diagnose:funk: § 6 des Gebäudeenergiegesetzes verletzt Privatsphäre und Datenschutz – ein Trojanisches Pferd

Pressemitteilung von diagnose:funk, 18.6.2020
Forderung an Bundestag: Keine dauerfunkenden Wasser-, Strom und Heizungszähler!

Stuttgart, 18.6.2020: Die Umwelt- und Verbraucherorganisation diagnose:funk fordert die Mitglieder des Bundestags per Brief auf, heute bei der zweiten und (wg. Corona kurzfristig vorgezogenen) dritten Lesung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) § 6 Abs 1 Nr. 4 ersatzlos zu streichen. Nur so ist es möglich, dass Mietwohnungen nicht zwangsweise mit Wasser-, Strom und Heizungszählern ausgestattet werden, die im Minuten- bis Sekundentakt die Verbrauchswerte per Mobilfunk an die Wasser-, Strom- und Wärmeversorger übertragen.

In § 6 Abs. 1 Nr. 4 Gebäudeenergiegesetz heißt es:

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzuschreiben,
[...]
4. dass die zum Zwecke der Datenverarbeitung eingesetzte Technik einem Stand der Technik entsprechen muss, der Datenschutz, Datensicherheit und Interoperabilität gewährleistet.

diagnose:funk kritisiert explizit das Wort „Interoperabilität“, denn dies ist der Türöffner für die faktisch zwangsweise Einführung digitaler Messsysteme, die i. d. R. auf Basis von Mobilfunk zur Anwendung kommen. Solche funkbasierten Verbrauchszähler sind gesundheitlich und datenschutzrechtlich problematisch:

  • Es handelt sich meist um Dauerstrahler, die rund um die Uhr gesundheitsschädliche Mobilfunkstrahlung zur Datenübermittlung abgeben.
  • Verbrauchsdaten sind per se persönliche Daten. Die kontinuierliche Übermittlung von Verbrauchsdaten stellt einen Eingriff in die Privatsphäre der Mieter dar und ist nach der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht zulässig.
  • Hausverwaltungen und Vermieter können unbefugt Einsicht nehmen in die persönlichsten Bereiche der Lebensgestaltung der Mieter. Auch Wohneigentümergemeinschaften sind direkt betroffen.

Zur Rechnungsstellung ist die Datenübermittlung der Verbrauchssumme einmal pro Jahr ausreichend, eine minütliche bis sekündliche Datenaufzeichnung und eine Übertragung an Dritte in Stunden- oder Tagesintervallen ist dafür nicht notwendig. Das Prinzip der Datensparsamkeit muss angewandt werden. Alles andere bedarf der informierten Zustimmung der Betroffenen.

„Es gibt keinen Grund, warum – angeblich zur Stärkung der Mieterrechte – die technischen Systeme ‚interoperabel‘ sein müssen“, sagt Jörn Gutbier, Vorsitzender von diagnose:funk. „Verpflichtende ‚Interoperabilität‘ stärkt nicht die Mieterrechte, sondern wird die Mieter gegenüber den Vermietern, Hausverwaltungen und Versorgern schwächen, weil kein generelles Widerspruchsrecht oder eine kostenneutrale Wahlmöglichkeit besteht. Daher fordern wir den Bundestag auf, den fraglichen Punkt ersatzlos zu streichen, alleine schon um eine Klagewelle aus Datenschutzgründen zu vermeiden.“

diagnose:funk hat die Thematik ausführlich dargestellt in einem Schreiben (https://www.diagnose-funk.org/1578) an die Bundestagsabgeordneten der Ausschüsse für Wirtschaft und Energie, Recht und Verbraucherschutz, Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen.

Die verpflichtende „Interoperabilität“ der Technik mittels eines Ermächtigungsgesetzt des Bundes ist ein Trojanisches Pferd: Es dient dazu, millionenfach fernauslesbare Messsysteme zwangsweise in allen Haushalten zum Zwecke der Datenbeschaffung zu installieren, um dann mit neuen Dienstleistungsangeboten und dem Datenhandel neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Der Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (siehe https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/167/1916716.pdf) wird heute, 18.6.2020, um 16:35 Uhr als Tagesordnungspunkt 17 „Energieeinsparrecht für Gebäude“ in zweiter und dritter Lesung im Bundestag beraten und abgestimmt.
https://www.bundestag.de/tagesordnung?week=25&year=2020
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw25-de-energieeinsparrecht-698640

Artikel veröffentlicht:
18.06.2020
Autor:
Matthias von Herrmann
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