Über die ICNIRP sind nun fundierte Analysen erschienen. Sie kommen zum gleichen Schluss:
- Die ICNIRP ist ein „Closed-Club“ ohne demokratische Legitimation und Strukturen, der nur Mitglieder mit industriekompatibler Meinung aufnimmt.
- Die ICNIRP vertritt nicht die Meinung der Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinschaft.
- Die ICNIRP hat ein selbstreferentielles System geschaffen, das darin besteht, dass in nationalen Schutz- und Beurteilungsgremien weltweit, in vielen europäischen Staaten, der Europäischen Union und der WHO ICNIRP-Mitglieder sitzen, die sich auf ihre eigenen Gutachten berufen.
- Die Grundlagen, woraus die ICNIRP-Grenzwertempfehlungen ableitet werden, halten der wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand.
Im November 2023 wählte die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) einen neuen Vorsitzenden, einen stellvertretenden Vorsitzenden und sieben neue Kommissionsmitglieder, die die verbleibenden fünf Mitglieder ergänzen. Die neue Besetzung tritt ihr Amt Mitte Juli 2024 an. Microwave News kommentiert:
- "Trotz aller Veränderungen dürften die Perspektiven und Strategien der ICNIR weitgehend gleichbleiben. Zwar werden zwei Mediziner der Kommission beitreten - derzeit gibt es keine -, doch wird die Mitgliedschaft weiterhin von Physikern und Elektroingenieuren dominiert. Das von der ICNIRP vertretene Dogma der thermischen Strahlung wird höchstwahrscheinlich weiterhin Bestand haben, wobei Krebsrisiken und andere nicht-thermische Wirkungen heruntergespielt, wenn nicht sogar gänzlich abgelehnt werden."
Die ICNIRP liefert der Industrie die Argumente und sichert den Rahmen zur uneingeschränkten Vermarktung der Mobilfunktechnik, indem Studien, die Gesundheitsrisiken nachweisen, entweder nicht in die Bewertung aufgenommen, die Ergebnisse angezweifelt und/oder verzerrt dargestellt werden. Deshalb fordert der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) die Auflösung der ICNIRP und die Ersetzung durch ein neues, industrieunabhängiges Gremium. Als Alternative zur ICNIRP hat sich 2022 die ICBE-EMF (International Commission on the Biological Effects of Electromagnetic Fields) gegründet. Sie verfasste ein Grundsatzpapier zur Unwissenschaftlichkeit der ICNIRP und für die Kriterien zur Neufestsetzung von Grenzwerten (s.u.).
Analyse I
Butler-Recherchen enthüllen den Einfluss der Industrie auf die weltweite Strahlenschutzpolitik
Prof. Tom Butler (Irland) analysiert die Geschichte der ICNIRP als Ausgeburt und verlängerter Arm der Industrie, deren Hauptaufgabe darin besteht, „...wissenschaftliche Erkenntnisse zielführend zu verwerfen." Butler dokumentiert, wie in den 1950er-Jahren im militärisch-industriellen Komplex bereits die Risiken bekannt waren, aber für zivile Anwendungen erst in den frühen 1990er-Jahren Gesundheits- und Sicherheitsschutzrichtlinien erlassen wurden. Leider basierten diese Richtlinien nur auf den thermischen Risiken, Forschungsergebnisse, die schädliche gesundheitliche Auswirkungen von nicht-thermischen Expositionen aufzeigten, wurden ignoriert. Bis zum Jahr 2020 habe sich dieser Forschungsstand erheblich erweitert. Dennoch bleiben die Richtlinien aus den 1990er-Jahren unverändert. Butler weist den institutionellen und organisatorischen Akteuren unethisches Verhalten nach, das ein erhebliches Risiko für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Erwachsenen und Kindern zur Folge habe.
- „ICNIRP ist eine schlecht getarnte Organisation", die der "Aufrechterhaltung der vorherrschenden institutionellen und wissenschaftlichen Logik dient, … um wissenschaftliche Erkenntnisse zielführend zu verwerfen."
Analyse II
Prof. Dariusz Leszczynski, Mitglied vieler internationaler Kommissionen, nimmt Stellung zu den Grenzwertfestlegungen und Aussagen der ICNIRP zur Sicherheit von 5G. Der Kern seiner Kritik:
- "ICNIRP gibt Sicherheitsrichtlinien heraus, die für die Telekommunikationsindustrie überlebenswichtig sind. Jeder der behauptet, dass es keinen Einfluss von und keine Interaktion zwischen beiden gibt, darf getrost als naiv bezeichnet werden ... Es gibt keine ausreichende Forschung zu 5G-Millimeterwellen, um zu behaupten, dass die ICNIRP-Sicherheitsrichtlinien wissenschaftlich fundiert sind und die Sicherheit aller Nutzer bei jahrzehntelanger Exposition gewährleisten."
Analyse III
In diesem Brennpunkt veröffentlichen wir den Artikel in den Oncology Letters 20:15, 2020, von Lennart Hardell und Michael Carlberg „Gesundheitsrisiken durch hochfrequente Strahlung, einschließlich 5G, sollten von Experten ohne Interessenkonflikte bewertet werden“, der die Rolle der ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) in der Schweizer und internationalen Strahlenschutzpolitik analysiert. Hardell / Carlberg decken die Interessenkonflikte der ICNIRP-Mitglieder auf. Die Gründe, warum hunderte Wissenschaftler ein Moratorium für den Einsatz der 5G-Strahlung forderten, bis eine ordnungsgemäße wissenschaftliche Bewertung der möglichen negativen Folgen durchgeführt worden ist, würden im Bericht einer Expertengruppe der Schweizer Regierung und in einer Veröffentlichung der Internationalen Kommission zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung (ICNIRP) ignoriert. Dies führen Hardell / Carlberg auf ein Kartell von Einzelpersonen zurück, die die Bewertungsausschüsse monopolisieren und so das Null-Risiko-Paradigma stärken: "Wir glauben, dass diese Tätigkeit als wissenschaftliches Fehlverhalten einzustufen ist".
- „Die Arbeitsergebnisse der ICNIRP sollten bestenfalls ignoriert, aber keinesfalls für internationale Grenzwert-Festlegungen herangezogen werden.“
Aktualisierung 06/2021: Analyse der Arbeitsgruppe um Hardell über den Wert der von der ICNIRP überarbeiteten Grenzwertempfehlungen.
Lennart Hardell, Mona Nilsson,Tarmo Koppel, Michael Carlberg (2021): Aspects on the International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) 2020 Guidelines on Radiofrequency Radiation, Journal of Cancer Science and Clinical Therapeutics; J Cancer Sci Clin Ther 2021; 5 (2): 250-285 DOI: 10.26502/jcsct.5079117
Analyse IV
Der Buchner/Rivasi-Report über die ICNIRP
Der Report "Die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung: Interessenkonflikte, „Corporate Capture“ und der Vorstoß zum Ausbau des 5G-Netzes" erschien zuerst im Juni 2020 in englischer, französischer und deutscher Sprache in Brüssel. Dieser Bericht wurde von zwei EU-Abgeordneten – Michèle Rivasi (Europe Écologie) und Klaus Buchner (ÖDP, Ökologisch-Demokratische Partei) – in Auftrag gegeben, koordiniert und veröffentlicht und von der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament finanziert. Zum Ergebnis schreiben die Autoren:
- "Die Ergebnisse dieser Untersuchung lösen in uns ein unbehagliches Déjà-vu-Gefühl aus: Viele Tatsachen und Prozesse, die zu der gegenwärtigen Situation führen, wobei die Europäischen Behörden - angefangen von der Europäischen Kommission bis hin zu den meisten Mitgliedsstaaten - einfach ihre Augen vor den realen wissenschaftlichen Fakten und Frühwarnsignalen verschließen. Genau dasselbe Szenario haben wir bereits in den Debatten über Tabak, Asbest, Klimawandel und Pestizide erlebt ... Die ICNIRP gibt vor, dass es sich bei ihren Mitgliedern um unabhängige Wissenschaftler handelt, die frei von den eigennützigen Interessen der Telekommunikationsindustrie agieren. Mit diesem Bericht wollen wir zeigen, dass die ICNIPR diesbezüglich mit der Wahrheit spielt oder diese Aussage schlichtweg gelogen ist."
- „ICNIRP ist ein selbstverliebten Wissenschaftsclub, dem es an biologisch-medizinischem Sachverstand ebenso mangelt wie an wissenschaftlicher Kompetenz bei spezifischen Risikobewertungen.“
Analyse V (ergänzt 02/2023)
Die internationale Grenzwertkommission ICBE-EMF (International Commission on the Biological Effects of Electromagnetic Fields) fordert neue Grenzwerte, die den Stand der Forschung berücksichtigen. In ihrem Artikel weist die ICBE-EMF nach, warum die bestehenden Grenzwerte unwissenschaftlich und ohne Schutzfunktion sind. Der Artikel der ICBE-EMF enthüllt den fauligen Kern der Mobilfunkpolitik: Die Grenzwertfestlegung durch die ICNIRP war die pragmatische Legitimation des Geschäftsmodells der Mobilfunkindustrie. diagnose:funk legte im Februar 2023 eine deutsche Fassung des Artikels vor.
- "In diesem Beitrag heben wir Studien hervor, die die Unrichtigkeit der inhärenten Annahmen in den FCC/ICNIRP Richtlinien für Grenzwerte für HF-Strahlung aufzeigen, und wir stellen fest, dass die Grenzwerte die Gesundheit von Menschen und Umwelt nicht schützen. Vierzehn Annahmen, die den Grenzwerten für Hochfrequenzstrahlung zugrunde liegen, die in den 1990er Jahren festgelegt und 2020 von der FCC und der ICNIRP bestätigt wurden, werden in dieser Stellungnahme behandelt."
Analyse VI (ergänzt 12/2023)
diagnose:funk ÜBERBLICK für den DURCHBLICK Nr.3: Nicht-thermische Wirkungen der Mobilfunkstrahlung.
Seit Jahrzehnten gibt es eine unterschiedliche Auslegung von Forschungsergebnissen zur nicht-ionisierenden Strahlung des mobilen Funks. Regierungen und Wissenschaftler, die den ICNIRP-Richtlinien folgen und nur die thermischen Wirkungen der Mobilfunkstrahlung anerkennen, halten sie für risikolos. Sie klammern aus der Risikobewertung hunderte Studien, die nicht-thermische Wirkungen nachweisen, aus. Sie sind mit ihrer Argumentation zunehmend in der Defensive. Unser ÜBERBLICK dokumentiert 70 Studien, die nicht-thermische Wirkungen nachweisen.