Falko Mohrs´(SPD) Märchen über die Studienlage
Falko Mohrs (SPD) sagt in seiner Rede: "Wir haben eine Studienlage mit rund 28 000 Studien, die im Archiv der RWTH Aachen (gemeint ist das EMF-Portal, d:f) hinterlegt sind. Diese Studienlage sagt klar, dass von der Strahlung von 5 G keine Gefahr ausgeht. Demgegenüber stehen 400 Studien, die von den Gegnern von 5 G immer wieder herangezogen werden, wovon übrigens bei Wiederholungsstudien, was in der Wissenschaft ein gängiges Mittel ist, keine genau zu dem Ergebnis kommt, dass eine Gefahr davon ausgeht. Also, meine Damen und Herren, die Studienlage bei 5 G ist sehr klar. Apropos Fakten: Vielleicht hätte es der AfD geholfen, sich einmal genau mit den Fakten, mit der Realität auseinanderzusetzen, bevor man diesen Antrag schreibt."
Mohrs erste Falschausage. MdB Mohrs erweckt den Eindruck, es gäbe 28.000 Studien zu Mobilfunk und 5G, die die Unschädlichkeit, aber nur 400, die Risiken nachweisen (woher hat Herr Mohrs die Anzahl 28.000, gegenwärtig stehen 32.508 Studien im EMF-Portal ?!). Mit diesem Zahlen-Bluff geht nicht einmal mehr die Mobilfunkindustrie hausieren. Mohrs dokumentiert damit: Er weiß zwar, dass das EMF-Portal existiert, aber hat sich offensichtlich noch nie näher mit ihm und der Studienlage beschäftigt! Dort gibt es nämlich eine Rubrik, die auflistet, wieviel Studien von den 32.508 dem Mobilfunk zuzurechnen sind: Es sind derzeit (Stand 20.12.2020) exakt 1.658 Studien unter medizinisch/biologisch & epidemiologisch eingestellt, davon sind nur 2 med./biol. Studien zu 5G.
Von diesen 1.658 Studien zeigen – nach der 14-jährigen kontinuierlichen Auswertung von diagnose:funk – ungefähr 900 Studien biologische Effekte. Also über die Hälfte. Von diesen stehen 515 auf der diagnose:funk Homepage www.EMFData.org, detailliert von Fachleuten rezensiert sind dort derzeit 261 Studien. Und Mohrs verschweigt, bzw. weiß das wohl gar nicht: Seit dem Jahr 2017 wertet das EMF-Portal die Studien zur Hochfrequenz nicht mehr aus, weil die Bundesregierung die Mittel dafür nicht verlängerte, übrigens unter einer SPD (!)-Umweltministerin.
Mohrs zweite Falschaussage. Er behauptet, dass bei "Wiederholungsstudien, was in der Wissenschaft ein gängiges Mittel ist, keine genau zu dem Ergebnis kommt, dass eine Gefahr davon ausgeht." Da möchten wir Herrn Mohrs doch auf die vielen Reviews, die peer-reviewed publiziert wurden, hinweisen, in denen Experten die Studienlage auswerten und zum gegenteiligen Schluss kommen. Eine Liste über 90 (!) Reviews, v.a. zum Krebsrisiko und zur Spermien- und Embryoschädigung stellen wir für Herrn Mohrs hier ein: "Systematische Übersichtsarbeiten weisen die höchste Beweiskraft aller wissenschaftlichen Arbeiten auf, da die Verfasser zu den ursprünglichen Artikeln keinen persönlichen Bezug haben (Wikipedia)". Uns ist nicht bekannt, dass einer dieser Reviews aus der Fachliteratur entfernt wurde.
Mohrs dritte Falschaussage: "Elektromagnetische Felder haben ungefähr ab dem Bereich eine krebserregende Wirkung, in dem auch UV- Strahlen eine solche haben. Wir reden hier aber zum Beispiel über einen Energiegehalt von 3,1 Elektronenvolt. Um das mal ins Verhältnis zu setzen: Beim Mobilfunk sind wir im Mikroelektronenvoltbereich. Also, meine Damen und Herren, wir haben hier nun tatsächlich alleine schon beim Energiegehalt, wenn man sich diese Fakten anschaut, einen massiven Unterschied gegenüber den Frequenzen und der Strahlung, die im Bereich von Mobilfunk genutzt werden."
Das klingt nun so, als sei Herr Mohrs tief in der Materie drin. Mobilfunkstrahlung könne also gar nicht schädlich sein, so Mohrs Botschaft. Mohrs repetiert unverstandene Textbausteine. Seine vermutliche Quelle: in der SPD-Bundestagsfraktion waren 2020 die Professoren Lerchl (Jacobs Universität Bremen) und Enders (Strahlenschutzkommission) zu Gast und haben sicher über diese Energiethese referiert. Nach dieser These dürfte es keine der biologischen Effekte geben, die in hunderten Studien nachgewiesen wurden. Niemand behauptet, dass die angewandte Mobilfunkstrahlung ausschließlich energetisch wirke. Mikrowellenstrahlung wirkt indirekt auf lebende Systeme ein. Sie verändert Zellprozesse, und die Wirkmechanismen sind nachgewiesen, die diese Veränderungen bewirken und zu nicht-thermischen Effekten führen. Der Physiker Dr. Klaus Scheler zerpflückt diese Energiethese und weist auf die vielen Studien hin, die die indirekten Wirkmechanismen nachweisen.
Mohrs vierte Falschaussage: "Also, meine Damen und Herren, die Studienlage bei 5 G ist sehr klar." "Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Wir haben mit 5 G eine Technologie vor uns, die Neues ermöglicht, die uns als Gesellschaft Fortschritte bringt. Wir haben eine Technik, die wir gut kennen, die gut erforscht ist, über die wir uns keine Sorgen machen müssen." Dem pflichtet in der Debatte auch Anke Domscheidt-Berg (LINKE) geistesverwandt bei: "Nach hohen wissenschaftlichen Standards durchgeführte Studien – viele davon – geben bisher keinerlei Anlass zur Sorge."
Die nach hohen wissenschaftlichen Standards durchgeführten Studien, z.B. die NTP,- Ramazzini- und AUVA-Studien über die GSM- und UMTS-Frequenzen führten dazu, dass der wissenschaftliche Beirat der IARC (Krebsagentur der WHO) mit hoher Priorität anregt, auf einer WHO-Konferenz zu beraten, ob die Strahlung von bisher "möglicherweise krebserregend" nicht auf "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft werden soll. Und das Peer-Review-Panel der NTP-Studie, besetzt mit weltweit führenden Experten, sieht "clear evidence" für das Krebspotential. Nach dem Beratungsgremium der Schweizer Regierung BERENIS ist eine Vorsorgepolitik auf Grund dieser Studienlage zwingend. Doch SPD und LINKE sehen keinen Anlass zur Sorge.
Die Studienlage zu 5G ist eben nicht "gut erforscht" (Mohrs), und gerade deswegen muss man sich Sorgen machen. Zwei (!) 5G-Studien listet derzeit das EMF-Portal, auf das sich Herr Mohrs beruft. Der TAB des Bundestages bestätigt einem Stadtrat der GRÜNEN, dass es bisher keine Technikfolgenabschätzung zu 5G gibt. Aber Herr Mohrs hat sie anscheinend?! Die Expertise für das EU-Parlament von Blackman/Forge und das Briefing für die Abgeordneten des EU-Parlaments kritisieren, dass die speziellen Auswirkungen der 5G-Frequenzen bis heute nicht geprüft wurden, ebenso der TAB-Bericht für das österreichische Parlament. Diese Kritik führen auch die Verbände der Umweltmediziner z.B. aus Österreich, Italien, der Schweiz und der deutschen IPPNW.
Das alles ficht Herrn Mohrs offensichtlich in seiner Überzeugung nicht an. Um Herrn Mohrs mit seinem Vorwurf an die AfD zu zitieren: "Apropos Fakten: Vielleicht hätte es der SPD geholfen, sich einmal genau mit den Fakten, mit der Realität auseinanderzusetzen, bevor man diese Rede hält."