Behauptungen und Scheinargumente Teil V

Das Leuchtturmmärchen: "Direkt unter dem Sendemast ist man geschützt!"
Da die Mobilfunkbetreiber für LTE und 5G tausende neue Standorte für Sendeanlagen brauchen, wird jetzt das Leuchtturmmärchen neu aufgelegt. Das Leuchtturmmärchen besagt, man bekomme fast keine Strahlung ab, wenn der Mobilfunkmast vom eigenen Dach sende. Im Funkschatten sei man geschützt.
LeuchtturmFoto: diagnose:funk

Öffentlichkeitswirksam wir die Leuchtturm-Theorie lanciert. Man verbindet sie diesmal mit der Sorge um das Wohl der Kinder. So berichte der Zeitschrift „Focus“ vom 24.06.2019, dass Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städtebundes, dafür wirbt, 5G-Mobilfunk-Sendemasten auf Schulen und Kindergärten nicht auszuschließen, da nach seinen  Kenntnissen der Mast nicht auf das Gebäude strahlt, auf dem er steht. Und Hans-Peter Meidinger, Präsident des deutschen Lehrerverbandes, schloss sich dem an. Diese Theorie dient ausschließlich der Standortaquise. Zunächst ist jedem klar: auch in den Wohnungen in dem Haus, von dessen Dach der Mast sendet, kann man gut telefonieren. Also muss dort die Strahlung vorhanden sein. Die Kinder würden also dauerbestrahlt. Sie sind Nebenkeulen ausgesetzt, sicher nicht der stark strahlenden Hauptkeule (Hauptstrahlrichtung).

Aber auch direkt unter den Sendeanlagen können überraschend hohe Strahlungs-Immissionen auftreten. Denn die Ausbreitung von Mobilfunk-Strahlung verläuft chaotischer als angenommen. Dies war das Ergebnis einer Studie, die das Computermagazin CHIP (s.u.Publikationen) in der Januar-Ausgabe im Jahr 2005 zitiert:

  • "Eine seriöse Studie besagt: Die Ausbreitung von Mobilfunk-Strahlung verläuft chaotischer als bisher angenommen. Brisant: Auch in Häusern direkt unter den Antennen treten überraschend hohe Immissionen auf. Bislang fühlten sich die Hauseigentümer auf der sicheren Seite."

Die 117 Seiten starke Analyse zur Immissionsverteilung wurde von der in Kamp-Linfort ansässigen IMST GmbH im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz erstellt. Die Studie zielte darauf ab, typische Feldverteilungen praxisnah zu ermitteln. Die Autoren, Dr. Christian Bornkessel und Markus Schubert, kommen zu dem Schluss: „Als Ergebnis wurde festgestellt, dass die Immissionen im direkten Umfeld von Mobilfunk-Basisstationen einer großen Streubreite unterliegen.“ So unterschieden sich manche Messergebnisse in Gebäuden binnen weniger Meter um den Faktor 1.000. Wie es weiter heißt, sind viele, bisher als „klassisch“ geltende Regeln in Zweifel geraten: So sei die Leistungsflussdichte („Strahlung“) im Gebäude, auf dem eine Anlage steht, „zwar oft, aber nicht stets kleiner als an umliegenden Messpunkten“. Der Bereich unter der Sendeanlage sollte eigentlich im Funkschatten liegen – ein Irrglaube.

Roaming kann den Antennenwildwuchs lichtenBild: diagnose:funk

Zitate aus der IMST-Studie

"Die Immissionsverteilung im Umfeld von Mobilfunk Basisstationen weist spezifische Eigenschaften auf, die vor allem bei der Entwicklung eines Messverfahrens geeignet berücksichtigt werden müssen. So unterliegt die Immission kleinskaligen und großskaligen örtlichen sowie zeitlichen Schwankungen. Diese sind dafür verantwortlich, dass die Streubreite der Immission im Umfeld von verschiedenen Anlagen sehr groß sein kann und von Werten weit unterhalb 1 μW/m2 bis zu einigen 100 mW/m2 reichen kann. " (S.3)

"Die Immissionen im Gebäude, auf dem eine Anlage steht, sind zwar oft, aber nicht stets kleiner als an umliegenden Messpunkten. Vor allem die im obersten Geschoss liegenden Messpunkte können wesentliche Immissionen durch umliegende Stationen erfahren; außerdem kann in Abhängigkeit von Sendeleistung und Antennenbauform auch die Dachanlage relevante Beiträge liefern.

  • An Außenmesspunkten, auch mit direkter Sicht zur Anlage, ist die Immission oft, aber nicht pauschal höher als an Messpunkten innerhalb von Gebäuden, vor allem dann, wenn die Gebäude „günstiger“ zur Mobilfunkanlage ausgerichtet sind.
  • Die Immission im selben sowie in einem der Anlage gegenüberstehenden Gebäude nimmt oft, aber nicht immer mit abnehmender Geschosshöhe ab. Reflexionen an umliegenden Gebäuden sowie Nebenzipfel der Sendeantennen können hier von der klassischen Vorstellung abweichende Verläufe hervorrufen. "(S.4)

Publikation zum Thema

Veröffentlicht am: 01.01.2005

Feuer unterm Dach

Über den angeblichen Leuchtturmeffekt
Autor:
Josef Reitberger und Roman Leipold / Chip
Inhalt:
Eine seriöse Studie besagt: Die Ausbreitung von Mobilfunk-Strahlung verläuft chaotischer als bisher angenommen. Brisant: Auch in Häusern direkt unter den Antennen treten überraschend hohe Immissionen auf. Bislang fühlten sich die Hauseigentümer auf der sicheren Seite.
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