass Betreiber ihre Mobilfunkmasten genehmigungsfrei bauen bzw. aufstellen dürfen. diagnose:funk empfiehlt der Landesministerin außerdem dringend, sich mit der wissenschaftlichen Studienlage zu Mobilfunkstrahlung und Gesundheit auseinandersetzen, bevor sie weniger Abstand zu den Masten fordert. Dazu legt diagnose:funk ihr die STOA-Studie des Technikfolgenausschusses des EU-Parlaments wärmstens ans Herz, die als Entscheidungsgrundlage für Politiker verfasst wurde.
„Was Judith Gerlach da fordert, übersteigt schlicht und einfach ihre Kompetenz“, sagt Peter Hensinger, Zweiter Vorsitzender von diagnose:funk und zuständig für den Bereich Wissenschaft. „Mobilfunk ist bezüglich Abständen und Grenzwerten Bundesangelegenheit. Die konkrete Auseinandersetzung mit Standorten für Sendemasten geschieht dann in den Kommunen. Die Kommunen dürfen diesen Angriff auf die kommunale Autonomie nicht hinnehmen. Offensichtlich hat die Bayerische Digitalministerin aber auch von der wissenschaftlichen Studienlage keine Ahnung und redet stattdessen wie eine Lobbyistin der Mobilfunkindustrie das Wort. Die STOA-Studie des Technikfolgenausschusses des EU-Parlaments sagt hingegen ganz eindeutig: Mobilfunkstrahlung ist schädlich.“
In §7a der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (26. BImSchV) steht:
„Die Kommune, in deren Gebiet die Hochfrequenzanlage errichtet werden soll, wird bei der Auswahl von Standorten für Hochfrequenzanlagen, die nach dem 22. August 2013 errichtet werden, durch die Betreiber gehört. Sie erhält rechtzeitig die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Erörterung der Baumaßnahme. Die Ergebnisse der Beteiligung sind zu berücksichtigen.“
https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_26/__7a.html
In der Praxis bedeutet dies, dass bei einem Bauantrag eines Mobilfunkbetreibers die Kommune das sogenannte Dialogverfahren auslösen kann. Dabei kann die Kommune für besonders sensible Bereiche des Gemeindegebiets wie Wohngebiete, Schulen, Kindergärten usw. niedrigere Grenzwerte verfügen. Ein Gutachter sucht dann Alternativstandorte und berechnet die jeweilige Strahlenbelastung. I.d.R. finden neutrale Gutachter strahlungsärmere und damit für die Bevölkerung gesündere Standorte für Mobilfunkmasten.
Die wichtigste und umfassendste Studie zu Mobilfunkstrahlung und Gesundheit, die im Juni 2021 vom Technikfolgenausschuss STOA des EU-Parlaments vorgelegt wurde, fordert als politische Maßnahmen die Reduzierung der Strahlenbelastung und die massive Senkung der Grenzwerte. Die STOA-Studie warnt vor den nicht-thermischen gesundheitsschädlichen Auswirkungen der Strahlung, die bereits weit unterhalb der geltenden Grenzwerte auftreten, oxidativen Zellstress verursachen und in Folge u.a. zu Unfruchtbarkeit und Krebs führen können.
https://www.diagnose-funk.org/1740.
Auf Grund der Studienlage fordert der Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU (EWSA) ganz aktuell die „Einwilligung nach erfolgter Aufklärung“ durch die Bürger bei der Aufstellung von Sendemasten (Punkt 1.14. in der Stellungnahme).
https://www.diagnose-funk.org/1828
diagnose:funk fordert von der Bundesregierung, aus Gesundheitsgründen die Versorgung mit Mobilfunk auf Straßen und Außenbereiche zu begrenzen, wo die moderne Gesellschaft mobiles Internet haben möchte. Wohnungen, Büros, Schulen, Kindergärten, Altenheime, Krankenhäuser usw. müssen hingegen strahlungsfrei bleiben, um die Menschen vor den gesundheitlichen Auswirkungen zu schützen. Kabelanschlüsse, Datenübertragung per Infrarot (VLC, LiFi) od. wenigstens extrem gering strahlende und abschaltbare WLAN-Router sind technisch verfügbare Alternativen zur 24-stündigen Dauerbestrahlung durch Mobilfunkmasten.