Nach Ansicht des Gerichts ist die Kausalität zwischen der Strahlung und dem Tumor "eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich" (Urteil S.33).
Dies würde bestätigt durch "epidemiologische Daten, die Ergebnisse von Tierversuchen (derzeit nicht im Widerspruch zu anderen Versuchen derselben Art), die Dauer und Intensität der Exposition ..., die besonders wichtig sind angesichts der - auf wissenschaftlicher Ebene - festgestellten Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Exposition gegenüber Mobilfunk-Funkfrequenzen und dem Risiko von Akustikusneurinomen, sowie das Fehlen jedes anderen Faktors, der die Krankheit hätte verursachen können".
Die wissenschaftliche Analyse durch unabhängige, vom Gerichtshof bestellte Sachverständige bestätige den Kausalzusammenhang, die Gutachten hätten "starke Beweise für die Behauptung einer kausalen Rolle zwischen der beruflichen Exposition des Beschwerdeführers, seiner Strahlenexposition durch Mobiltelefone und der aufgetretenen Krankheit" nachgewiesen. Die Berufung der INAIL (gesamtstaatliches Versicherungsinstitut für Arbeitsunfälle) wurde zurückgewiesen.
Dies ist das zweite italienische Berufungsurteil zugunsten eines Arbeitnehmers nach dem Urteil von Brescia im Jahr 2010, das mit der Bestätigung des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2012, der Fall Marcolini gegen das INAIL, abgeschlossen wurde.
Industrielle Interessenkonflikte, wenn der Gutachter der ICNIRP angehört
Der Fall Romeo gegen INAIL ist auch deshalb historisch, weil diese Entscheidung die Forschungslage zur tumorauslösenden Wirkung nicht-ionisierender Strahlung anerkennt und vor allem, weil Interessenkonflikte bestimmter, der Mobilfunkindustrie nahestehender Experten offen benannt werden.
Tatsächlich erkennt das Gericht an, dass von der Telefonindustrie finanzierte Wissenschaftler oder Mitglieder der ICNIRP weniger zuverlässig sind als unabhängige Wissenschaftler:
- "Ein Großteil der wissenschaftlichen Literatur, die Kanzerogenität durch HF-Exposition ausschließt oder zumindest argumentiert, dass gegenteilige Forschungen nicht als schlüssig angesehen werden können... befindet sich in einem Interessenkonflikt, der nicht immer angezeigt wird: siehe insbesondere auf Seite 94 des Berichts die (von der anderen Partei nicht bestrittene) Verteidigung der Klägerin, dass die namentlich genannten Autoren der vom INAIL angegebenen Studien Mitglieder der ICNIRP und/oder des SCENIHR sind, die direkt oder indirekt von der Industrie finanziert wurden (S.33)”. Das Turiner Gericht erklärt: "In diesem Fall können Interessenkonflikte bei der Bewertung der Auswirkungen von Funkfrequenzen auf die Gesundheit auftreten: 1. Fälle, in denen der Autor der Studie die Telefonindustrie beraten oder von der Telefonindustrie Mittel für Studien erhalten hat 2. wenn der Autor selbst Mitglied der ICNIRP ist".
Anmerkung: Die ICNIRP wird von Frau Dr. Gunde Ziegelberger (Bundesamt für Strahlenschutz) koordiniert und hat ihren Sitz im Bundesamt für Strahlenschutz in Oberschleißheim.
Dr. Marc Arazi, Präsident von Phonegate Alert, einer französischen Organisation, schreibt zu dem Urteil:
- "Der entschlossene Kampf von Rechtsanwalt Stefano Bertone zur Verteidigung der Opfer der Dauerschädigung durch Mobilfunkwellen und der Folgen für ihre Gesundheit ist vorbildlich. Vor einem Jahr hat er zusammen mit seiner Anwaltskanzlei und dem italienischen Verband APPEL ein Urteil erwirkt, dass die italienische Regierung große Informationskampagnen über die mit dem Gebrauch von Mobiltelefonen verbundenen Risiken starten muss. Diese neue Entscheidung ist umso wichtiger und bestätigt die Notwendigkeit eines Moratoriums für den Einsatz von 5G".