Karl, deine jüngste Korrespondenz mit dem Bundesamt für Strahlenschutz (Link zum Schriftwechsel mit dem Bundesamt für Strahlenschutz) sieht nach einem missglückten Dialog aus. Wie geht es dir damit?
Karl Hecht: Der wissenschaftliche Dialog, auch als wissenschaftlicher Meinungsstreit bezeichnet, ist ein Grundprinzip der soliden wissenschaftlichen Tätigkeit. Er ist in den Lebenswissenschaften, wo es um die Gesundheit und das Leben von Menschen geht, eine unbedingte Notwendigkeit. Im wissenschaftlichen Dialog können Irrtümer aufgedeckt, Dogmen überwunden werden und vor allem neue Erkenntnisse gewonnen werden, die der Gesundheit und der Lebensqualität der Menschheit dienlich sind.
Wenn das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) meinen angebotenen wissenschaftlichen Dialog abgelehnt hat, so ist das ein Ausdruck des „Nichtwollens“ wissenschaftlich zu arbeiten und auch nicht im Interesse des Strahlenschutzes für die Bevölkerung wirksam zu werden. Ich werde weiter an diesem Problem dranbleiben. Dabei ist mir ein von Eckermann überliefertes Wort unseres berühmten Dichters Johann Wolfgang von Goethe in Erinnerung:
- "Man muss das Wahre immer wiederholen, weil auch der Irrtum um uns her immer wieder gepredigt wird, und zwar nicht von Einzelnen, sondern von der Masse. In Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen und Universitäten, überall ist der Irrtum obenauf, und es ist ihm wohl und behaglich, im Gefühl der Majorität, die auf seiner Seite ist."
Wir müssen das Wahre immer wiederholen, damit die Menschheit nicht den Lügen glaubt, weil sie täglich den Irrtum hören, dass elektromagnetische Funkwellenstrahlen aller technischen Systeme keine gesundheitlichen Schäden auslösen und für alle Menschen, auch für Kinder, unbedenklich sind.
Leider glauben auch viele Ärzte an diesen Irrtum und verwehren elektrohypersensiblen Menschen die notwendige Hilfe und überweisen die in die Psychiatrie als Nocebo-Patienten. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass mein Briefwechsel mit dem BfS und mein Angebot zu einem wissenschaftlichen Dialog veröffentlicht wird. Damit entsprechen wir der Forderung unseres berühmten Dichters Johann Wolfgang von Goethe: Wir müssen die Wahrheit immer wiederholen.
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Karl Hecht, Dr. med., Dr. med. habil., Professor für Neurophysiologie und emeritierter Professor für experimentelle und klinische pathologische Physiologie der Humboldt-Universität (Charité) zu Berlin. Mitglied der Internationalen Akademie der Wissenschaften Health and Ecology, Innsbruck; Mitglied der Internationalen Akademie für Astronautik (Paris); Ausländisches Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften (Moskau); Mitglied und Mitbegründer der Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e. V.; Ehrenmitglied der Physiologischen Gesellschaft Kuba, Havanna; Ehrenmitglied der Tschechischen Medizinischen Gesellschaft „Purkinje“, Prag; Präsidiumsmitglied der „World Organization for Scientific Cooperation“ (WOSCO); Ehrenpräsident der „International Committee GEOCHANGE on Global Geological and Environmental Change“.
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Die unterschiedlichen Positionen zwischen der unabhängigen Forschung und der gegenwärtigen Mobilfunk-Politik sind erneut sehr deutlich geworden. Wo liegen aus deiner Sicht die Knackpunkte?
Karl Hecht: Zur soliden wissenschaftlichen Sorgfaltspflicht gehört, alle zur Verfügung stehende Literatur heranzuziehen und alle Forschungsergebnisse zu berücksichtigen. Das BfS selektiert nur eine geringe Auswahl an Studien und ignoriert vorliegendes Wissen und behauptet, eine gesundheitsschädigende Wirkung der elektromagnetischen Funkwellen sei nicht bewiesen. Diese falsche Behauptung resultiert aus einer nur einseitig anerkannten Wirkungsweise der nichtionisierenden Strahlung, nämlich der thermischen, und Ablehnung einer Wirkungsweise, von athermischen Effekten der nichtionisierenden Strahlung. Das BfS behauptet, dass die nichtionisierende Strahlung nur thermische Effekte auslöse und hat den Grenzwert nur auf diese partielle Wirkung festgelegt. Seit 1932, als Dr. Erwin Schliephake die Funkwellenkrankheit beschrieb, ist bekannt, dass es auch eine athermische Wirkung gibt, die vor allem das Gehirn betrifft. Seit 1932 gibt es abertausende von Studien, die den athermischen Effekt beweisen und somit die gesundheitsschädigende Wirkung der elektromagnetischen Funkwellenstrahlung aller Art.
Konferenzen in den USA: nicht-thermische Wirkungen bestätigt
Das möchte ich an zwei Beispielen demonstrieren.
1. Wir, Hecht und Balzer (1997), führten 1996/1997 im Auftrag des Bundesamtes für Telekommunikation (später Regulierungsbehörde, heute Bundesnetzagentur) eine Recherche der russischsprachigen Literatur aus dem Zeitraum von 1960-1997 durch (Auftragsnr. 4231/630402 vom 14.11.1996). Thema: „Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder im Frequenzbereich 0-3 GHz auf den Menschen“. Von über 1.500 gesichteten wissenschaftlichen Arbeiten wurden 878 von uns in einem ca. 120-seitigen Recherchebericht ausgewertet. Berücksichtigt wurden dabei vor allem Ergebnisse einer jahrelangen Langzeiteinwirkung von EMF-Strahlungen auf den Menschen unter arbeitsmedizinischen und -hygienischen Aspekten. Dieser Recherchebericht verschwand nach der Übergabe sofort im Archiv der damaligen Regulierungsbehörde. Er wurde auch nicht, wie zuvor in Aussicht gestellt, dem Bundesministerium für Umwelt zugeleitet. Der Grenzwert in der ehemaligen Sowjetunion und im heutigen Russland ist um drei Zehnerpotenzen (also um das Tausendfache) niedriger als in Europa und ist auf die Grundlage des athermischen Effekts der nichtionisierenden Strahlung festgelegt. Er war aber auch nicht griffig genug, wenn Langzeitwirkungen über mehr als sechs Jahre untersucht wurden.
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