Stuttgart - Der Mast ist weg!

Nach 14 Jahren wurde jetzt der Mobilfunkmast Bismarckstraße abgebaut.
In der dritten Dezemberwoche 2020 wurde der Mobilfunkmast in der Bismarckstraße 59 nach 14 Jahren abgebaut. Die evangelische Gesamtkirchengemeinde hatte den Vertrag zum Ende der Laufzeit gekündigt. Die Geschichte dieses Mastes und der Bürgerinitiative Mobilfunk-Stuttgart-West, die bis heute besteht, ist prägend für den mobilfunkkritischen Widerstand in Deutschland. Die Bürgerinitiative war einer der Initiatoren zur Gründung von diagnose:funk.
Aus eins mach keins: Abbau nach 14 Jahren Öffentlichkeitsarbeit ...Foto: mobilfunk-stuttgart.de

 

2006 - plötzlich stand der Mast

Als 2006 der Mast während der Fußballweltmeisterschaft quasi über Nacht gebaut wurde, versammelten sich 80 AnwohnerInnen und gründeten die Bürgerinitiative. Prominentestes Gründungsmitglied: die heutige Landtagspräsidentin Muhterem Aras. Einer ersten Protestversammlung mit 300 Besuchern folgten in den 14 Jahren dutzende Veranstaltungen mit einem breiten Themenspektrum über die Risiken der Mobilfunkstrahlung, der Endgeräte, über pädagogische Fragen.

Auseinandersetzung mit der evangelischen Gesamtkirchengemeinde

Zunächst gab es mit dem Vermieter des Hauses, auf dem der Mast gebaut wurde, der evangelischen Gesamtkirchengemeinde, eine heftige Konfrontation. Schließlich wurden sachliche Gespräche geführt, die Gesamtkirchenrat befasste sich mit der Studienlage und beschloss schließlich 2010, dass der Standort gekündigt und keine kirchlichen Gebäude mehr für Masten zur Verfügung gestellt werden.

Aufdeckung der realen Strahlenbelastung

Die Mobilfunkbetreiber und die Bundesnetzagentur versuchten die Strahlenbelastung um den Masten herum mit Messaktionen auf der Straße herunterzuspielen. Die Gesamtkirchengemeinde finanzierte im Jahr 2011 ein Messgutachten, das die Realität ans Licht brachte: In den oberen Stockwerken um den Sendemasten herum waren Belastungen bis zu 500 000 µWatt/m2. Das legte den Messbetrug bloß, es wurde von der Bundesnetzagentur nur auf der Straße auf 1,5 Meter Höhe gemessen. Der Stuttgarter Gemeinderat duckte sich weg und verweigerte die Diskussion des Gutachtens.

Die Publikationen

Die Zusammensetzung der Bürgerinitiative war ein Glücksfall. Ein Hochfrequenztechniker, ein Biophysiker und zwei örtliche Werbeagenturen waren von Anfang an dabei. Wir stellten fest: es gibt fast keine fundierten Schriften. In den ersten zwei Jahren wurden die Broschüren "8 Behauptungen-die wir nicht glauben", "Zellen im Strahlenstress" und "Die Fälscher" publiziert, sie wurden ein Renner. Ebenso die Homepage www.der-mast-muss-weg.de, die inzwischen durch www.MobilfunkStuttgart.de ersetzt wurde. Mit der Kompetenzinitiative veröffentlichten wir die erste Broschüre ihrer Broschürenreihe "Mobilfunk-Einwirkungen auf die menschliche Gesundheit aus ärztlicher Sicht". Damit war dem bisher spontanen Widerstand in Deutschland ein wissenschaftliches Fundament gegeben, das dann die Kompetenzinitiative und diagnose:funk fortsetzten.

Kommunalpolitik

Die Bürgerinitiative fand durch persönliche Ansprache und Mitarbeit Unterstützung aus der Stuttgarter Umwelt- und kommunalpolitischen Szene, es entstanden gute Verbindungen zum BUND Stuttgart, KUS-Stuttgart, dem Bezirksbeirat und dem Gemeinderat. Der BUND und KUS (Klima- und Umweltbündnis) machten den Mobilfunk zum Thema, heute gibt es den BUND-AK Digitalisierung, zwei Fraktionen im Gemeinderat stellten Anträge für alternative Versorgungsmodelle und VLC-Projekte in Schulen. Über die Realisierung findet bis heute eine Auseinandersetzung statt. Das VLC-Projekt an einem Gymnasium, finanziert von der Stadt Stuttgart, wird mit Erfolg durchgeführt. Ein Höhepunkt war die 26:26 Abstimmung 2019 im Stuttgarter Gemeinderat über einen Verzicht von 5G in Stuttgart. Das Patt führte leider nicht zum Erfolg.

Wie weiter?

Nun ist der Mast weg. Die Strahlenbelastung ist messbar gesunken. Das war unser schönstes Weihnachtsgeschenk. Ein Ersatzstandort ist von den Betreibern nicht beantragt. Der Stadtteil hat eine gute Glasfaserstruktur, so dass die Gewerbebetriebe bestens mit schnellem Internet versorgt sind, über Sendeanlagen auf den Hügeln um Stuttgart besteht überall weiter Handyempfang. Wir sind sicher, dass die Auseinandersetzung weitergeht. Wir werden uns weiter für Alternativen einsetzen und auf unserer Homepage www.MobilfunkStuttgart.de darüber berichten.

Unsere Bürgerinitiative dankt den vielen StuttgarterInnen und Stuttgartern, den StadträtInnen v.a. von den GRÜNEN, SÖS und LINKEN, dem KUS (Klima und Umweltbündnis Stuttgart), Ärzten, der evangelischen Kirche Stuttgart, insbesondere dem ehem. Kirchenpfleger Hermann Beck, dem Forum 3 und den BUND-Vorständen, dass sie uns in all den Jahren unterstützt haben.

 

 

Artikel veröffentlicht:
26.12.2020
Autor:
Bürgerinitiative Mobilfunk Stuttgart
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