AefU-6 Punkte Position: So wenig Strahlung wie möglich!

Sechs Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gefordert!
Die Schweizer „Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz“ (AefU) fordern in ihrer Position "Mobilfunk und Strahlung" sechs Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Wir wünschten, dass auch in der deutschen Ärzteschaft eine Diskussion über diese Positionen in Gang kommt.
Logo der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (CH)Quelle: aefu.ch

AefU-Position „Mobilfunk und Strahlung“

Die konsequente gesundheitliche Vorsorge muss beim Ausbau des Mobilfunks gelten. Das fordern die Schweizer Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz in ihrer AefU-Position ‹Mobilfunk und Strahlung› von der Politik.

Der Schweizer Bundesrat hält vorläufig an den Grenzwerten für die Strahlung von Mobilfunkantennen fest (Beschluss vom 22.4.2020) und beabsichtigt Maßnahmen für eine gesundheitsverträglichere mobile Kommunikation umzusetzen. Er stützt sich dabei auf den Bericht der Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung», in der auch die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU) mitarbeiteten. Dei AefU fordern:

  • 1.Konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips beim Mobilfunk und seiner Nutzung.
  • 2.Stärkung des Schutzniveaus für Antennen-AnwohnerInnen; Minimierung der Mobilfunkstrahlung (u.a. Trennung Aussen-/Innenraumversorgung).
  • 3.Moratorium für Millimeterwellen bei 5G und WLAN; konservative Vollzugsregeln für adaptive Antennen.
  • 4.Unabhängige Forschung zu den Gesundheitsrisiken durch Mobilfunk mit Monitoring der Belastung und deren Gesundheitsfolgen (Gesundheitsmonitoring).
  • 5.Transparente, zielgruppenorientierte Information der Bevölkerung: «Strahlung reduzieren».
  • 6.Ärztlich geleitete, umweltmedizinische Beratungsstelle ‹Nicht Ionisierende Strahlung NIS›.

AefU-Forderungen für minimale Belastung

VertreterInnen aus Industrie, Technik und Umweltwissenschaft beteuern die Unbedenklichkeit von Mobilfunkstrahlung. Sie berufen sich dabei auf die Grenzwert-Empfehlungen der ICNIRP, [1]die jedoch weltweit in der Kritik stehen. Diese Grenzwerte berücksichtigen nur die Erwärmung des Gewebes durch die Energie der nichtionisierenden Strahlung (NIS), andere biologische (athermische) Effekte jedoch nicht. Sie schützen nicht vor Langzeitauswirkungen, für die es immer mehr Hinweise gibt. Deshalb braucht es nicht nur die zusätzlichen Anlagegrenzwerte, welche die maximal zulässige Strahlung der einzelnen Mobilfunkanlage festlegen. Die AefU verlangen mit sechs Forderungen grundsätzlich eine minimale Mobilfunkbelastung der ganzen Bevölkerung.

1.Konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips beim Mobilfunk

Die hochfrequente elektromagnetische Strahlung des Mobilfunks ist seit 2011 von der Weltgesundheitsorganisation WHO als «möglicherweise krebserregend» eingestuft. Das Krebsrisiko soll wegen gewichtigen Forschungsergebnissen erneut beurteilt werden. ForscherInnen fordern eine Einstufung als «krebserregend». Das Gesundheitsrisiko der 5G­Technologien ist weitgehend unerforscht. Studien zeigen bei intensiver Handynutzung ein erhöhtes Risiko für Hirn­ und Hörnerv­Tumore. Mobilfunkstrahlung unterhalb der ICNIRP ­Grenzwerte beeinflusst die Hirnströme, die Hindurchblutung und den Zellstoffwechsel, begünstigt oxidativen Zellstress, verändert das Genmaterial und die Reparaturvorgänge in der Erbsubstanz, verschlechtert die Spermienqualität und beeinträchtigt das Gedächtnis sowie schlafabhängige Lernprozesse bei Jugendlichen. Auswirkungen zeigen sich auch unterhalb der aktuell in der Schweiz gültigen Grenzwerte für Strahlung von Mobilfunkanlagen. Mobilfunkstrahlung ist ein Gesundheitsrisiko. Die meisten Menschen können der fast flächendeckenden Verbreitung nicht ausweichen (Zwangsbestrahlung durch Antennen oder Geräte anderer). Das gilt auch für die Verletzlichsten unter uns: Ungeborene, Kinder, Schwangere und Kranke. Aus medizinischer Sicht ist deshalb das Vorsorgeprinzip zwingend. Das heisst: Minimierung der Strahlenbelastung bei Mobilfunkanlagen (z. B. Handyantennen), Indoor­-Netzwerke (z. B. WLAN, LAN) und Endgeräten (z. B. Smartphones, Tablets, Internet der Dinge etc.).

2.Stärkung des Schutzniveaus für Antennen-AnwohnerInnen

Das Schutzniveau für AnwohnerInnen von Mobilfunkanlagen darf auch in Zukunft nicht geschwächt werden, weder durch direkte noch indirekte Grenzwerterhöhung und auch nicht versteckt über den Vollzug (z. B. via Bewertungs­ und Messmethode). Künftig sind die Anlagegrenzwerte zu senken. Denn 80% der Mobilfunkverbindungen finden mit UserInnen in Innenräumen statt (70% davon fürs Videostreaming). Um Mauern und Decken zu durchdringen, brauchen Mobilfunkantennen und Endgeräte sehr hohe Sendeleistung. Das verursacht in Aussen­ wie in Innenräumen vermeidbare Strahlung. Um sie zu minimieren, ist eine funktechnische Trennung der Aussen­ und Innenraumversorgung mit Internet angezeigt. Wohnungen, Schulen und Arbeitsplätze brauchen einen kabelgebundenen Anschluss mit grosser Übertragungsrate z.B. mit Glasfaser. Prioritär soll der Kabelanschluss bis zu den Endgeräten reichen. Wo gewünscht, kann Funk (z.B. WLAN, Femtozelle) die letzten Meter überbrücken und zwar strahlungsminimiert und ohne die Nachbarschaft zu belasten. Kleinere Mobilfunkanlagen (unter 6 Watt ERP Leistung, z. B. Bodenantennen, Aussenwandantennen) müssen heute keine Anlagegrenzwerte einhalten. Das muss sich ändern. Die Anzahl dieser Kleinanlagen wächst rapide und sie belasten zunehmend und aus grosser Nähe Orte mit empfindlicher Nutzung.

3.Moratorium für Millimeterfunkwellen bei 5G und WLAN

Der neue Mobilfunkstandard 5G verwendet Millimeterwellen und dynamische sogenannt adaptive Antennen. Beide Technologien sind in der mobilen Kommunikation neu und ihre gesundheitlichen Auswirkungen weitgehend unerforscht. Millimeterwellen sind derzeit in Europa noch nicht für Kommunikationsanwendungen freigeben. Sie werden vor allem von den Augen und der Haut absorbiert. Effekte auf die Haut als komplexes und grösstes Organ können weitreichende Konsequenzen für den Organismus haben. In Diskussion stehen zudem Auswirkungen auf Tiere (u.a. auch Insekten), Pflanzen und Mikroben. Die Bevölkerung und die Umwelt dürfen nicht ungenü­gend erforschten Risiken ausgesetzt werden. Die AefU fordern ein Moratorium für Millimeterwellen bei 5G und WLAN. Für die adaptiven Antennen verlangen sie konservative Vollzugsregeln bis zur unabhängigen Klärung der Effekte auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt.

4.Unabhängige Forschung mit NIS- und Gesundheitsmonitoring

Beim Mobilfunk, insbesondere beim neusten Standard 5G, besteht Forschungsbedarf. Das anerkennen auch Parlament und Bundesrat und wollen deshalb die Forschung intensivieren. Diese Forschung und deren Koordination muss unabhängig sein. Das soll eine ausgewogene, interdisziplinäre Kommission unter Einbezug einschlägiger Schutzverbände sowie VertreterInnen der Ärzteschaft gewährleisten. Projekte dürfen weder direkt noch indirekt von der Mobilfunkbranche kontrolliert werden. Es dürfen keine Aufträge an Einrichtungen/Personen/Unternehmungen mit wirtschaftlichen Interessen an NIS erfolgen. Das vom Bundesrat geplante NIS­-Monitoring (Messung der Belastung) muss neben Mittelwerten (RMS) auch Scheitelwerte (Peaks) und weitere relevante Belastungseigenschaften erfassen. Das NIS-­Monitoring ist mit einem Gesundheitsmonitoring zu ergänzen, um mögliche gesundheitlichen Auswirkungen zu erfassen. Ein nationales Forschungsprogramm soll die Entwicklung nachhaltiger Netzinfrastrukturen (Aussen­-Innen­-Trennung nach Konzept AefU )[2], Anlagen und Geräte vorantreiben. Unter nachhaltig ist strahlungsarm und damit gesundheitsverträglicher, ressourcenschonend und energieeffizient zu verstehen.

5.Information der Bevölkerung: «Strahlung reduzieren»

Wir sind längst eine Informations­ und Kommunikationsgesellschaft. Dennoch besteht ein Mangel an unabhängiger Information über die Gesundheitsrisiken von Mobilfunk und über eine strahlungsminimierte Nutzung von Indoor­Netzwerken sowie Endgeräten. Handlungsempfehlungen sollen zeigen, wie sich die Strahlungsrisiken zu Hause, in Schulen, in Firmen, in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln etc. reduzieren lassen. Kinder und Jugendliche müssen für die Strahlenrisiken sensibilisiert werden. Sie sind in der Hirnentwicklung besonders sensibel und werden die Mobilfunktechnologien voraussichtlich ein Leben lang nutzen. Entsprechende Gelder sind für diese Kampagnen bereit zu stellen. Bis heute regelt das Gesetz keinen vorsorglichen Schutz vor Strahlung, die von mobilen Endgeräten ausgeht (Babyphone, Smartphone, Laptop, etc.). Diese müssen bloss technische Normen erfüllen, deren Einhaltung die Hersteller selber bestätigen. Die AefU fordern deshalb gesetzliche Anforderungen für Endgeräte, die dem Prinzip der Strahlenminimierung folgen.

6.Umweltmedizinische Beratungsstelle ‹NIS›

Zurzeit können Betroffene oder ÄrztInnen und TierärztInnen die Symptome, die sie mit der Mobilfunkbelastung in Zusammenhang bringen, nicht zentral melden. Dazu plant der Bundesrat nun eine ärztlich geleitete, interdisziplinäre, umweltmedizinische Beratungsstelle ‹NIS›. Die Beratungsstelle soll Strahlungs­-Betroffene unterstützen, ÄrztInnen und TierärztInnen informieren und beraten sowie die Einzelfallbeobachtungen systematisch
erfassen. Diese sollen in unabhängige praxisrelevante Forschungsprojekte einfliessen.

Fazit: Höchste Zeit für eine nachhaltige Netzwerkplanung

Was für ärztliches Handeln gilt, ist auch im Schweizer Umweltschutzrecht verankert: Vorsorgen ist besser als heilen. Sind schädliche Wirkungen einer Technologie zu erwarten, müssen sie vermindert oder verhindert werden.

Es dauerte Jahrzehnte, bis die Schädlichkeit z. B. von DDT, Asbest, Tabak und Glyphosat als wissenschaftlich erwiesen galt, obwohl es schon lange Hinweise darauf gab. Das soll sich bei der Mobilfunkstrahlung nicht wiederholen.

Vorsorgeprinzip gegen vermeidbare Risiken
Das Vorsorgeprinzip kann kann die Einführung neue Technologien verlangsamen. Es stellt aber bestmöglich sicher, dass Menschen keinen unbekannten bzw. vermeidbaren Risiken ausgesetzt werden. Zudem führt es zu mehr Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, wenn sich die Wirtschaft frühzeitig auch mit den negativen Aspekten ihrer neuen Produkte befassen muss.

Strahlungsminimierte Netzwerke
Die Zukunft gehört also nachhaltig geplanten, strahlungsminimierten Netzwerken mit leistungsfähigem Glasfasernetz bis in die Gebäude kombiniert mit kabelgebundenen (LAN) bzw. wo gewünscht mit wenig strahlenden lokalen Netzwerken (Mobilfunk­Femtozelle, WLAN), welche die Nachbarschaft nicht belasten.

Für die künftige Digitalisierung ist ein Glasfasernetz ohnehin unerlässlich. Es bietet schon heute mehr Leistung, Datensicherheit und Zuverlässigkeit als 5G verspricht. Jede 5G­Antenne benötigt selber einen Glasfaseranschluss und somit kommt man auch mit 5G nicht um die Glasfaser­-Infrastruktur herum.

Zur Vorsorge bei Mobilfunk und Strahlung gehören auch strahlungsarme Endgeräte und informierte Nutzerinnen, die wissen, wie sie Mobilfunk gesundheitsverträglicher nutzen können.

Download des Positionspapieres: www.aefu.ch/elektrosmog/aefu_position-nis.pdf

Quellen

[1] Die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung ICNIRP ist ein privater Verein. Er publiziert Grenzwertempfehlungen. Deren wissenschaftliche Grundlage zweifelt u. a. auch der Europarat an.

[2] Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung (Hrsg. 2020): Bericht Mobilfunk und Strahlung. Im Auftrag des UVEK. Kapitel 9.2; Markus N. Durrer: Rezept für einen strahlungsarmen Mobilfunk. OEKOSKOP 2/19, S. 10)

 

Artikel mit der AefU-Position < Mobilfunk und Strahlung >Quelle: oekoskop 2/20 - aefu.ch
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