VIDEO-Vortrag Wittnau, 13.12.2021
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ich danke für die Einladung und grüße Sie.
Meine Damen und Herren,
1. Vor Allem wegen 5G muss künftig die Vorsorge für die Gesundheit nach neuestem Stand der Forschung berücksichtigt werden. Rund 900 Studien zum bisherigen Mobilfunk, die biologische und großenteils auch gesundheitsrelevante Effekte festgestellt haben, haben auch mich überzeugt, dass es kein „weiter so“ geben darf und erst recht keine Verschlimmerung durch 5G. Auch 180 Wissenschaftler haben deshalb die EU zu einem Moratorium aufgerufen.[1] Nerven und Genetik (mit der Gefahr von Krebs) sind offenbar die Haupt-Angriffspunkte der nicht-ionisierenden Strahlung, wie sie der Mobilfunk verwendet.
1.1 Für die Nerven ist das heute in Form einer Veränderung der Gehirnwellen „ausreichend wissenschaftlich nachgewiesen“[2] und zwar auch „deutlich unter den internationalen Grenzwerten“,[3] wie die Schweizer Regierung verlautbaren ließ. Selbst geringe Veränderungen im Gehirn können aber ausreichen, um auch zu krankhaften Störungen zu führen. Dafür sprechen schließlich Tausende von Berichten und spezielle Studien zu Schlafstörungen, Kopfschmerzen sowie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen.[4]
1.2 Und die von der WHO schon früh für "möglich" gehaltene Gefahr von Krebs[5] ist inzwischen im Tierversuch „gesichert“. Das bestätigte u.a. eine vom Bundesamt für Strahlenschutz in Auftrag gegebene sehr gründliche Wiederholungsstudie – und zwar ebenfalls deutlich und ‚signifikant’ unterhalb der Grenzwerte.[6]
1.3 Ein US-amerikanisches Universitäts-Team von Ingenieuren – sicher kein furchtsames Gremium - zog jetzt daraus die Konsequenzen und schlägt einen Abstand von nicht weniger als 500 m für Mobilfunkmasten zur Wohnbebauung vor, um Schadensersatzansprüche zu vermeiden.[7] Das hatten zuvor auch mehrere epidemiologische Krebsstudien weltweit nahe gelegt.
Gemessen daran müsste die Gemeinde hier ihre Haftung für Strahlenschäden durch den nur rund 100 m von den ersten Häusern entfernten Masten[8] auf Gemeindeland mit einer Freistellungsklausel vertraglich ausschließen lassen – und zwar auch schon ohne 5G.
1.4 Das gilt jetzt erst recht für 5G mit seinen künftigen Millimeterwellen und für neuartige Antennen. Durch höhere und breitbandigere Frequenzen sowie eine starke bleistiftartige Bündelung der Strahlung, häufigere Signalüberlagerungen und Interferenzen können weit höhere Strahlenwerte als bisher erreicht werden.
Das ist unbestreitbar, denn in der Schweiz sollten deshalb sogar die Grenzwerte erhöht werden – wobei es hier nicht darauf ankommt, dass sie für Wohngebiete etwas niedriger sind.[9] Und weil die Strahlenbündel ständig im Sendekegel so schnell hin und her tanzen, dass ihre wirkliche Stärke nicht gemessen werden kann, haben Schweizer Gerichte Baugenehmigungen für 5G-Sender bereits beanstandet.[10]
Der staatliche niederländische Gesundheitsrat empfahl somit dieses Jahr, 5G mit diesen so gut wie nicht erforschten neuartigen Millimeterwellen[11] – also das „echte“ 5G mit den viel gerühmten Superleistungen – vorläufig nicht einzusetzen, und zwar ab der Frequenzhöhe 26 GHz.[12]
Meine Damen und Herren, das ist ein gewichtiger fachlicher Rat einer anerkannten Stelle für einen vorläufigen Baustopp oder ein Moratorium von 5G.
2. Lassen sie mich zum Abschluss noch auf die einmalige Chance hinweisen, bei neuen Verhandlungen mit den Mobilfunkbetreibern, wie sie ja der sog. Mobilfunkpakt anstrebt, eine auch für 5G wichtige Botschaft des Umweltbundesamtes wörtlich wiederzugeben:
„Der Mobilfunk ist für den Hausanschluss ungeeignet und aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes nicht tragfähig.“[13]
2.1 Was heißt das? Das heißt, dass die Anbindung an das Internet und Telefon im Hausinnern nur über Kabel, nicht aber über draußen stehende Mobilfunkmasten erfolgen darf, weil der Funkverkehr hin und her durch die Hauswand zuviel CO2 verursacht.
2.2 Bis zu 90% der Sendeenergie – das entspricht rund 60% des Gesamtstromverbrauchs des Mobilfunks, der zu 65% auf die Sender entfällt -, könnten eingespart werden, wenn auf diese sog. Indoor-Versorgung verzichtet und nur noch für den wirklich mobilen Verkehr im Freien gesendet würde. Besonders das Streamen von Filmen aus dem Internet, das 2018 einen Ausstoß an CO2 wie von ganz Spanien verursacht hat,[14] soll nicht mehr auf diesem Wege mit Funk, sondern nur noch über Festnetz erfolgen.[15]
2.3 In Zukunft, meine Damen und Herren, müssen die Betreiber und die Gemeinden gemeinsam diese klimaschädliche Indoor-Versorgung beenden. Das würde zu einer mehr als hundertfachen Verringerung der Sendeleistungen führen und es vielen Bewohnern voraussichtlich sofort ermöglichen, wieder ruhig zu schlafen, mindestens auch, sich wirkungsvoll in ihren Häusern abzuschirmen.
Wir brauchen künftig in Wohngebieten einen Mix aus Funk und Kabel: [16]
Das bedeutet: Glasfaseranschluss und Licht-Funk (oder Verkabelung) in jeder Wohnung, übergangsweise auch WLAN, und außerhalb nur im Freien Mobilfunk. [17]
2.4 Die Einführung von 5G macht diese Trennung nunmehr doppelt notwendig. Denn 5G wird noch einmal so viel Strom brauchen wie der bisherige Mobilfunk. Mindestens 68% mehr, räumt der Hersteller Huawei trotz besserer Bit-Bilanz selbst ein;[18] Fachleute sprechen von 100% – nämlich davon, dass 4 Mal so viele 5G-Sender notwendig sind, von denen jeder drei Mal mehr Strom benötigt.[19]
3. Das Bundesverwaltungsgericht schließlich erlaubt den Gemeinden sowohl Maßnahmen zum Klimaschutz als auch zur Vorsorge gegen Funkstrahlung.[20] Die Gemeinden dürfen danach den Mobilfunk in Wohngebieten bis hin zur Bildung masten- und mobilfunkfreier Zonen einschränken.[21] Rechtlich noch einfacher muss dann auch die Beschränkung auf den wirklich mobilen Verkehr im Freien ohne Indoor-Versorgung sein, was dem Klima besonders gut dient.
Ein solches Mobilfunkkonzept könnte auch hier die Gemeinde beschließen, falls die Betreiber keine einvernehmliche Lösung wollen und Standorte auf fremden Grundstücken anstreben.
Das würde allerdings überraschen, weil auch die Betreiber verpflichtet sind, das Klima – und die Bevölkerung - zu schützen[22] und die Einsparung von fast 60% Energie und Schonung der wertvollen Funkfrequenzen durch das Festnetz in ihrem eigenen Interesse liegt. Ein neu verhandelter Standortvertrag wäre dazu der erste Schritt.
4. Das immer wieder betonte öffentliche Interesse an einer guten Mobilfunkversorgung richtet sich demgegenüber nach unserer Verfassung. Nach Art. 87f GG genügt eine „ausreichende und angemessene“ Versorgung, die mobil die „Fläche“ abdeckt. Sie muss aber nicht (stationär!) alle Innenräume versorgen. Dafür besteht weder eine Notwendigkeit noch eine Verpflichtung oder ein Recht der Betreiber noch ein Anspruch der Nutzer.
Eine alles bietende Versorgung, die mit Kabel ins Haus kommt, und die im Freien in vielen Fällen auch nur mit 4G schon gesichert wäre (wie die Bundesregierung in ihrem Bericht 2019 bemerkte),[23] ist folglich „ausreichend“ im Sinne der Verfassung.
Aber eine noch dazu gleichzeitig durch 3 (künftig 4) Betreiber Tag und Nacht und ohne Rücksicht auf ihre tatsächliche Nutzung in jedes Haus eingestrahlte 5G-Versorgung wäre in diesem Sinne nicht „angemessen,“ sondern eine das Klima schädigende und die Gesundheit gefährdende Überversorgung. Das gilt erst recht, weil sie ständig und überall mehrfach erfolgt, obwohl - beschränkt auf den jeweiligen Handy-Vertrag - immer nur ein Netz genutzt wird.
5. Wollen die Gemeinden dieser Fehlentwicklung mitten in ihrer Bevölkerung ihren Lauf lassen und dafür sogar noch haften, indem sie Grundstücke bereit stellen? Und dies, obwohl sie bei Standorten von Sendeanlagen auf ihrem Eigentum Vertragsfreiheit genießen und alles Schädliche abbedingen und besser gestalten könnten?
Die Gemeinden sollten die Gesundheit ihrer Bevölkerung besser schützen als die Grenzwerte es vorgeben, die keine Vorsorge enthalten.
Und sie würden damit zugleich zum Klimaschutz beitragen, wie das Umweltbundesamt es empfiehlt.
Nichts hindert sie deshalb daran, die gegenwärtig zugleich für das Klima schädliche und für die Gesundheit bedenkliche Überversorgung mit Mobilfunk bis ins Innere aller Wohnungen vertraglich einzuschränken.
Ich wünsche bei den Vertragsverhandlungen gutes Gelingen und danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Quellen
[1] https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail?newsid=1220
[2] https://www.bakom.admin.ch/dam/bakom/de/dokumente/zukunftstauglichemobilfunknetze.pdf Ziff. 2.1.5, S. 4 (abgerufen 28.7.2021)
[3] 2021: https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/elektrosmog/fachinformationen/auswirkungen-elektrosmog/ gesundheitliche-auswirkungen-von-hochfrequenz-strahlung.html#-1872767350 (abgerufen 19.9.2021).
[4] Siehe
a) für Kopfschmerzen, Wang et al.; https://www.nature.com/articles/s41598-017-12802-9 : “The results of our meta-analysis and lots of previous studies herein supported current clinical opinion that MP use may cause increased risk for headache. Therefore, it is advisable to admit that the use of MP is a risk factor for headache.”
b) für Schlafstörungen https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail&newsid=744 und http://www.avaate.org/IMG/pdf/som_11_05.pdf: „Die Durchschlafstörungen standen in einer direkten Beziehung zur elektromagnetischen Feldstärke des Senders“ und
c) für die Kognition: „Die nach Daten der Betreiber am meisten mobil telefonierenden Schüler sanken binnen eines Jahres in ihrer Leistungsfähigkeit deutlich ab, etwa "um die Hälfte des Unterschieds von einem guten zu einem durchschnittlichen Sekundarschüler" (also beispielhaft etwa von Note 2 zu 2/3), wie der Studienleiter, Röösli, der NZZ zu seiner Wiederholungsstudie mit 700 Schülern verriet; https://www.nzz.ch/wissenschaft/handystrahlen-koennen-aufs-gehirn-schlagen-ld.1404643. - Ähnlich zur Kognition die französische Strahlenschutzbehörde ANSES; https://www.bfmtv.com/sante/les-ondes-peuvent-avoir-un-impact-sur-les-fonctions-cognitives-des-enfants_AN-201607080006.html
[5] https://www.iarc.who.int/wp-content/uploads/2018/07/pr208_E.pdf (abgerufen 28.7.2021).
[6] Tumorpromotion bei Mäusen (Tillmann 2010), Wiederholung 2015: „Diese Befunde konnten klar bestätigt werden und sind daher als gesichert anzusehen (LERCHL et al. 2015, KLOSE 2015)“; doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-2018011014465/3/BfS_2018_3615S82431.pdf S. 5/6 (abgerufen 9.7.2021).
[7] Pearce et al (2019)"… to minimize negative health effects of cellular phone towers"; https://ehtrust.org/cindy-russell-md-to-the-city-of-pittsfield-council-members-on-cell-tower-radiation-health-impacts/
[8] Standortinformation https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Vportal/TK/Funktechnik/EMF/start.html Sicherheitsabstand: 16, 51 m
[9] Was der Ständerat aber zwei Mal ablehnte.
[10] http://aktionsbund-5g.ch/hello-world/ (abgerufen 2.1.2022, Link funktioniert nicht mehr).
[11] https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2021/690012/EPRS_STU(2021)690012_EN.pdf (abgerufen 19.9.2021): Die höheren Frequenzen von 5G lassen sich mangels geeigneter Studien nicht beurteilen. Für bisher genutzte Mobilfunknetze bis 6 GHz gilt: “These frequencies clearly affect male fertility”.
[12] https://www.healthcouncil.nl/documents/advisory-reports/2020/09/02/5g-and-health (abgerufen 28.7.2021).
[13] Energie- und Ressourceneffizienz digitaler Infrastrukturen, Ergebnisse des Forschungsprojektes „Green Cloud-Computing“; https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/energie-ressourceneffizienz-digitaler
[14] 300 000 Tonnen; https://utopia.de/ratgeber/streaming-dienste-klima-netflix-co2/
[15] https://www.golem.de/news/klimaschutz-streaming-muss-nicht-das-neue-fliegen-werden-2009-150799.html
[16] „Why Fiber is Vastly Superior to Cable and 5G“, by Bennett Cyphers and Ernesto Falcon , October 16, 2019: „As a baseline, there is a divide between “wireline” internet (like cable and fiber) and “wireless” internet (like 5G). Cable systems can already deliver better service to most homes and businesses than 5G wireless deployments because the wireline service can carry signals farther with less interference than radio waves in the air"; https://www.eff.org/deeplinks/2019/10/why-fiber-vastly-superior-cable-and-5g
[17] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/telekom-forciert-glasfaser-offensive-101.html
[18] https://carrier.huawei.com/~/media/CNBG/Downloads/Spotlight/5g/5G-Power-White-Paper-en.pdf
[19] https://winfuture.de/news,110321.html und https://www.mobilegeeks.de/news/netz-trifft-nachhaltigkeit-was-5g-mit- erneuerbarer-energie-zu-tun-hat/
[20] BVerwG v. 30.08.2012 - 4 C 1.11 -; https://datenbank.nwb.de/Dokument/450872/
[21] RA Koch (Regelmäßiger Anwalt der BNetzA), „Die kommunale Angst vor dem Mobilfunk“, NVwZ 2013, 251/255: „vollständiger Ausschluss aus Gesundheitsgründen möglich“. Ebenso RA’in Hensel: „mobilfunkfreie Zonen zulässig“; IDUR-Schnellbrief Nr.181, S.67 ff., Nov./Dez. 2013.
[22] „Aus Sicht des BfS ist … auf eine vorsorgliche Minimierung der Exposition der Nutzer und der Bevölkerung zu achten“, 2021; https://www.bfs.de/DE/themen/emf/hff/wirkung/hff-diskutiert/hff-diskutiert.html
[23] So die Bundesregierung in ihrem Papier zur „Mobilfunkstrategie“ (2019), z.B. bzgl. „Agrar 4.0“; https://www.bmvi.de/ SharedDocs/DE/Anlage/DG/Digitales/Mobilfunkstrategie.html (S. 24 und S. 7: Auch abgelegene „Weiße Flecken“ tolerabel)