Vortrag Prof. A. Lerchl: https://www.youtube.com/watch?v=8N2jc-vItlM
Interview Prof. A. Lerchl: https://www.youtube.com/watch?v=brOCIJWeBOY
Eine folgenschwere Behauptung
Prof. Lerchl führt im Interview mit der FMK (Forum Mobilkommunikation) und in seinem Vortrag aus, dass die Quantenenergie der Felder des Mobilfunks allein aus physikalischen Gründen nicht in der Lage sind, ionisierende Effekte im Organismus zu bewirken. Weiter betont er:
- „Die Auslösung von Krankheiten durch solche Felder und durch ionisierende Effekte, z.B. durch Beschädigung der Erbsubstanz DNA, ist biophysikalisch ausgeschlossen. Der einzige biologische Effekt, der nachvollzogen werden kann, ist Erwärmung! Und der wird durch die Grenzwerte ausgeschlossen.“
Zur Begründung dieser Aussagen verweist er auf den physikalischen (äußeren) Fotoeffekt: Dabei wird eine Metallplatte mit sichtbarem Licht verschiedener Frequenz beleuchtet. Es zeigt sich, dass die Metallplatte erst dann ionisiert wird – also Elektronen aus dem Metall herausgeschlagen und als elektrischer Strom nachgewiesen werden –, wenn die Frequenz f des Lichts höher ist als eine für das Metall charakteristische Grenzfrequenz fG. Die Grenzfrequenzen für Metalle liegen in der Größenordnung 10 hoch 14 Hz (100 THz) und sind damit um etwa einen Faktor 10 hoch 5 (100.000) höher als die Trägerfrequenzen des Mobilfunks. Es ist daher physikalisch richtig und unstrittig, dass Mobilfunkfrequenzen kein Metall ionisieren können.
Jeder Frequenz einer elektromagnetischen Welle, wozu auch sichtbares Licht gehört, kann eine Quantenenergie der zugrundeliegenden Photonen zugeschrieben werden. Da jeweils nur ein Photon mit einem Metallatom in Wechselwirkung tritt, lässt sich der physikalische Sachverhalt auch so ausdrücken, dass die Quantenenergie von Mobilfunkwellen zu gering ist, um Ionisationen von Metallatomen bewirken zu können.
Welche Erkenntnisse werden bei dieser Behauptung übersehen?
Aus den beiden Sachverhalten „keine Ionisation, fast keine Erwärmung“ wird irrtümlich der weit verbreitete, aber voreilige Schluss gezogen, dass Mobilfunkfelder bei Einhaltung der Grenzwerte nicht nur ungefährlich sind, sondern grundsätzlich nicht gefährlich für einen biologischen Organismus sein können. Das Fehlerhafte an dieser Argumentation ist die Annahme, dass die schwache Erwärmung durch Mobilfunkfelder, auch wenn es die überwiegende Wirkung sein mag, die einzige Auswirkung auf den menschlichen Körper bzw. die Zelle sei.
Bereits bei Metallen ist Erwärmung nicht die einzige Wirkung, wenn sie elektromagnetischen Feldern mit Frequenzen unterhalb der Grenzfrequenz fG exponiert werden. Zum Beispiel werden in (metallischen) Antennen durch elektromagnetische Felder primär elektrische Wechselströme der freien Elektronen im Metall angeregt, ohne deren Auftreten Antennen für eine Datenübertragung per Funk ja gar nicht nutzbar wären. Erst durch „innere Reibung“ im Metall führen die Wechselströme dann zu einer Erwärmung der Antenne. (Anmerkung: In supraleitendem Material gibt es diesen Erwärmungseffekt nicht!)
Damit zeigt sich bereits bei Metallen, dass es nicht nur mikroskopische Wechselwirkungen der Photonen des elektromagnetischen Feldes mit einzelnen Atomen (wie bei der Ionisation) gibt, sondern dass auch makroskopische Wechselwirkungen des elektromagnetischen Feldes mit dem Elektronengas als Ganzes im Metall relevant sind.
Ähnlich wie in einem Metall werden durch elektromagnetische Felder auch in einem biologischen Organismus u. a. elektrische Wechselströme angeregt, da es überall im Organismus mehr oder weniger frei bewegliche Ionen gibt. Die Behauptung, dass diese Wechselströme ausschließlich eine Erwärmung hervorrufen, ist wissenschaftlich mittlerweile durch viele Studien widerlegt: Es gibt auch sog. athermische Wirkungen. Insbesondere wurden Effekte an der elektrisch geladenen Zellmembran vielfach bestätigt, so dass ihre Existenz heute als gesichert gilt (vgl. z. B. Funk 2006, 2009) (1). Daher kann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass nichtionisierende Mobilfunkfelder die Gesundheit eines komplexen Organismus beeinträchtigen können. (Anm. 08/2021: Die Schweizer Regierung bestätigt grundsätzlich die Existenz nicht-thermischer Wirkungen.)
Ein anschaulicher Strukturvergleich zum Verständnis der Argumente
An folgendem Vergleich kann man sich die beobachteten Zusammenhänge vom Prinzip her klar machen: Die zahlreichen biochemischen und biophysikalischen Prozesse in einer Zelle, die ständig Stoffe von A nach B überführen, können mit der ständigen Bewegung von Zügen, die Fahrgäste von A nach B bringen, strukturell verglichen werden. Energiereiche ionisierende Strahlung entspräche in diesem Vergleich z. B. einem Unwetter, das Bäume auf Oberleitungen und Gleise stürzen lässt oder andere Schäden verursacht und so den Zugverkehr - zumindest auf dieser Strecke - lahmlegt.
Das Transportsystem „Bahn“ lässt sich aber auch mit geringerem Energieeinsatz nachhaltig stören, wenn durch einen Hackerangriff z. B. Weichen verstellt werden. Dann können Züge nicht mehr dort ankommen, wo sie ankommen sollten, oder es kommt in der Folge zu Kollisionen u. Ä.. Durch solch eine (niederenergetische) Aktion wird also nicht die (materielle) Infrastruktur (Gleise, Oberleitungen) direkt geschädigt wie bei einem Unwetter, sondern primär die (immaterielle) Organisation des Transportsystems durcheinander gebracht! Und in der Folge kann es dann auch zu materiellen Schäden (analog zu Zellschäden) kommen, die damit indirekt entstehen.
Auf Zellebene greifen entsprechend nichtionisierende elektromagnetische Felder die biologische Organisation der Zellprozesse an, indem sie z. B. spannungssensible Kalziumkanäle in der Zellmembran ohne biologische Notwendigkeit aktivieren (bildlich gesprochen: Weichen verstellen) und dadurch Folgeprozesse auslösen, die beeinträchtigend bis schädigend für die Zelle sein können. Genau dies ist in zahlreichen Studien immer wieder beobachtet und dokumentiert worden
(vgl. https://www.diagnose-funk.org/1441).
Ergebnis:
Die Wirkung nichtionisierender elektromagnetischer Felder unterhalb der Grenzwerte muss vor allem danach beurteilt werden, inwieweit sie die innere Organisation der Zellprozesse stört und dadurch schädigende Folgeprozesse angeregt werden. Erst unter Berücksichtigung dieses Aspekts werden nachgewiesene Wirkungen durch nichtionisierende elektromagnetische Felder, auch DNA-Strangbrüche, verständlich und nachvollziehbar, die sonst unmöglich, unlogisch oder zufällig erscheinen.
* Dr. Klaus Scheler war Dozent für Physik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.
Literatur:
(1) Funk R et al. (2006): Effects of electromagnetic fields on cells: physiological and therapeutical approaches and molecular mechanisms of interaction.
A review. In: Cells Tissues Organs 182 (2), 59-78; https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16804297
Funk R et al. (2009): Electromagnetic effects – From cell biology to medicine. Progress in Histochemistry and Cytochemistry 43 (2009), 177–264.
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0079633608000375
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Prof. Dr. med. Wilhelm Mosgöller –Mechanismen der biologischen Wirkung unbekannt?
Auf dem Symposium der Kompetenzinitiative im Mainz, Oktober 2019, stellte Prof. Mosgöller (Med. Univ. Wien) den Stand der Forschung dar und setzte sich auch mit den Versuchen auseinander, diese Ergebnisse der Forschungen der Med. Universität Wien zu zerreden oder gar als Fälschungen hinzustellen.