Der Artikel "Mobilfunkmasten. Leitfaden zum Thema 5G" von Christian Erhardt in Kommunal 12/2021 wirft den Mobilfunkkritikern Desinformation und Behinderung des Ausbaus der Mobilfunkinfrastruktur vor, verdreht deren Alternativen und bedient sich dabei 1:1 der Propagandafloskeln im Leitfaden der GSMA. Der Vorschlag des DStGB an kommunale Entscheidungsträger in diesem Artikel, sich an den GSMA-Industrieleitlinien zu orientieren, ist so, als würde man für die kommunale Mobilitätsplanung die Wünsche der Automobillobby für Straßenbau, Tempolimits und Lärmschutz zum Maßstab machen, bei der Digitalisierung der Schulen die Empfehlungen von Bertelsmann übernehmen und bei der Pestizidanwendung in der Landwirtschaft die Vorgaben der Chemie- und Pharmaindustrie.
Vielleicht regt der folgende Brief von Manfred Hofmeister andere StadträtInnen an, der Zeitschrift "Kommunal" zu schreiben.
Manfred Hofmeister, Stadtrat und Kreisrat, 83435 Bad Reichenhall
An die Redaktion Kommunal, Reinhardtstraße 31, 10117 Berlin
Ausgabe 12/2021: Artikel von Christian Erhardt: "Mobilfunkmasten. Leitfaden zum Thema 5G"
Sehr geehrte Redaktionsleitung der Zeitschrift „Kommunal“, sehr geehrter Herr Erhardt,
Ihr Artikel "Leitfaden zum Thema 5G" desinformiert aus vier Gründen kommunale Entscheidungsträger:
- Sie empfehlen in Ihrem Artikel als Handlungsleitfaden für kommunale Planungen das Papier des "Global System for Mobile Communication Association" (GSMA), also des Weltverbandes der Mobilfunkindustrie. Dieser Leitfaden bildet die Interessen der Mobilfunkindustrie ab und nicht die Vorsorge für Bürgerinnen und Bürger.
- Auf dieser Grundlage stellen Sie die kommunalen Rechte bei der Planung der digitalen Infrastruktur, wie sie in §7a der 26. BImSchV und weiteren Bestimmungen festgelegt sind, verkürzt dar und legen den Kommunen nahe, nicht zu handeln, ihre Rechte nicht wahrzunehmen und den kommerziellen Interessen der Mobilfunkbetreiber zuzustimmen. Die Rechte der Kommunen sind aktuell dargestellt im Artikel von Nitsch/Weiss/Frei in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht 22/2020[1] und in den Artikeln des Juristen Bernd I. Budzinski.[2] Diese Rechtspositionen und Handlungsmöglichkeiten zu unterschlagen, ist unseriös.
- Sie erwecken den Eindruck, dass kommunale Entscheidungsträger, die ein Mobilfunkkonzept auf der Grundlage der rechtlichen Möglichkeiten und der Risiken der Mobilfunktechnologie einfordern, Verschwörungstheoretiker seien. Sie unterschieben ihnen und den Bürgerinitiativen Positionen, die sie nicht vertreten und kreieren ein Zerrbild, an dem sie sich abarbeiten. Diese Methode ist mehr als befremdlich.
- Sie stellen die Studienlage durchweg verfälscht dar und ignorieren die offiziellen Dokumente, die Risiken nachweisen und ein regulatorisches Eingreifen fordern.
Die Kommunen haben weitgehende Rechte bei der Steuerung der digitalen Infrastruktur. Von den Mobilfunkbetreibern wird ihnen aber eingeredet, sie sollten auf diese Rechte verzichten, weil kein Regelungsbedarf bestehe. Diese rechtswidrige Position unterstützt Ihr Artikel. Ich fordere Sie auf, diese Fehlinformationen baldmöglichst zu korrigieren.
Zu meiner Kritik im Einzelnen:
1. Grenzwert. Mit äußerst fragwürdigen Methoden versuchen Sie, kommunalen Entscheidungsträgern die völlige Unbedenklichkeit hochfrequenter Strahlen dazustellen, insbesondere der Frequenzen von 5G. So behaupten Sie, "laut dem Gesetzgeber" sei Mobilfunkstrahlung nicht gesundheitsschädlich, da Grenzwerte festgelegt seien.
5G ist ein weiter Begriff: In ländlichen Gebieten werden niedrigere Frequenzen insbes.700 MHz bis 2100 MHz genutzt, um mit Multifunktionsantennen eigentlich ein LTE Plus zu verbreiten. Es weist größere Bandbreiten als LTE bisher auf und somit gehen auch höhere Belastungen im Umfeld einher. Das wird von den Betreibern bereits als 5G „verkauft“.
Die aktiven 5G Antennen (meist ab 3,5 GHz und höher), insbesondere bei sehr hohem Datenaufkommen, nutzen bis zu 64 Einzelantennen in einer Antennenplatte, um je nach Bedarf die Strahlenkeulen nach Richtung und Entfernung zu orientieren. Hier treten bei entsprechender Auslastung natürlich deutlich höhere Strahlenwerte auf, als im herkömmlichen Mobilfunk. Als Beispiel sei der Sicherheitsbereich eines Senderstandorts auf einem Parkhaus in Düsseldorf genannt. Hier muss durch 5G der Sicherheitsbereich von 8,93 m (LTE 1800) in Hauptstrahlrichtung (5G 3500) auf 21,25 m erhöht werden. Das sind Bereiche, die nur mit Strahlenschutzkleidung betreten werden dürfen, obwohl diese noch immer auf den extrem überhöhten thermischen Grenzwerten beruhen. 5G Sender öffnen Tür und Tor für die millionenfache Vernetzung von Geräten mit enormer Verstrahlung (Außen- und Innenbereiche).
Sie erklären das alles für unbedenklich, weil die Grenzwerte schützen würden. Fakt ist, dass sich geltende Grenzwerte ausschließlich am Modell der Erwärmung orientieren. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien (ca. 950!), die biologische Wirkungen auf Gehirn und Zellprozesse belegen, auch deutlich unterhalb der amtlichen Grenzwerte. U.a. hat die offiziell anerkannte NTP-Studie (bei Tieren) in den USA den Verdacht krebserzeugender und Krebs promovierender Wirkung wissenschaftlich erhärtet. Insbesondere weise ich Sie auf drei Analysen wissenschaftlicher Dienste des EU-Parlamentes hin (s. unten), die das Krebsrisiko bestätigen und ein 5-G Moratorium fordern. Sollte das nicht Anlass genug sein, um genauer hinzuschauen, als Risiken weiter auszublenden.
2. Smartphones. Richtig schreiben Sie, dass das Hauptrisiko von der Strahlenbelastung durch Smartphones ausgehe. Sie fordern aber nicht dazu auf, dazu die Bevölkerung aufzuklären, keine Smartphones oder Tablets im Unterricht an Schulen zu nutzen, oder z.B. auch dauerstrahlende DECT-Schnurlostelefone nicht mehr in kommunalen Einrichtungen zu verwenden.
EEG Messungen der Universität Mainz belegen eindeutig den Einfluss von Smartphone-Telefonaten und WLAN Bestrahlung in der Aktivierung verschiedener Gehirnareale nach wenigen Minuten sowie den Einfluss gepulster Strahlung allgemein auf die Gehirnwellen. Auch das Schweizer Bundesamt sieht das als gesichert an. Zudem wurden in Frankreich Smartphones getestet, ob sie den ohnehin sehr hohen Grenzwert von 2 W/kg einhalten. Das ist generell nur der Fall, wenn tatsächlich, die in der Betriebsanleitung vorgesehenen Abstände zum Kopf eingehalten werden, was in der Praxis meist nicht beachtet wird. Ein Vielzahl (bis Ende 2020 ca. 50 Modelle) Smartphones mussten dennoch vom Markt genommen werden, da bestehende Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten wurden. Beim Dieselskandal zu Grenzwerten wird sehr ausführlich berichtet, hier taucht dieses millionenfach auftretende Thema gar nicht auf. Hinweis: www.phonegatealert.com.
Leider bedienen Sie einseitig mit Hilfe veralteter thermischer Grenzwerte die Interessen der Mobilfunkindustrie. Sie empfehlen den Kommunalpolitikern Industrie-Leitlinien, die diese Dinge verharmlosen und den Vorsorgegedanken sowie verantwortungsbewusstes Handeln komplett ausblenden.
Ich möchte Sie auf die 10 medizinischen Vorsorgehinweise der Wiener Ärztekammer hingewiesen, dort wo möglich die Belastungen zu reduzieren und für längere Gespräche das Festnetz zu nutzen. Auch die Ärztekammer Baden Württemberg hat jüngst die Bedeutung des Vorsorgegedankens hervorgehoben: „Gefahren für die menschliche Gesundheit können beim derzeitigen Forschungsstand nicht ausgeschlossen werden. Die WHO bezeichnet sowohl die niederfrequente als auch die hochfrequente elektromagnetische Strahlung im Zusammenhang mit Mobilfunk als möglicherweise krebserregend. Durch Mobilfunk ist der Nutzer beiden Frequenzbereichen ausgesetzt. Mobilfunkbetreiber konnten deshalb bisher keine Schadens-Versicherung abschließen.“
Empfehlungen europäischer Umweltärzte geben weitere wertvolle Hinweise – EUROPEAM Leitlinie 2016.Die Forderung ist u.a.: Neufassung der Grenzwerte auf der Basis medizinisch-biologischer Kriterien! Hier sei auch verwiesen auf die Verbraucherschutzorganisation www.diagnose-funk.de.
3. Anzahl der Sendeanlagen. Sie reden mit der Formulierung "Je schlechter das Netz ist, desto höher die Strahlenbelastung" dem Bau möglichst vieler ortsnaher Sendeanlagen das Wort. Eine permanente immer höher werdende Verstrahlung durch die Vielzahl der Sender mit millionenfach vernetzten Geräten ist die Folge, ohne dass es hierzu Untersuchungen im Vorfeld gibt. Das ist technisch und vom Energieaufwand her nicht sinnvoll und nur lösbar durch einen möglichst lückenlosen Glasfaserausbau, die Trennung der Indoor- und Outdoorversorgung. Für die technischen Zusammenhänge verweise ich Sie auf Ausführungen bei diagnose:funk: https://www.diagnose-funk.org/1650
4. Verharmlosung. Sie versuchen, die Eingruppierung der Strahlung durch die IARC der WHO in "möglicherweise Krebs erregend" zu karikieren mit dem Argument, auch eingelegtes Gemüse sei dort so eingruppiert. Warum schließen Sie sich dieser von der Industrie lancierten Verharmlosungs-Argumentation an? Es handelt sich nicht um Gemüse an sich, sondern um einen Fermentierungsprozess in asiatischen Ländern, bei dem krebserregende Substanzen entstehen: http://www.inchem.org/documents/iarc/vol56/02-pick.htm, siehe auch https://www.diagnose-funk.org/1085 .