Ratgeber 4: Kommunale Handlungsfelder

Mobilfunk: Rechte der Kommunen - Gefahrenminimierung und Vorsorge auf kommunaler Ebene.
Dieser Ratgeber gibt Auskunft, welche Möglichkeiten Gemeinden haben, in die Aufstellung von Mobilfunksendeanlagen steuernd einzugreifen. Es wird aufgezeigt, was Kommunen neben dem sog. Dialogverfahren mit den Betreibern noch alles tun können, um ihre Bürger:innen mit einem Vorsorge- und Minimierungskonzept vor der weiterhin unkontrolliert zunehmenden Verstrahlung unserer Lebenswelt zu schützen. Die Kommune ist die Ebene, auf der zur Zeit ein wichtiger Teil einer neuen, effektiven Art der Mobilfunkvorsorgepolitik zum Schutz der Menschen und der Umwelt eingeleitet und umgesetzt werden kann.
Titelblatt Ratgeber 4 Bild: Drobot Dean - stock.adobe.com

Interview mit Jörn Gutbier, dem Autor des Ratgebers

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Welche Rechte haben die Kommunen, den Mobilfunkausbau und den Umgang mit elektromagnetischen Feldern zu regulieren? Dazu haben wir Jörn Gutbier, den Autor des neuen Ratgebers, befragt. Er ist Vorsitzender von diagnose:funk und hat für die Grünen 12 Jahre Gemeinderatserfahrung in Herrenberg gesammelt.
 

 

Jörn, der neue Ratgeber „Kommunale Handlungsfelder“ ist Dein Werk, fast 2 Jahre war diese Neuauflage angekündigt, warum war sie eine so schwere Geburt?

Jörn Gutbier: Das lag teilweise daran, dass ich vor dem Lockdown fast jede Woche zu Vorträgen bei Bürgerinitiativen und Kommunen im ganzen Land unterwegs war, gerade um sie in dieser Frage zu beraten. Da war die Zeit, dies zu Papier zu bringen, fast nicht mehr da. Diese Reisen brachten eine Menge Erfahrung, wo der Schuh drückt. Aber hauptsächlich lag es daran, dass der Anspruch erfüllt werden musste, eine gründliche Analyse und praxistaugliche Anleitung vorzulegen.

Dipl.-Ing. Jörn Gutbier, Vorsitzender diagnose:funkBild: diagnose:funk

Worin besteht denn die Rechtsunsicherheit, ob die Kommunen in den Ausbau der Mobilfunkplanung steuernd eingreifen können?

Jörn Gutbier: Es gibt keine Rechtsunsicherheit, sondern eine verwirrende Zweckpropaganda vor allem von den Kommunalen Spitzenverbänden und den Landesministerien, die bis runter in die Baurechtsabteilungen der Gemeinde ihre Auswirkungen zeigt. In den Köpfen der Bürgermeister:innen und Gemeinderäte/-innen wird die Ansicht verankert, sie hätten so gut wie keine Rechte, beim Mobilfunkausbau mitzuentscheiden. Dabei tragen aber die Kommunalpolitiker zusammen mit ihrer Verwaltung eine große Verantwortung, wenn die Bundes- und Landespolitik sich verweigert, diese zu übernehmen und, wie bei 5G, eine ungeprüfte Technik in den Markt gedrückt werden soll.

In welcher Hinsicht ist der Ratgeber da eine Hilfe?

Jörn Gutbier: Mit Hilfe von Juristen, Gutachtern und Kolleg:innen aus der Politik wird hier die Rechtslage ohne viel Paragraphendeutsch verständlich dargelegt und vor allen auch die Rahmenbedingungen, in denen sich die Kommunen bewegen und einige der wichtigsten technischen Hintergründe erläutert. Das brauchte seine Zeit, aber ich glaube, es ist gut gelungen. Und wir räumen auf mit den Ammenmärchen, die z.B. die Betreiber den Kommunen erzählen zum Thema ´Sendeanlage versus Endgerät` und mit der Propaganda der bayerischen Staatsregierung, dass das Landesförderprogramm FEE den Kommunen irgendwie nützen könnte.

Welche Rechte oder Möglichkeiten haben die Kommunen dann? Können die Gemeinderäte die Mobilfunkplanung steuern?

Jörn Gutbier: Diese Rechte haben die Kommunen, vor allem, wenn es um neue Standorte geht. Kein Mobilfunkbetreiber baut heutzutage noch eine Sendeanlage ohne die Zustimmung der Gemeinde – zumindest dort, wo die Gemeindeverantwortlichen verstanden haben, wie die Rechtslage aussieht und welche höchstrichterlich gesicherten Handlungswege ihr offen stehen. Darüber hinaus wird beschrieben, wie Kommunen offene Fragestellungen des so wichtigen Immissionsschutzes weiter entwickeln können und sollten – z.B. durch emissionsminimierende Maßnahmen an der Quelle. Und auch beim Thema Kleinzellen, welche, sofern mit kleiner als 10 Watt Abstrahlleistung betrieben, genehmigungsfrei sind, braucht es zwingend Gestattungsverträge durch die Gemeinde. Nicht ohne Grund wurde mit dem Mobilfunkpakt 2018 versucht, auch die kommunalen Spitzenverbände mit ins Boot zu holen, um genau in diesem Feld durch „Mustermietverträge“, „Verfahrensbeschleunigungen“ und „unbürokratische Anmeldeverfahren" den Mobilfunkbetreibern den Weg für einen beschleunigten Mobilfunkausbau zu ermöglichen. Denn: Hier macht der Betreiber im öffentlichen Raum nichts ohne die Zustimmung der Gemeinde.

Das heißt also, die Rechte der Kommunen sind bei der laufenden 4G-Aufrüstung mit tausenden neuen Sendeanlagen-Standorten und dem geplanten 5G-Ausbau mit den angekündigten 500.000 neuen Kleinzellen gar nicht so sehr beschränkt?

Jörn Gutbier: So ist es. In den umfangreichen Fachartikeln von Nitsch/Weiss/Frey (2020) und Budzinski (2020) in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht ist diese Rechtslage dargelegt. Die Kommunen können also selbstbewusst die Planungen steuern. Wie, das steht im Ratgeber.

  • Nun sollten es die Bürgerinitiativen und Aktiven vor Ort organisieren, dass jede BürgermeisterIn und jedes Gemeinderatsmitglied diesen Ratgeber bekommt.

Trotz seiner 96 Seiten ist er gut zu lesen, alles ist praxistauglich zusammengefasst, und mit 4,- Euro (2,50 für d:f-Mitglieder) geben wir ihn fast zum Selbstkostenpreis ab, weil es uns wichtig ist, dass hier mehr Klarheit und Wahrheit in diese Auseinandersetzung kommt.

Gibt es sonst noch etwas, was Du hier erwähnen möchtest?

Jörn Gutbier: Die politische Arbeit der Bürgerinitiativen, ihre Forderungen nach einer Politik der Minimierung der Strahlenbelastung, ist der Schlüssel für Veränderungen. Auch das behandelt der Ratgeber und zeigt auf, mit welchen jeweils landesrechtlich zur Verfügung stehenden Instrumenten die Engagierten vor Ort ihre Öffentlichkeitsarbeit in die Breite tragen können. Darüber hinaus ist es mir sehr wichtig, dass die anderen Möglichkeiten des Immissionsschutzes im Bereich der Mobilfunkanwendung behandeln werden – also das, wo die Kommunen 100% Verfügungsgewalt darüber haben: Die WLAN- und DECT-Anwendung in den Schulen und Kitas sowie der Umgang mit den privaten Endgeräten an diesen Einrichtungen, die Verantwortung gegenüber den städtischen Angestellten in Bezug auf immissionsarme Arbeitsplätze oder die Art der Umsetzung funkbasierter Smart City und Smart Meter Anwendungen. Hier kann Vorsorge jederzeit umgesetzt werden.

Danke für Deine Arbeit, wir wünschen uns, dass der Ratgeber ein Erfolg wird. 

Aus dem Ratgeber "Kommunale Handlungsfelder"Grafik: Sara Contini-Frank - diagnose:funk

Publikation zum Thema

4. vollständig überarbeitete Auflage, 2021Format: A5Seitenanzahl: 96 Veröffentlicht am: 26.05.2021 Bestellnr.: 104Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk | Titelfoto: stock.adobe.com

Kommunale Handlungsfelder

Mobilfunk: Rechte der Kommunen - Gefahrenminimierung und Vorsorge auf kommunaler Ebene
Autor:
diagnose:funk | Dipl.-Ing. Jörn Gutbier
Inhalt:
Diese Broschüre gibt Auskunft, welche Möglichkeiten Gemeinden haben, in die Aufstellung von Mobilfunksendeanlagen steuernd einzugreifen. Es wird aufgezeigt, was Kommunen neben dem sog. Dialogverfahren mit den Betreibern noch alles tun können, um ihre Bürger:innen mit einem Vorsorge- und Minimierungskonzept vor der weiterhin unkontrolliert zunehmenden Verstrahlung unserer Lebenswelt zu schützen. Darüber hinaus wird auf Argumente eingegangen, die in der Mobilfunkdiskussion eine wichtige Rolle spielen: die Grenzwerte, der fehlende Versicherungsschutz der Betreiber, der Mobilfunkpakt der kommunalen Spitzenverbände, die Strahlungsausbreitung um Sendeanlagen, die Messung und Bewertung der Strahlungsstärke, der Diskurs um Sendeanlagen versus Endgeräte, Kleinzellennetze, alternative Technologien u.a.m. Die Kommune ist immer noch die einzige Ebene, auf der zur Zeit ein wichtiger Teil einer neuen, effektiven Art der Mobilfunkvorsorgepolitik zum Schutz der Menschen und der Umwelt eingeleitet und umgesetzt werden kann.
Artikel veröffentlicht:
08.04.2021
Autor:
diagnose:funk

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