Worin besteht denn die Rechtsunsicherheit, ob die Kommunen in den Ausbau der Mobilfunkplanung steuernd eingreifen können?
Jörn Gutbier: Es gibt keine Rechtsunsicherheit, sondern eine verwirrende Zweckpropaganda vor allem von den Kommunalen Spitzenverbänden und den Landesministerien, die bis runter in die Baurechtsabteilungen der Gemeinde ihre Auswirkungen zeigt. In den Köpfen der Bürgermeister:innen und Gemeinderäte/-innen wird die Ansicht verankert, sie hätten so gut wie keine Rechte, beim Mobilfunkausbau mitzuentscheiden. Dabei tragen aber die Kommunalpolitiker zusammen mit ihrer Verwaltung eine große Verantwortung, wenn die Bundes- und Landespolitik sich verweigert, diese zu übernehmen und, wie bei 5G, eine ungeprüfte Technik in den Markt gedrückt werden soll.
In welcher Hinsicht ist der Ratgeber da eine Hilfe?
Jörn Gutbier: Mit Hilfe von Juristen, Gutachtern und Kolleg:innen aus der Politik wird hier die Rechtslage ohne viel Paragraphendeutsch verständlich dargelegt und vor allen auch die Rahmenbedingungen, in denen sich die Kommunen bewegen und einige der wichtigsten technischen Hintergründe erläutert. Das brauchte seine Zeit, aber ich glaube, es ist gut gelungen. Und wir räumen auf mit den Ammenmärchen, die z.B. die Betreiber den Kommunen erzählen zum Thema ´Sendeanlage versus Endgerät` und mit der Propaganda der bayerischen Staatsregierung, dass das Landesförderprogramm FEE den Kommunen irgendwie nützen könnte.
Welche Rechte oder Möglichkeiten haben die Kommunen dann? Können die Gemeinderäte die Mobilfunkplanung steuern?
Jörn Gutbier: Diese Rechte haben die Kommunen, vor allem, wenn es um neue Standorte geht. Kein Mobilfunkbetreiber baut heutzutage noch eine Sendeanlage ohne die Zustimmung der Gemeinde – zumindest dort, wo die Gemeindeverantwortlichen verstanden haben, wie die Rechtslage aussieht und welche höchstrichterlich gesicherten Handlungswege ihr offen stehen. Darüber hinaus wird beschrieben, wie Kommunen offene Fragestellungen des so wichtigen Immissionsschutzes weiter entwickeln können und sollten – z.B. durch emissionsminimierende Maßnahmen an der Quelle. Und auch beim Thema Kleinzellen, welche, sofern mit kleiner als 10 Watt Abstrahlleistung betrieben, genehmigungsfrei sind, braucht es zwingend Gestattungsverträge durch die Gemeinde. Nicht ohne Grund wurde mit dem Mobilfunkpakt 2018 versucht, auch die kommunalen Spitzenverbände mit ins Boot zu holen, um genau in diesem Feld durch „Mustermietverträge“, „Verfahrensbeschleunigungen“ und „unbürokratische Anmeldeverfahren" den Mobilfunkbetreibern den Weg für einen beschleunigten Mobilfunkausbau zu ermöglichen. Denn: Hier macht der Betreiber im öffentlichen Raum nichts ohne die Zustimmung der Gemeinde.
Das heißt also, die Rechte der Kommunen sind bei der laufenden 4G-Aufrüstung mit tausenden neuen Sendeanlagen-Standorten und dem geplanten 5G-Ausbau mit den angekündigten 500.000 neuen Kleinzellen gar nicht so sehr beschränkt?
Jörn Gutbier: So ist es. In den umfangreichen Fachartikeln von Nitsch/Weiss/Frey (2020) und Budzinski (2020) in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht ist diese Rechtslage dargelegt. Die Kommunen können also selbstbewusst die Planungen steuern. Wie, das steht im Ratgeber.
- Nun sollten es die Bürgerinitiativen und Aktiven vor Ort organisieren, dass jede BürgermeisterIn und jedes Gemeinderatsmitglied diesen Ratgeber bekommt.
Trotz seiner 96 Seiten ist er gut zu lesen, alles ist praxistauglich zusammengefasst, und mit 4,- Euro (2,50 für d:f-Mitglieder) geben wir ihn fast zum Selbstkostenpreis ab, weil es uns wichtig ist, dass hier mehr Klarheit und Wahrheit in diese Auseinandersetzung kommt.
Gibt es sonst noch etwas, was Du hier erwähnen möchtest?
Jörn Gutbier: Die politische Arbeit der Bürgerinitiativen, ihre Forderungen nach einer Politik der Minimierung der Strahlenbelastung, ist der Schlüssel für Veränderungen. Auch das behandelt der Ratgeber und zeigt auf, mit welchen jeweils landesrechtlich zur Verfügung stehenden Instrumenten die Engagierten vor Ort ihre Öffentlichkeitsarbeit in die Breite tragen können. Darüber hinaus ist es mir sehr wichtig, dass die anderen Möglichkeiten des Immissionsschutzes im Bereich der Mobilfunkanwendung behandeln werden – also das, wo die Kommunen 100% Verfügungsgewalt darüber haben: Die WLAN- und DECT-Anwendung in den Schulen und Kitas sowie der Umgang mit den privaten Endgeräten an diesen Einrichtungen, die Verantwortung gegenüber den städtischen Angestellten in Bezug auf immissionsarme Arbeitsplätze oder die Art der Umsetzung funkbasierter Smart City und Smart Meter Anwendungen. Hier kann Vorsorge jederzeit umgesetzt werden.
Danke für Deine Arbeit, wir wünschen uns, dass der Ratgeber ein Erfolg wird.