Schon 2009 sagte der CDU-Abgeordnete Koeppen in einer Bundestagsdebatte zum Mobilfunk: „Weltweit gab es mittlerweile über 20.000 Untersuchungen auf diesem Gebiet. Nach Aussagen der Weltgesundheitsorganisation besteht kein begründeter Zusammenhang zwischen Mobilfunkstrahlung und dem steigenden Risiko einer Erkrankung – das sollten wir den Menschen auch so deutlich sagen –, und das müssen wir anerkennen.“[1]
Mit solchen Zahlen, von Industrievertretern auf Podiumsdiskussionen oft wiederholt, wird die Botschaft transportiert: „Mobilfunkstrahlung ist sehr gut erforscht, und keine von den tausenden Studien ergab eine Gesundheitsgefahr,“ oder wie es in der aktuellen Sprachregelung des deutschen Bundesamtes für Strahlenschutz heißt, es gäbe "keine wissenschaftlich belegten Zusammenhänge (...) zwischen elektromagnetischen Feldern und gesundheitlichen Auswirkungen", oder sogar: dem Bundesamt seien bisher keine Studien bekannt, die gesundheitliche Risiken nachgewiesen hätten.[2]
Die 25.000-Studien-Behauptung verrät, dass die Verantwortlichen sich entweder überhaupt nicht mit der Studienlage beschäftigt oder Wahrheiten verschleiern wollen. Tatsächlich stehen in der Datenbank der Bundesregierung und WHO-Referenzdatenbank (www.emf-portal.de) aktuell 28.754 Studien, von denen 6.369 ausgewertet sind (Stand 15.07.2019). Die Auswertung erfolgte zur Nieder- und Hochfrequenz aus allen Bereichen (Technik, Epidemiologie, in Vivo, in Vitro), aber "nur" 1594 Studien (epidemiologische & medizinisch-biologische) sind zum Frequenz-Bereich Mobilfunk und sind dort unter "Studienübersichten" auch statistisch dokumentiert. Von diesen 1594 Studien zeigen ca. 800 Studien biologische Effekte (Auswertung diagnose:funk). 515 davon stehen in unserer eigenen Datenbank www.EMFdata.org. In mehr als 90 Reviews ist die Studienlage zusammengefasst. diagnose:funk und die Redaktion des ElektrosmogReports werten seit mehr als 15 Jahren das EMF-Portal und andere Datenbanken aus.
Der WLAN-BLUFF
Auch bei WLAN griff das Bundesamt für Strahlenschutz zum Zahlenbluff. So konterte das Bundesamt gegenüber der Presse auf den WLAN-Review von Wilke (2018), in dem ca. 100 Studien ausgewertet wurden, diese 100 Studien seien eine willkürliche, kleine Auswahl, es gäbe 2.800 Studien. Das Bundesamt gab im Schriftverkehr mit diagnose:funk zu, dass diese Zahl falsch ist, korrigierte sie aber nie öffentlich. Dieser Vorgang ist hier dokumentiert.
200 Studien zu 5G?
Und nun wird auch zu den 5G-Frequenzen mit einem Zahlenbluff gearbeitet. So zitiert das Spektrum der Wissenschaft die Leiterin des EMF-Portals, Sarah Drießen, es gebe "rund 200 experimentelle Studien zu Millimeterwellen im Bereich von 30 bis 100 Gigahertz".[3] Doch im EMF-Portal sind zu 5G separat 93 Studien gelistet, davon gehören aber 74 zur Technik / Dosimetrie, Sonstige 19, davon nur 5 zur Medizin/Biologie .[4] Diese 5 sind dort nicht analysiert und das im August 2019, mitten im 5G-Ausbau! Diese fünf Studien (Betzalel, dCiaula, Neufeld/Kuster, Russell, Thielens) sind auch bei diagnose:funk auf der Homepage und www.EMFData.org aufgeführt und analysiert! Auf der Grundlage dieser angeblich 200 Studien wird im Spektrum der Wissenschaft gegen diagnose:funk polemisiert:
- "Von kritischen Wissenschaftlern und Vertretern der Organisation "Diagnose Funk" werden indes alte Papiere aus dem kalten Krieg von Sowjet- und CIA-Experten diskutiert. Neuere Studien greifen sich einzelne Aspekte heraus, etwa dass Schweißkanäle in der Haut angeblich als Antennen wirken, oder ziehen Untersuchungen ganz unterschiedlicher Qualität zu einem vernichtenden Gesamturteil zusammen."
Die Ergebnisse der Studien, die sowohl im EMF-Portal als auch bei diagnose:funk aufgeführt werden, werden im Spektrum Artikel relativiert, ohne Beweise für die Zweifel ("angeblich", "unterschiedliche Qualität", "Kalter Krieg"-Propaganda) anzuführen. Spektrum der Wissenschaft lenkt mit dem Zahlenbluff aber vom entscheidenden Punkt ab. Mit derzeit nur 5 Studien zu den medizinisch-biologischen Auswirkungen ist die Studienlage zu allen Frequenzen von 5G völlig unzureichend. Das gibt selbst das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zu. Ein Interview mit Prof. Wilfried Kühling (Focus 13.08.2019) vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz), in dem er die potentiellen Gefahren von 5G aufzählt, kommentiert das BfS mit der klaren Aussage:
- „Wie sich 5G genau auf die Exposition auswirken wird, also die Strahlung, der die Bevölkerung ausgesetzt ist, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden.“
Das BfS widerspricht den Hinweisen auf die Studienlage durch Prof. Kühling nicht, ein bemerkenswerter Vorgang. Die politische vorgegebene Faktenresistenz gegenüber der Studienlage bringt das BfS offensichtlich in einen Argumentationsnotstand. Denn auch in der Expertise des Europäischen Parlaments "5G Deployment" von Blackman/Forge wird auf unkalkulierbare Risiken hingewiesen. Würde das BfS seine Schutzfunktion wahrnehmen und das Vorsorgeprinzip beachten, müsste es der Bundesregierung einen sofortigen Ausbaustopp empfehlen. Soweit zu dem StudienBLUFF mit martialischen Zahlen. Aber: