diagnose:funk: In Südtirol lehnen immer mehr Gemeinden die Einführung von 5G ab. Wie viele sind das inzwischen, und wie begründen die Gemeinderatsgremien das?
Francesco Imbesi: Mittlerweile haben 9 Gemeinden (Mals im Vinschgau, Leifers, Neumarkt, Nals, Montan, Eppan, Branzoll, Auer, Tramin) einen Beschluss über eine Aussetzung von 5G beschlossen. Die Diskussionen drehen sich um die Einschätzung der aktuellen Lage, des allgemeinen Informationsmangels über die Gefahren der verschiedenene Anlagen der Frequenzen unter 3,6 GHz, die jetzt installiert werden sollen, sowie der geplanten zweiten Phase über 20 GHz. Angesichts der vielen Unsicherheiten beschließen in aller Regel die Gemeinderäte dann, jede Realisierung von 5G auf dem Gemeindegebiet für unbestimmte Zeit auszusetzen, bis die unabhängige wissenschaftliche Forschung die Unbedenklichkeit der entsprechenden Frequenzen belegt haben wird. In einigen Beschlussvorlagen, die allerdings noch nicht verabschiedet wurden, steht auch die Bereitstellung von bestimmten Geldsummen, ca. 50 Cents pro Gemeindeeinwohner, für die Finanzierung von unabhängiger Forschung.
Wie unterstützen die Verbraucherzentrale Südtirol und die Bürgerwelle Südtirol die Gemeinden?
Francesco Imbesi: Als Verbraucherzentrale sind wir ständig bemüht, vor allem interessierte Bürger mit der notwendigen Beratung zu begleiten. Auch ist es uns ein Anliegen, dass Bürgerinitiativen über fundiertes Wissen verfügen und von Anfang an den verschiedenen Winkelzügen zur Ablenkung und zur gezielten Desinformation kritisch gegenüberstehen, indem sie sich z.B. an Treffen und Austausch mit Informationsträgern beteiligen. Mehrere Bürgermeister laden direkt die Verbraucherzentrale zu Informationsveranstaltungen ein. Besonders gefragt ist die juristische Einschätzung über die Folgen der fehlerhaft erfolgten Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen auf Staatsebene: da wurden nämlich die zwei vorgeschriebenen Gutachten über die Unbedenklichkeit der 5G-Frequenzen bei den obersten Sanitätsstellen einfach nicht beantragt.
Wie organisiert ihr den Erfahrungsaustausch und die Vernetzung?
Francesco Imbesi: Es finden regelmäßig sehr gut besuchte Netzwerktreffen statt, wo die aktuelle Situation analysiert wird und anhand der landesweit gesammelten Information gemeinsame Schritte besprochen werden. Wir stehen mit mehreren Initiativen in Verbindung, italienweit sowie mit ausländischen Partnern, vor allem im deutschsprachigen Raum. Dadurch erfahren wir z.B. in Windeseile, ob ein bisher seriös geltender Referent irgendwo komische Äußerungen bringt oder ob öffentliche Stellen ihre Aufgaben nicht erfüllen.
Klärt ihr auch unter der Bevölkerung auf? Was sind die Reaktionen bei der Unterschriftensammlung?
Francesco Imbesi: Informationsveranstaltungen für die Bevölkerung werden auf Eigeninitiative hin oder in Absprache mit Vereinen oder Gemeindeverwaltungen abgehalten. Die Erfahrung, die wir immer wieder erleben, ist, dass Kommunalpolitiker einem gewissen Druck ausgesetzt sind: einmal durch die eigenen Wähler, einmal durch Parteikollegen oder gar durch die Landesämter. Vielleicht aus diesem Grund spüren wir jetzt auch die Tendenz zu Veranstaltungen, wo auch Vertreter des Landes referieren. Man kann natürlich pro oder gegen 5G sein, aber die Unabhängigkeit der vorgebrachten Argumente muss gewährleistet sein.