Als Ergebnis einer Sachverständigenanhörung veröffentlichte die Kinderkommission des Deutschen Bundestags die "Stellungnahme der Kinderkommission des Deutschen Bundestages zum Thema „Kindeswohl und digitalisierte Gesellschaft: Chancen wahrnehmen – Risiken bannen“ (26.Juni 2019). An der Anhörung war auch das Bündnis für humane Bildung durch Prof. Paula Bleckmann und Prof. Ralf Lankau beteiligt. Das Papier kann als eine Kritik daran aufgefasst werden, dass die Einführung digitaler Medien in Kindergärten und Schulen ohne pädagogische Konzepte und staatliche Regulierung erfolgt. In der Einleitung heißt es:
Kinderkommission des Deutschen Bundestages kritisiert Digitalpolitik der Bundesregierung
- "95 Prozent der 12-jährigen Kinder besitzen internetfähige Smartphones. Wenig problematisiert wurden bisher Begleiterscheinungen der Digitalisierung. Lehrkräfte, Psychologen und Mediziner warnen zunehmend vor nachteiligen Wirkungen einer zu frühen, nicht altersangemessenen und zu umfangreichen Nutzung digitaler Systeme. Folgen dieser unangemessenen Nutzung sind ein stetes Anwachsen von Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefiziten, von Depressionen und Kontaktschwierigkeiten sowie von Mängeln in der motorischen Entwicklung."
Weiter wird festgestellt, dass im Internet Daten der Kinder gesammelt werden, dadurch die Privatsphäre verletzt und ständig gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen wird, ohne dass dies geahndet wird. Die Zahlen von "Cybergrooming (die Kontaktaufnahme bis hin zum Missbrauch von Kindern durch Pädophile und andere sexuelle Straftäter) sowie der unerlaubten Verbreitung von Intimfotos oder von Aufnahmen aus sexuellem Missbrauch" würden steigen, eine ausreichende Strafverfolgung finde nicht statt. Die Online-Spielsucht nehme zu. Gegen diese Entwicklung wird eine Schutzgesetzgebung und Erziehung zur "Medienmündigkeit" gefordert. Die Übernahme des Begriffes "Medienmündigkeit" ist ein Fortschritt gegenüber der inhaltsleeren, technischen Forderung nach "Medienkompetenz", auch als "Wischkompetenz" oder "Daddelkompetenz" kritisiert. Die Bundesregierung wird aufgefordert,
- "im Rahmen der Digitalen Agenda einen unabhängigen Forschungsbereich zu Chancen und Risiken neuer Digitaltechnologien aufzubauen, bestehende Einrichtungen und Initiativen diesbezüglich zu vernetzen sowie Forschungsprojekte zu fördern."
Ein klarer Hinweis, dass die Folgen der Einführung dieser Technologie nicht erforscht sind, und man bisher die Initiative der Industrie überlassen hat. Weiter wird gefordert:
- "Online-freie Aktivitäten und Schulbereiche sollen erhalten und gefördert werden."
Die Kinderkommission spricht sich für eine altersgerechte Medienbildung aus:
- "In der Primarstufe soll der pädagogische Schwerpunkt weiterhin auf dem Erlernen der analogen Kulturtechniken liegen. Sie bilden auch eine wichtige Voraussetzung für Medienkompetenz und einen mündigen Umgang mit digitalen Medien. Sprache, Mathematik, Musik und manuelles Gestalten sind die Grundlage für erfolgreiche Bildungsbiografien."
Noch eine klare Aussage: die frühe Nutzung digitaler Medien ist nicht die Grundlage für erfolgreiche Bildungsbiografien. Weiter wird gefordert, dass sowohl Eltern als auch Lehrer in der Förderung von Medienmündigkeit geschult werden, und bereits in den Vorsorgeuntersuchungen und der vorschulischen Kinderbetreuung auf die Risiken hingewiesen wird. In der Primarstufe sollen "altersgerecht die Themen Schutz vor Missbrauch, Sucht und Attacken" berücksichtigt und dabei die Eltern einbezogen werden.
Von der "Digitalen Bildung" als angeblich notwendiger Reform des Schulwesens ist in dem Papier nicht die Rede. Für die Sekundarstufe wird gefordert:
- "Die Länder werden aufgefordert, das technische Verständnis digitaler Systeme zu fördern sowie Medien- und Datenschutzkompetenz zu vermitteln. Neben der Möglichkeit, dies als Querschnittsaufgabe in die Lehrpläne zu integrieren, sollen sie prüfen, ob mittels eines integrierten Schulfachs Medienkunde die klassischen Unterrichtsfächer von diesen notwendigen Grundlagen entlastet werden können.
- Die Schulen sollen entscheiden, bei welchen Unterrichtsprojekten sie den Einsatz privater Geräte zulassen."
Als Bildungsziel der Sekundarstufe wird wiederum "Medienmündigkeit" definiert. Die Stellungnahme hebt sich wohltuend von dem unkritischen Hype ab, der suggeriert, der Unterricht mit Smartphones, Tablets und WLAN bedeute die Zukunft der Schule. Lesen Sie den Sachverständigenbeitrag von Prof. Ralf Lankau (rechte Spalte).
Publikation zum Thema
Gesund aufwachsen in der digitalen Medienwelt
Medienkonsum und Mobilfunkstrahlung
Weiterführende Links
- Homepage Bündnis für humane Bildung
- Homepage diagnose-media zu Kindern und digitalen Medien
- Weitere Stellungnahmen zur beabsichtigten "Digitalen Bildung"
- Pressemitteilung Bündnis für humane Bildung zum Digitalpakt
- Tagungsband "Digitale Medien und Unterricht. Eine Kontroverse", Hrsg. Paula Bleckmann / Ralf Lankau
Downloads
- Lankau_kikom_160320.pdfPDF, 258 KB, Vortrag von Prof. Ralf Lankau bei der Anhörung der Kinderkommission
- KiKim_SN_2019-07-10.pdfPDF, 315 KB, Stellungnahme der Kinderkommission "Kindeswohl und digitalisierte Gesellschaft"
- He_La_Lei_SN_NS_2019.pdfPDF, 303 KB, Stellungnahme Bündnis für humane Bildung im Landtag Niedersachsen zur geplanten "Digitalen Bildung"