Bad Reichenhaller Stadtrat kritisiert 5G-Empfehlungen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB)

DStGB - Sprachrohr der Mobilfunkindustrie?
Der Bad Reichenhaller Stadt- und Kreisrat Manfred Hofmeister kritisiert, dass der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) den Kommunen empfiehlt, sich beim 5G-Ausbau am Leitfaden der " Global System for Mobile Communications Association" (GSMA), des Weltverbandes der Mobilfunkindustrie, zu orientieren. Und er fordert die Redaktion der Zeitschrift "Kommunal", dem Organ des DStGB auf, Falschaussagen im Artikel "Mobilfunkmasten. Leitfaden zum Thema 5G" zu korrigieren.
Manfred Hofmeister, Bild privat

Der Artikel "Mobilfunkmasten. Leitfaden zum Thema 5G" von Christian Erhardt in Kommunal 12/2021 wirft den Mobilfunkkritikern Desinformation und Behinderung des Ausbaus der Mobilfunkinfrastruktur vor, verdreht deren Alternativen und bedient sich dabei 1:1 der Propagandafloskeln im Leitfaden der GSMA. Der Vorschlag des DStGB an kommunale Entscheidungsträger in diesem Artikel, sich an den GSMA-Industrieleitlinien zu orientieren, ist so, als würde man für die kommunale Mobilitätsplanung die Wünsche der Automobillobby für Straßenbau, Tempolimits und Lärmschutz zum Maßstab machen, bei der Digitalisierung der Schulen die Empfehlungen von Bertelsmann übernehmen und bei der Pestizidanwendung in der Landwirtschaft die Vorgaben der Chemie- und Pharmaindustrie.

Vielleicht regt der folgende Brief von Manfred Hofmeister andere StadträtInnen an, der Zeitschrift "Kommunal" zu schreiben.

Manfred Hofmeister, Stadtrat und Kreisrat, 83435 Bad Reichenhall

An die Redaktion Kommunal, Reinhardtstraße 31, 10117 Berlin

Ausgabe 12/2021: Artikel von Christian Erhardt: "Mobilfunkmasten. Leitfaden zum Thema 5G"

Sehr geehrte Redaktionsleitung der Zeitschrift „Kommunal“, sehr geehrter Herr Erhardt,

Ihr Artikel "Leitfaden zum Thema 5G" desinformiert aus vier Gründen kommunale Entscheidungsträger:

  1. Sie empfehlen in Ihrem Artikel als Handlungsleitfaden für kommunale Planungen das Papier des "Global System for Mobile Communication Association" (GSMA), also des Weltverbandes der Mobilfunkindustrie. Dieser Leitfaden bildet die Interessen der Mobilfunkindustrie ab und nicht die Vorsorge für Bürgerinnen und Bürger.
  2. Auf dieser Grundlage stellen Sie die kommunalen Rechte bei der Planung der digitalen Infrastruktur, wie sie in §7a der 26. BImSchV und weiteren Bestimmungen festgelegt sind, verkürzt dar und legen den Kommunen nahe, nicht zu handeln, ihre Rechte nicht wahrzunehmen und den kommerziellen Interessen der Mobilfunkbetreiber zuzustimmen. Die Rechte der Kommunen sind aktuell dargestellt im Artikel von Nitsch/Weiss/Frei in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht 22/2020[1] und in den Artikeln des Juristen Bernd I. Budzinski.[2] Diese Rechtspositionen und Handlungsmöglichkeiten zu unterschlagen, ist unseriös.
  3. Sie erwecken den Eindruck, dass kommunale Entscheidungsträger, die ein Mobilfunkkonzept auf der Grundlage der rechtlichen Möglichkeiten und der Risiken der Mobilfunktechnologie einfordern, Verschwörungstheoretiker seien. Sie unterschieben ihnen und den Bürgerinitiativen Positionen, die sie nicht vertreten und kreieren ein Zerrbild, an dem sie sich abarbeiten. Diese Methode ist mehr als befremdlich.
  4. Sie stellen die Studienlage durchweg verfälscht dar und ignorieren die offiziellen Dokumente, die Risiken nachweisen und ein regulatorisches Eingreifen fordern.

Die Kommunen haben weitgehende Rechte bei der Steuerung der digitalen Infrastruktur. Von den Mobilfunkbetreibern wird ihnen aber eingeredet, sie sollten auf diese Rechte verzichten, weil kein Regelungsbedarf bestehe. Diese rechtswidrige Position unterstützt Ihr Artikel. Ich fordere Sie auf, diese Fehlinformationen baldmöglichst zu korrigieren.

Zu meiner Kritik im Einzelnen:

1. Grenzwert. Mit äußerst fragwürdigen Methoden versuchen Sie, kommunalen Entscheidungsträgern die völlige Unbedenklichkeit hochfrequenter Strahlen dazustellen, insbesondere der Frequenzen von 5G. So behaupten Sie, "laut dem Gesetzgeber" sei Mobilfunkstrahlung nicht gesundheitsschädlich, da Grenzwerte festgelegt seien.

5G ist ein weiter Begriff: In ländlichen Gebieten werden niedrigere Frequenzen insbes.700 MHz bis 2100 MHz genutzt, um mit Multifunktionsantennen eigentlich ein LTE Plus zu verbreiten. Es weist größere Bandbreiten als LTE bisher auf und somit gehen auch höhere Belastungen im Umfeld einher. Das wird von den Betreibern bereits als 5G „verkauft“.

Die aktiven 5G Antennen (meist ab 3,5 GHz und höher), insbesondere bei sehr hohem Datenaufkommen, nutzen bis zu 64 Einzelantennen in einer Antennenplatte, um je nach Bedarf die Strahlenkeulen nach Richtung und Entfernung zu orientieren. Hier treten bei entsprechender Auslastung natürlich deutlich höhere Strahlenwerte auf, als im herkömmlichen Mobilfunk. Als Beispiel sei der Sicherheitsbereich eines Senderstandorts auf einem Parkhaus in Düsseldorf genannt. Hier muss durch 5G der Sicherheitsbereich von 8,93 m (LTE 1800) in Hauptstrahlrichtung (5G 3500) auf 21,25 m erhöht werden. Das sind Bereiche, die nur mit Strahlenschutzkleidung betreten werden dürfen, obwohl diese noch immer auf den extrem überhöhten thermischen Grenzwerten beruhen. 5G Sender öffnen Tür und Tor für die millionenfache Vernetzung von Geräten mit enormer Verstrahlung (Außen- und Innenbereiche).

Sie erklären das alles für unbedenklich, weil die Grenzwerte schützen würden. Fakt ist, dass sich geltende Grenzwerte ausschließlich am Modell der Erwärmung orientieren. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien (ca. 950!), die biologische Wirkungen auf Gehirn und Zellprozesse belegen, auch deutlich unterhalb der amtlichen Grenzwerte. U.a. hat die offiziell anerkannte NTP-Studie (bei Tieren) in den USA den Verdacht krebserzeugender und Krebs promovierender Wirkung wissenschaftlich erhärtet. Insbesondere weise ich Sie auf drei Analysen wissenschaftlicher Dienste des EU-Parlamentes hin (s. unten), die das Krebsrisiko bestätigen und ein 5-G Moratorium fordern. Sollte das nicht Anlass genug sein, um genauer hinzuschauen, als Risiken weiter auszublenden.

2. Smartphones. Richtig schreiben Sie, dass das Hauptrisiko von der Strahlenbelastung durch Smartphones ausgehe. Sie fordern aber nicht dazu auf, dazu die Bevölkerung aufzuklären, keine Smartphones oder Tablets im Unterricht an Schulen zu nutzen, oder z.B. auch dauerstrahlende DECT-Schnurlostelefone nicht mehr in kommunalen Einrichtungen zu verwenden.

EEG Messungen der Universität Mainz belegen eindeutig den Einfluss von Smartphone-Telefonaten und WLAN Bestrahlung in der Aktivierung verschiedener Gehirnareale nach wenigen Minuten sowie den Einfluss gepulster Strahlung allgemein auf die Gehirnwellen. Auch das Schweizer Bundesamt sieht das als gesichert an. Zudem wurden in Frankreich Smartphones getestet, ob sie den ohnehin sehr hohen Grenzwert von 2 W/kg einhalten. Das ist generell nur der Fall, wenn tatsächlich, die in der Betriebsanleitung vorgesehenen Abstände zum Kopf eingehalten werden, was in der Praxis meist nicht beachtet wird. Ein Vielzahl (bis Ende 2020 ca. 50 Modelle) Smartphones mussten dennoch vom Markt genommen werden, da bestehende Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten wurden. Beim Dieselskandal zu Grenzwerten wird sehr ausführlich berichtet, hier taucht dieses millionenfach auftretende Thema gar nicht auf. Hinweis: www.phonegatealert.com.

Leider bedienen Sie einseitig mit Hilfe veralteter thermischer Grenzwerte die Interessen der Mobilfunkindustrie. Sie empfehlen den Kommunalpolitikern Industrie-Leitlinien, die diese Dinge verharmlosen und den Vorsorgegedanken sowie verantwortungsbewusstes Handeln komplett ausblenden.

Ich möchte Sie auf die 10 medizinischen Vorsorgehinweise der Wiener Ärztekammer hingewiesen, dort wo möglich die Belastungen zu reduzieren und für längere Gespräche das Festnetz zu nutzen. Auch die Ärztekammer Baden Württemberg hat jüngst die Bedeutung des Vorsorgegedankens hervorgehoben: „Gefahren für die menschliche Gesundheit können beim derzeitigen Forschungsstand nicht ausgeschlossen werden. Die WHO bezeichnet sowohl die niederfrequente als auch die hochfrequente elektromagnetische Strahlung im Zusammenhang mit Mobilfunk als möglicherweise krebserregend. Durch Mobilfunk ist der Nutzer beiden Frequenzbereichen ausgesetzt. Mobilfunkbetreiber konnten deshalb bisher keine Schadens-Versicherung abschließen.“

Empfehlungen europäischer Umweltärzte geben weitere wertvolle Hinweise – EUROPEAM Leitlinie 2016.Die Forderung ist u.a.: Neufassung der Grenzwerte auf der Basis medizinisch-biologischer Kriterien! Hier sei auch verwiesen auf die Verbraucherschutzorganisation www.diagnose-funk.de.

3. Anzahl der Sendeanlagen. Sie reden mit der Formulierung "Je schlechter das Netz ist, desto höher die Strahlenbelastung" dem Bau möglichst vieler ortsnaher Sendeanlagen das Wort. Eine permanente immer höher werdende Verstrahlung durch die Vielzahl der Sender mit millionenfach vernetzten Geräten ist die Folge, ohne dass es hierzu Untersuchungen im Vorfeld gibt. Das ist technisch und vom Energieaufwand her nicht sinnvoll und nur lösbar durch einen möglichst lückenlosen Glasfaserausbau, die Trennung der Indoor- und Outdoorversorgung. Für die technischen Zusammenhänge verweise ich Sie auf Ausführungen bei diagnose:funk: https://www.diagnose-funk.org/1650

4. Verharmlosung. Sie versuchen, die Eingruppierung der Strahlung durch die IARC der WHO in "möglicherweise Krebs erregend" zu karikieren mit dem Argument, auch eingelegtes Gemüse sei dort so eingruppiert. Warum schließen Sie sich dieser von der Industrie lancierten Verharmlosungs-Argumentation an? Es handelt sich nicht um Gemüse an sich, sondern um einen Fermentierungsprozess in asiatischen Ländern, bei dem krebserregende Substanzen entstehen: http://www.inchem.org/documents/iarc/vol56/02-pick.htm, siehe auch https://www.diagnose-funk.org/1085 .

WFC-Studie analysiert 5G-Energieverbrauch

5. Einflüsse auf Umwelt, Klima und Artenvielfalt. Gutachten des Umweltbundesamtes, des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) und des grünen Think Tanks World Future Council (WFC) weisen darauf hin, dass die Digitalisierung und 5G Brandbeschleuniger der Klimakatastrophe werden, wenn der Staat nicht regulierend eingreift. Die Kommune darf nicht zum Geschäftsfeld  für autonomes Fahren, das Internet der Dinge u.a. Konsumfelder werden.

Angesichts der dramatischen Klimaentwicklung muss jedes Projekt von Kommunen unter den Klimavorbehalt gestellt werden, auch und gerade 5G. So wird der durch 5G zunehmende Energiebedarf durch immer größere Rechenzentren und Sendemasten von Ihnen ausgeblendet. Untersuchungen der Universität Aachen zeigen auf, dass bis 2025 mit der flächendeckenden 5G Technik etwa 3,8 TeraWatt/h bis 2025 mehr Strom verbraucht wird. Das entspricht dem Strombedarf von Dortmund, Düsseldorf und Köln zusammen. Wie passt das in das Narrativ der Klima- und CO² - Debatte?

Le monde diplomatique greift aktuell das Thema in dem Artikel "Die Ökosünden der Digitalindustrie" warnend auf. Auch das sollten Sie betrachten und nicht nur der Mobilfunkindustrie das Wort reden. Genau den Vorsorgegedanken haben viele Städte für sich in Anspruch genommen, um nicht bedenkenlos immer höhere Strahlenbelastungen hinzunehmen, z.B. Brüssel, Lille, Grenoble, Marseille, Florenz, Genf, um nur einige zu nennen.

Bezogen auf  die Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung auf Insekten und Bienen wurde in 2020 vom NaBu, der  Luxemburger Umwelt-Organisation AKUT und der Verbraucherschutzorganisation Diagnose Funk in 2020 ein Studienüberblick publiziert. Die Mehrheit der Studien weist auf einen deutlich schädlichen Einfluss hin (u.a. Orientierung, Rückkehrverhalten von Bienen), so dass als Mit-Wirkfaktor für das Insektensterben es im dringlichen Interesse liegen sollte, hier vertiefte Untersuchungen anzusetzen. Leider ist das Gegenteil der Fall. Der exponentiell zunehmenden Verstrahlung wird freier Lauf gelassen.

Der Schutz von Umwelt und Gesundheit sollte gerade in den Kommunen als hohes Gut im Fokus stehen und die Unbedenklichkeit neuer immer höher werdenden Frequenzen mit kürzeren Wellenlängen sollten im Vorfeld untersucht werden (nicht nur nach thermischen Effekten), statt eine allgemeine plakative Verharmlosung zugunsten der Mobilfunkindustrie mit fragwürdiger Propaganda zu betreiben.

Die Aufgabe der Medien und Ihrer Zeitung sollte eher als „Wächter“ im Interesse und zum Schutz von Mensch und Umwelt Dinge kritisch zu hinterfragen, darüber zu informieren und nicht bedenkenlos dem Narrativ der Industrie zu folgen und das auch noch als „Wahrheit“ zu propagieren. Es wäre angemessen, auch darüber objektiv zu berichten und sich z.B. auch mit den elektrosensiblen Personen, zunehmenden Schlafproblemen und „Burn Out“ zu befassen, als einer uneingeschränkten Verstrahlung und Nutzung von Smartphones das Wort zu reden.

Ich rufe Sie auf, sich nicht weiter an einer verantwortungslosen Verharmlosung dieser Thematik zu beteiligen, sondern den Schutz und die Vorsorge ernst zu nehmen und über  vorliegende wissenschaftliche Erkenntnisse zu Wirkungen  hochfrequent strahlender Geräte in Körpernähe und der Problematik zunehmender Zahl von Sendern auch zu berichten, selbst wenn das der mächtigen Mobilfunkindustrie nicht gefallen sollte.

Als „seriöse“ Zeitschrift insbesondere für kommunale Entscheidungsträger wäre das ein wichtiger Grundsatz der Ausgewogenheit. Personen, die Vorsorge einfordern, in die Ecke von Verschwörungsanhängern ( ..“mit Fakten gegen Verschwörungstheorien“…) zu rücken, ist unerhört und zeugt von (bewusster oder unbewusster) Unkenntnis der tatsächlichen aktuellen Faktenlage.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Hofmeister, Dipl. Ing., Stadtrat und Kreisrat Bad Reichenhall

Anhang:

Untersuchungsberichte des Europäisches Parlaments zu Gesundheit und 5G

Etliche Dokumente des wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments (European Paramantary Researche Service-EPRS) kommen zu einem ganz anderen Schluss als ihr Autor. Diese Positionen zu unterschlagen oder in die Verschwörungsecke zu stellen ist manipulativ und ich möchte Sie auffordern, die Veröffentlichungen des EPRS den Kommunen bereitzustellen.

1. Blackman C, Forge S. (2019): 5G Deployment: State of Play in Europe, USA and Asia.

In dieser Studie für das EU-Parlament werden Bedenken hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die Gesundheit und allgemeinen Sicherheit geäußert, die sich aus einer potenziell viel höheren Belastung durch hochfrequente elektromagnetische Strahlung durch 5G ergeben könnten. Eine erhöhte Exposition kann sich nicht nur aus der Verwendung wesentlich höherer Frequenzen bei 5G ergeben, (Frequenz Bereich FR 2: 24,25 – 52,5 GHz) sondern auch aus dem Potenzial der Bündelung verschiedener Signale, ihrer Dynamik und den komplexen Interferenzeffekten, die insbesondere in dichten Stadtgebieten auftreten können. In der Studie heißt es:

  • "Es gibt erhebliche Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit, die sich aus einer potenziell viel höheren Belastung durch hochfrequente elektromagnetische Strahlung durch 5G ergeben könnten. Eine erhöhte Exposition kann sich nicht nur aus der Verwendung wesentlich höherer Frequenzen bei 5G ergeben, sondern auch aus dem Potenzial der Bündelung verschiedener Signale, ihrer Dynamik und den komplexen Interferenzeffekten, die insbesondere in dichten Stadtgebieten auftreten können.
  • Die 5G-Funkemissionsfelder unterscheiden sich deutlich von denen früherer Generationen durch ihre komplexen strahlförmigen Übertragungen (Beamforming, df) von der Basisstation über das Mobilteil und zurück. Obwohl die Felder der Strahlen stark fokussiert werden, variieren sie schnell mit Zeit und Bewegung und sind daher unvorhersehbar, da die Signalpegel und -muster als geschlossenes System interagieren. Dies muss noch zuverlässig für reale Situationen außerhalb des Labors abgebildet werden.
  • Während die Internationale Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) Richtlinien zur Begrenzung der Exposition gegenüber elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern (EMF) herausgibt und die EU-Mitgliedstaaten der Empfehlung 1999/519/EG des Rates unterliegen, die den ICNIRP-Richtlinien folgt, besteht das Problem darin, dass es derzeit nicht möglich ist, 5G-Emissionen in der realen Welt genau zu simulieren oder zu messen." (S.11/12).[3]

2. Karaboytcheva M (2020): Effects of 5G wireless communication on human health

Mit einem Briefing[4] weist der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments die Abgeordneten auf die Risiken der 5G-Mobilfunktechnologie hin. Der eindeutige Tenor: Aufgrund des Forschungsstandes darf 5G nicht eingeführt werden. Im Briefing werden all die Beschlüsse von EU-Gremien seit 1999 aufgezählt, in denen immer wieder auf die Gesundheitsgefahren hingewiesen wird und die Regierungen aufgefordert werden, Schutzmaßnahmen zu ergreifen und Verbraucher:innen über Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkstrahlung aufzuklären. Die Hauptaussagen zu Gesundheitsgefahren durch 5G lauten:

  • "Die derzeitigen Vorsorgebestimmungen der EU über die Exposition gegenüber drahtlosen Signalen, die Empfehlung des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz bis 300 GHz), sind nun 20 Jahre alt und berücksichtigen daher nicht die spezifischen technischen Merkmale von 5G."
  • "Studien zeigen, dass gepulste EMF (Elektromagnetische Felder) in den meisten Fällen biologisch aktiver und daher gefährlicher sind als nicht gepulste EMF. Jedes einzelne drahtlose Kommunikationsgerät kommuniziert zumindest teilweise über Pulsationen, und je intelligenter das Gerät, desto mehr Pulsationen. Folglich kann 5G zwar leistungsmäßig schwach sein, aber seine dauerhaft künstliche Impulsstrahlung kann Wirkung zeigen. Zusammen mit der Art und Dauer der Exposition scheinen Eigenschaften des 5G-Signals wie das Pulsieren die biologischen und gesundheitlichen Auswirkungen der Exposition zu verstärken, einschließlich der DNA-Schäden, die als Ursache für Krebs angesehen werden. DNA-Schäden werden auch mit dem Rückgang der Fortpflanzungsfähigkeit und neurodegenerativen Krankheiten in Verbindung gebracht."
  • "Die jüngste wissenschaftliche Literatur zeigt, dass kontinuierliche drahtlose Strahlung biologische Auswirkungen zu haben scheint, insbesondere wenn man die besonderen Eigenschaften von 5G berücksichtigt: die Kombination von Millimeterwellen, eine höhere Frequenz, die Anzahl der Sender und die Anzahl der Verbindungen. Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass 5G die Gesundheit von Menschen, Pflanzen, Tieren, Insekten und Mikroben beeinträchtigen könnte - und da 5G eine noch nicht getestete Technologie ist, wäre ein vorsichtiger Ansatz angebracht. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, die Vereinbarungen von Helsinki und andere internationale Verträge erkennen an, dass ein erklärtes und informiertes Einverständnis der Betroffenen - bevor es zu Eingriffen kommt, welche die menschliche Gesundheit beeinträchtigen - ein wesentliches, grundlegendes Menschenrecht ist. Dieses Recht muss noch kontroverser diskutiert werden, wenn man die Exposition von Kindern und Jugendlichen in Betracht zieht."

3. Panel for the Future of Science and Technology (STOA), European Parliament (2021): Health impact of 5G

Den bisher umfangreichsten Bericht zu den bisherigen Frequenzen (GSM, UMTS, LTE) und zu 5G legte der Technikfolgenausschuss STOA der EU vor (Belpoggi, F. ,2021).[5] Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • In der Zusammenschau der Ergebnisse aus der Epidemiologie, in-vivo und in-vitro Studien, liegen Nachweise (engl.: limited evidence / sufficient evidence) für ein krebsauslösendes Potenzial v.a. der bisher angewandten Mobilfunk-Frequenzbereiche von GSM, UMTS, LTE und 5G (700 bis 3.800 MHz) vor, ebenso zu negativen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit.
  • Zu 5G im höheren Frequenzbereich (24,25- 52,6 GHz) liegen keine angemessenen Studien vor. Deswegen bezeichnet die Studie 5G FR 2, als ein Experiment an der Bevölkerung.
  • Bei der Beurteilung müssen die nicht-thermischen Auswirkungen berücksichtig werden, was bisher nicht gemacht wurde. Dafür wird die ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) direkt kritisiert. Ihre Richtlinien haben keine Schutzfunktion.
  • Die Autoren der Studie fordern einen 5G-Ausbaustopp (für 5G im höheren Frequenzbereich FR 2 (24,25 – 52,6 GHz), Forschungen über die hohen 5G-Frequenzen, Aufklärung der Bevölkerung und den Schwerpunkt auf den Ausbau von Glasfasernetzen.

Quellen

[1] Corinna Nitsch / Maria-Lena Weiss / Professor Dr. Michael Frey: Kommunale Gestaltungsspielräumeim Rahmen des 5G-Ausbaus, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, 22/2020, 15.11.2020, https://www.diagnose-funk.org/publikationen/1632

[2] Budzinski, BI (2021): Wie können Gemeinden gegen Gesundheitsgefahren beim Mobilfunk vorsorgen und zugleich das Klima schützen? https://www.diagnose-funk.org/1769

[3] https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail?newsid=1388 , auch Blackman C, Forge S. (2019): 5G deployment: State of Play in Europe, USA ans in Asia; in depth- Analysis, Requested by the ITRE Committee

[4] Karaboytcheva M. (2020): Effects of 5G wireless communication on human health. EPRS - European Parliamentary Research Service, Members' Research Service PE 646.172. https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2020/646172/EPRS_BRI(2020)646172_EN.pdf

[5] Siehe: https://www.europarl.europa.eu/stoa/en/document/EPRS_STU(2021)690012

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Manfred Hofmeister.

Artikel veröffentlicht:
12.12.2021
Autor:
Manfred Hofmeister
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