In Deutschland regelt die 26. BImSchV (Bundesimmissionsschutz Verordnung) die Grenzwerte für die Mobilfunkstrahlung. Sie orientiert sich an den ICNIRP-Richtlinien (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection). Immer, wenn Bürger gegen Dauer - Immissionen von Mobilfunkmasten protestieren, die Einrichtung von WLAN-HotSpots wegen der zusätzlichen Strahlenbelastung kritisieren, auf die Gefährdung des Gehirns durch die Handystrahlung hinweisen, kontern die Behörden mit dem Grenzwertargument: Die gemessenen Belastungen seien nur ein Bruchteil des Grenzwertes, also kein Grund zur Besorgnis. Den Grenzwert für UMTS hat die ICNIRP auf 10.000.000 µWatt/m² ( 61 V/m) festgelegt.
Der BUND fordert einen Grenzwert von 100 µWatt/m² zur Gefahrenabwehr (einklagbarer Schutzstandard) und 1 µWatt/m² als Vorsorgewert.
Der gültige Grenzwert ist so, als würde man die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 990 km/h festlegen, dann würde es keine Geschwindigkeitsüberschreitungen mehr geben und jeder könnte tun und lassen was er will.
Die Grenzwerte, auch bedingt der SAR-Wert [1] für Handys, schützen vor einem Effekt: dem der Gewebeerwärmung durch die Strahlung. Der Grenzwert orientiert sich nur an thermischen (Wärme-) Wirkungen der Mikrowellenstrahlung. Er schützt vor etwas, was letztlich bei Handys und Masten keine primäre Gefährdung darstellt: Wärme. Die Erwärmung als Maßstab der Gefährlichkeit zu nehmen, wäre so, als würde man die Dosis, Wirkung und Höhe radioaktiver Strahlung bei einem AKW-Angestellten mit einem Fieberthermometer statt dem Geigerzähler und einem Spezialdosimeter messen und bewerten. Die schädigenden Effekte sind durchweg im nicht-thermischen Bereich, also nicht durch Temperaturerhöhungen erklärbar. Dass die Grenzwerte die nicht-thermischen Effekte der Mobilfunkstrahlung, und damit die Biologie, ausklammern, zeigt ihre Absurdität.
Welche medizinische Aussagekraft haben die Grenzwerte? So gut wie keine, denn sie vernachlässigen wesentliche Einflussgrößen der Strahlung auf die Biologie des Menschen, auf seine Zellen. Sie erfassen
- nicht die athermischen Wirkungen der Strahlung
- nicht den Frequenzmix durch die verschiedenen Anwendungen
- nicht die Membranpotentiale und andere Ströme und Frequenzen in den Zellen
- nicht die biologisch-wirksame niederfrequente Taktung
- nicht die Spitzen-, sondern nur Mittelwerte
- nicht den kumulativen Effekt
- nicht verletzlichste Personen und Organismen
- nicht die gepulste Strahlung
- nicht eine Dauerdosis und Langzeiteffekte
Zum letzten Punkt: Die ICNIRP muss in ihren Richtlinien einräumen, dass der Grenzwert nur vor „kurzfristigen, unmittelbaren gesundheitlichen Auswirkungen“ durch „erhöhte Gewebetemperaturen“[2] schützt. Seriöse Forschungen weisen aber auf den Zeitfaktor hin und bringen ihn in Verbindung mit der Dauernutzung des Handys und der Dauerbestrahlung durch Basisstationen. Intensität x Zeit = Wirkung, dieser kumulative Effekt wurde in der Grenzwertfestlegung unterschlagen. Der Grenzwert hat weder einen Bezug zur Zeit noch zur Biologie.
Selbst die ICNIRP schreibt, dass ihre Grenzwerte Kinder und andere sensible Personen nicht schützen :
- "Different groups in a population may have differences in their ability to tolerate a particular NIR exposure. For example, children, the elderly, and some chronically ill people might have a lower tolerance for one or more forms of NIR exposure than the rest of the population. Under such circumstances, it may be useful or necessary to develop separate guideline levels for different groups within the general population, but it may be more effective to adjust the guidelines for the general population to include such groups."
Ergänzung der ICNIRP-Richtlinien von 1998 (auf denen die Grenzwerte beruhen), ICNIRP statement 2002, general approach, Health Phys. 82, 540-548 (S. 546)
Grenzwerte: Vorsorge ausgeklammert!
Der Grenzwert ist heute auch Ideologie, Widerspiegelung eines pragmatischen Menschenbildes der herrschenden Wissenschaft. Dieser ICNIRP-Ansatz reduziert den Menschen auf ein thermodynamisches Objekt, leugnet die Komplexität biologischer Systeme und ist typisch für die Methodik und Denkweise herkömmlicher Wissenschaft. Der Mensch wird zum strahlenresistenten Konsumenten, einer Geldquelle. Das thermische Dogma macht so den Menschen zu dem, wofür ihn die Industrie braucht: zum unempfindlich leblosen und strahlungsresistenten Festkörper, reduziert auf die technische DIN-VDE-Empfehlung 0848. Das ist das fatale Ergebnis, wenn Techniker medizinische Normen setzen! Das Ergebnis für den lebenden Menschen, in einem Satz:
Die Grenzwerte haben mit den Menschen,
die sie schützen sollen,
nichts zu tun.
Dies bestätigte die Bundesregierung in der Antwort vom 4. Januar 2002 auf eine Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (Bundestagsdrucksache 14/7958) ausdrücklich. Auf die Frage der CDU/CSU Fraktion nach der wissenschaftlichen Begründung des Strahlenschutzes antwortete die Bundesregierung:
- "Die internationalen Gremien haben allerdings bisher darauf verzichtet, Vorsorgeaspekte in ihre Überlegungen mit einzubeziehen." (S. 14)
- „Die o.g. Bewertungen der SSK (Strahlenschutzkommission) stimmen mit den Einschätzungen internationaler wissenschaftlicher Expertengremien überein. Bei der Ableitung der geltenden Grenzwerte, die die Grundlage der Standortbescheinigung bilden, hat das Vorsorgeprinzip keine Berücksichtigung gefunden.“ (S.18)
Wenn man weiter bedenkt,
- dass die Basis für die heute gültigen Grenzwerte 1952 v.a. unter militärischen Gesichtspunkten gelegt wurde[3] (siehe dazu unter Downloads die drei maßgeblichen Aufarbeitungen der Geschichte der Grenzwerte von Steneck, Cook, Brodeur).
- dass sie auf Grund politischer Umstände und des Lobbyismus seit über 50 (!) Jahren nicht geändert wurden! Die Ablehnung nicht-thermischer Effekte war immer mit Industrie– oder Militärinteressen verbunden.[4]
- welches Wissen über Zellvorgänge damals noch nicht vorhanden war,
so wird klar, dass das Festhalten an diesen Grenzwerten nicht akzeptiert werden kann. Es ist die Abwehr von neuem Wissen, ein Teil der Strategie der Produktverteidigung, das Profitprinzip ersetzt das Vorsorgeprinzip. Die Grenzwerte sind heute die Ersatzhaftpflichversicherung für die Industrie, die Legitimation für den Antennenwildwuchs und die Verhinderung der Zulassung von Klagen.
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SAR-Werte für Endgeräte schützen nicht
Der „Grenzwert“ für Handys wird als SAR-Wert (Spezifische Absorptionsrate) angegeben. Die spezifische Absorptionsrate beschreibt, wie viel Leistung pro Kilogramm Körpergewicht absorbiert wird, angegeben in Watt pro Kilogramm (W/kg). Für eine Ganzkörperbestrahlung gilt ein SAR-Wert von 0,08 W/kg und für eine Teilkörperbestrahlung, wie z.B. der des Kopfes gelten 2 W/kg.