Zur Begründung der Ungefährlichkeit von Mobilfunkstrahlung wird immer wieder folgendes Argument genannt:
- Bei einem Sonnenbad setzen wir uns einer Strahlung von etwa 700 W/m2 = 700.000.000 µW/m2 aus, bei einer lichtstarken LED-Deckenleuchte (35 W, 4000 lm, 5300 K) wird ca. 12 W in Form von Licht in den darunter liegenden Raum ausgesandt, was in 2 m Entfernung eine Lichtstrahlung von ungefähr 0,5 W/m2 = 500.000 µW/m2 ergibt (1).
- Die Strahlung einer Basisstation mit 10.000 W (EIRP) dagegen beträgt (ohne Dämpfung durch Gebäude) in 28 m Entfernung maximal etwa 1 W/m2 = 1.000.000 µW/m2, in 280 m etwa 10 mW/m2 = 10.000 µW/m2, in 890 m etwa 0,001 W/m2 = 1.000 µW/m2 und in etwa 9 km Entfernung 10 µW/m2 (2, 5). Sie ist damit überwiegend viel geringer als die ungefährliche optische Strahlung.
Welche Aspekte werden bei diesen Begründungen übersehen?
Bei dem angeführten Vergleich liegt folgendes Fehlverständnis zugrunde: Die weitgehende Ungefährlichkeit der natürlichen optischen Strahlung wird offenbar als ausreichender Beleg dafür angesehen, dass eine vergleichbare oder geringere Leistung (bzw. Leistungsflussdichte) der Mobilfunkstrahlung ebenso weitgehend ungefährlich sein muss. Indirekt wird damit behauptet, dass zur Beurteilung biologischer Wirkungen allein die Höhe der Leistungsflussdichte ausreicht unabhängig davon, welche weiteren Merkmale die Strahlung kennzeichnet, und daher(!) bei gleichen Intensitäten auch gleiche Wirkungen entstehen müssen.
Wer so argumentiert, ignoriert den Empfänger und seine Besonderheiten oder sieht seinen Einfluss auf die Wirkung als vernachlässigbar an. Diese einseitige Sicht greift zu kurz und ist wissenschaftlich nicht zu halten.
Ein Hauptunterschied zwischen optischer Strahlung und Mikrowellenstrahlung ist die Frequenz, die bei optischer Strahlung etwa hunderttausend- bis millionenfach höher liegt. Das heißt aber, dass – trotz gleicher Leistungsflussdichte – zwei verschiedene(!) Strahlungsarten (fachlich gesprochen: verschiedene elektromagnetische Wellen oder Felder (EMF)) vorliegen, die in ihren Wechselwirkungsmöglichkeiten mit Materie nicht generell wirkungsgleich gegeneinander austauschbar sind und daher nicht undifferenziert als vergleichbar betrachtet werden können.
Dass optische Strahlung und Mobilfunkstrahlung bei gleicher Leistungsflussdichte (Intensität) ganz verschiedene Wirkungen hervorrufen, lässt sich schon an technischen Systemen,z. B. anhand einer Solarzelle erkennen: Setzt man eine Solarzelle Mobilfunkstrahlung aus, lässt sich kein elektrischer Strom gewinnen, sondern allenfalls ein wenig Wärme. Das heißt: Die beiden Strahlungen sind – so ähnlich sie physikalisch sein mögen – nicht allgemein gegeneinander austauschbar.
Es gilt ganz grundsätzlich, dass die Art, wie Energie zugeführt wird, stets spezifisch wirkt: Niemand würde z. B. sein Benzinauto mit Dieselkraftstoff gleichen Energieinhalts betanken (oder umgekehrt sein Dieselauto mit Benzin), weil er weiß, dass dies nicht die gewünschte Wirkung hervorruft. Die beiden (chemischen) Energieformen Benzin und Diesel sind auch hier nicht gegeneinander austauschbar. Oder: Kein Mensch stillt seinen Hunger (seinen Energiemangel), indem er sich in eine heiße Badewanne setzt und so seine Energie (wieder) erhöht.
Die feststellbaren Wirkungen hängen also nicht nur von der Stärke der Einwirkung, sondern immer auch von der charakteristischen Art der Einwirkung und vom Empfänger und seinen Besonderheiten ab. Insbesondere bei biologischen Systemen sind die Wirkungen in der Regel ungleich vielschichtiger als bei technischen Systemen.
Die Wirkungen von Mobilfunkstrahlung und optischer Strahlung gleicher Intensität sind in Lebewesen unterschiedlich zu beurteilen
Es ist wissenschaftlich unstrittig und allgemein anerkannt, dass Mikrowellen der Leistungsflussdichte von 100 W/m2 schwerwiegende gesundheitliche Schäden in biologischen Systemen verursachen (3). Dieser Wert gilt als thermische (Gefahren-) Schwelle der Mobilfunk-strahlung, da sich die Effekte durch eine übermäßige schädliche Erwärmung des Körpergewebes erklären lassen.
Optische Strahlung von 100 W/m2 ist für uns dagegen völlig ungefährlich: Dieser Strahlung sind wir bereits im Freien bei einem wolkenverhangenen Tageshimmel ausgesetzt. Allein dies zeigt schon, dass ein Vergleich der Leistungsflussdichten alleine nicht ausreicht, das Gefahrenpotenzial von Mobilfunkstrahlung zu beurteilen. Mobilfunkstrahlung ist bei gleicher Intensität bzw. Leistungsflussdichte deutlich gefährlicher als optische Strahlung.
Der Hauptgrund für diese Ungleichheit liegt am Wasser, aus dem der Mensch im Mittel zu ungefähr 70% besteht. Mikrowellen- bzw. Mobilfunkstrahlung regt die Wassermoleküle mehr oder weniger zu Dipol- und Multipolschwingungen an und bewirkt so Temperaturerhöhungen. Für diesen Absorptionsmechanismus gibt es keine Resonanzfrequenz im strengen Sinne, wohl aber einen breiten temperaturabhängigen Frequenzbereich im Mikrowellenbereich um ca. 30 GHz, bei dem die Absorption relativ hoch ist (4). Die niedrigste Resonanzfrequenz mit höchster Absorption liegt für das freie Wassermolekül bei ca. 22 GHz, bei „gebundenem Wasser“ – etwa in der Zelle – liegt sie im MHz-Bereich. Für optische Strahlung ist die Absorption dagegen verschwindend gering, die Temperaturzunahme des Körpergewebes daher entsprechend minimal.