Stuttgarter Gemeinderat nickt Telekom-Antrag für 60 LTE-Zellen ab

Verharmlosungsargumente der Offiziellen
Wie mit Messungen und dem Grenzwert verschleiert wird.

Aus den Vorgängen in Stuttgart können alle Aktiven lernen: so wird 5G auf kaltem Weg durchgesetzt. Die Telekom sichert sich nach und nach Sendeplätze, jetzt noch für LTE, um dann auf 5G umzurüsten. Um die Gemeinderäte in Stuttgart zu paralysieren, finanzierte die Telekom eine Messaktion mit dem Ergebnis: Alles in Butter, die Werte der LTE-Hotspots liegen unter den Grenzwerten.

Dieses Verschleierungsargument deckt die Bürgerinitiative auf ihrer Homepage auf. Die Messergebnisse sind ein Rohrkrepierer. Hier der Bericht von www.MobilfunkStuttgart.de:

Die Telekom beantragte 60 LTE Kleinzellen in der Innenstadt und in Bad Cannstatt. Baubürgermeister Peter Pätzold (GRÜNE) übernahm 1:1 diesen Antrag, mit der Original-Telekom-Begründung brachte er ihn im Umwelt-und Technik Ausschuss ein. Um ihn durchzusetzen, wurden Alibi-Messungen in Auftrag gegeben, mit dem vorhersehbaren Ergebnis: „Alles unter den Grenzwerten“ (Messbericht zum Download s. unten). Unsere Bürgerinitiative verfasste dazu rechtzeitig eine Pressemitteilung und schickte StadträtInnen das folgende MEMO, in dem der Messschwindel aufgedeckt wird. Am 12.02.2019 stimmten alle (!) Fraktionen, außer Christoph Ozasek und Hannes Rockenbauch von SÖSLinkePluS, dem Telekom-Antrag zu. Damit sichert sich die Telekom die ersten Sendeplätze für 5G. Unsere Bürgerinitiative wurde dazu nicht gehört. Die GRÜNE Stadtspitze ignoriert damit sogar die Anträge und Meinungen aus ihrer eigenen Fraktion, und die hat dann nicht mehr den Mut, zu widersprechen. Unsere Bürgerinitiative ist sauer!

Small-Cell der Telekom in der Stuttgarter Bolzstr. Quelle: Prof. Dr.-Ing. M. Wuschek - EM-Institut GmbH

Memo zum Antrag LTE Kleinzellen / Telekom vom 8.01.2019

GRDrs. 1076/2018 und  Anlage 1 GRDrs 1076/2018 (Telekom Folien) (Zum Download am Textende)

Vorbemerkung: Die Bürgerinitiative bekam nicht von der Stadt die Messergebnisse der Telekom zu den geplanten 60 LTE Kleinzellen. Selbst wenn wir sie bekommen hätten, wäre es notwendig, dass die Messergebnisse erläutert werden und auch von der Bürgerinitiative Nachfragen möglich sind, um eine Beurteilung zu erstellen. Die Bürgerinitiative wurde auch nicht in den UTA eingeladen. So kommt nur die Meinung der Telekom zum Tragen. Das wäre so, als würde man beim Diesel 1:1 die Gutachten der Automobilindustrie, bei Glyphosat die von Monsanto und beim Wohnungsbau die der Großinvestoren übernehmen.

Antragsziel: Der Antrag muss vom Ziel her beurteilt werden. Er schafft einen Präzendenzfall und gibt 60 Standorte für LTE-Kleinzellen frei, die nachher zu 5G umgerüstet werden können. Das ist keine Vermutung, sondern ist Teil der Antragsbegründung (Anlage 1 GRDrs 1076/2018): „Für Dienste, wie Beispiel dem Autonomen Fahren ist eine gleichbleibende, sichere Netzqualität unerlässlich“ (Folie1). Nach der autogerechten Stadt der 50er-70er Jahre wird also der zweite Umbau der Stadt für das Auto vorgenommen, ohne jegliche gesellschaftliche Debatte über Notwendigkeit und Konsequenzen und mit diesem Antrag der Weg geebnet.

Das ist offensichtlich ein Vorgriff auf den „Breitband & 5G-Vertrag“, bzw. unterläuft Regelungen, die die Stadt in Bezug auf Kleinzellen im Vertrag für ein 5G-Netz bzw. Kleinzellennetze festlegen könnte. Auf diesen Präzendenz­fall werden sich die anderen Betreiber als Türöffner berufen. Ein neuer Antennenwildwuchs wird damit legitimiert.

  • Messungen und Grenzwerte: Die Messungen wurden durchgeführt, um „Bedenken in Teilen der Bevölkerung Rechnung zu tragen“ (Telekom Folie 2), also um sie zu zerstreuen. Die Messergebnisse bestätigen aber alle Bedenken! Die Messungen sind von den Daten her korrekt, machen aber keinerlei Aussage über gesundheitliche Auswirkungen. Für die entwarnende Aussage „Unterhalb der Grenzwerte“ (Grenzwert 61 V/m=knapp 10.000.000 µWatt/m2)[1] hätte man keine Messaktion machen müssen, denn die werden in der Regel sowieso nicht überschritten. Der Grenzwert wurde von einem nicht-legitimierten Gremium festgelegt (ICNIRP), es ist ein Organ der Industrie (siehe dazu Berliner Tagesspiegel).  Die ICNIRP und ihre Grenzwertfestlegungen werden von unabhängigen Wissenschaftlern abgelehnt.

Die Grenzwerte machen keine Aussage über die Auswirkungen bei längerem Aufenthalt (mehr als 6 Minuten), über Wirkungen auf sensible Personen (Schwangere, Embryos, Kinder, Kranke) und über nicht-thermische Wirkungen. Auch machen sie keine Aussage über die Auswirkungen des Frequenz­mixes am jeweiligen Ort: GSM + UMTS + LTE + WLAN. Zu LTE liegen zudem keine belastbaren Forschungsergebnisse und keine Technikfolgenabschätzung vor, seine Unschädlichkeit ist nicht getestet. Damit wäre eine LTE-Installation eigentlich gar nicht zulässig. Die nichtionisierende Strahlung in der Normalnutzung  ist von der IARC der WHO als „möglicherweise Krebs erregend“ eingestuft, ihre Nutzung erfordert deshalb die Anwendung des Vorsorgeprinzips. Die Behauptung der Telekom, der Aufbau der Kleinzellen werde „messtechnisch und kommunikativ-auf Kosten der Telekom-begleitet„, um Bedenken der Bevölkerung Rechnung zu tragen, ist ein hohler Spruch. Mit der Bürgerinitiative wurde weder von der Telekom noch von der Stadtverwaltung dazu kommuniziert, nicht einmal die Messergebnisse wurden mitgeteilt.

  • Bewertungsmaßstab: Legt man die Referenzwerte des BUND und des österreichischen Leitfaden Senderbau an, so sind die Anlagen nicht zu akzeptieren. Grenzwert-Empfehlungen des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland): 1 μWatt/m2 bei Dauerbelastung und 100 μWatt/m2 als einklagbarer Schutzstandard. „Leitfaden Senderbau“ (u.a. Österreichischen Ärztekammer und Wirtschaftskammer): Höchstwert von 1.000 μWatt/m2 für die Summe aller Quellen & Sendeanlagen.

Nimmt man diese Werte, die Gesundheitsbezogen sind, liegen die Messwerte nur für die LTE-Kleinzellen-Sender, also nicht die Summe aller Quellen, unvertretbar weit darüber:

Standort Eberhardstraße (Grenzwertausschöpfung in %, GA S.19)

Punkt 1.1.    16,1%    9,82 V/m    255 778  µW/m2     0,5 m Abstand
Punkt 1.2.      4,3%    2,62 V/m      18 207  µW/m2     9,5 m
Punkt 1.3       2,6%    1,58 V/m        6 621 µW/m2    17    m

Standort Feuerseeplatz (GA S. 20)     
Punkt 2.1.    14,0 %    8,4 V/m      187 161 µW/m2       0,5 m
Punkt 2.6.      3,7 %    2,28 V/m      13 788  µW/m2    17    m

Standort Rotebühlstraße (GA S.21)
Punkt 3.1.    15,1%    9,2 V/m    224 509 µW/m2    0,5 m
Punkt 3.5       6  %    3,66 V/m     35 532 µW/m2    6,5 m

Standort Bolzstraße (GA S.21)
Punkt 4.1    19,4%    11,83 V/m    371 217 µW/m2    0,5 m
Punkt 4.8      7,5%      4,57 V/m     55 397 µW/m2    5,5 m
Punkt 4.11   11,8%      7,2  V/m    137 506 µW/m2    2,5 m

Standort Marktplatz Cannstatt (GA 22/23)
Punkt 5.1       17,9 %     10,9 V/m    315 145 µW/m2  0,5 m
Punkt 5.14     14,6 %       8,9 V/m    210 106 µW/m2     1 m
Punkt 5.18     20,2 %     12,3 V/m    401 299 µW/m2     1 m
Punkt 5.19     12,3 %       7,5 V/m    149 204 µW/m2     2 m
Punkt 5.20       9,0 %       5,4 V/m      77 347 µW/m2     3 m
Punkt 5.21       7,5%        4,57 V/m    55 397 µW/m2     4 m

Karte der Messpunkte in der Bolzstr.Quelle: EM-Institut GmbH, Prof. Dr.-Ing. M. Wuschek

Zusammenfassung: Die Werte im Umfeld, aber auch in Entfernungen bis zu 17 Meter sind, gemessen an industrieunabhängigen Empfehlungen, extrem hoch. Dazu kommen die Emissionen von anderen Quellen. In der Summe eine Belastung, vor der die Bevölkerung geschützt werden muss. Alle Bedenken werden bestätigt. Das Messgutachten ist deshalb aufschlussreich und ein Rohrkrepierer.

Entscheidend: es wird ein Präzendenzfall geschaffen, der nicht wieder eingefangen werden kann, und der im ganzen Stadtgebiet einen Wildwuchs an Kleinzellen nach sich ziehen wird.

Konsequenz: Der Antrag muss abgelehnt werden. Stattdessen erstellt die Stadt Stuttgart ein Gesamtkonzept nach Kriterien, die im Haushalt 2016/2017, Antrag 11.05 von der Fraktion der GRÜNEN beantragt und mit den Stimmen von CDU und SÖSLinkePluS verabschiedet wurden. Der aktuelle Antrag hat mit der Konzeption und den Intensionen des Haushaltsantrages nichts mehr gemein.

[1] Die Angaben in dieser Auswertung werden in µWatt/m2 gemacht, wie es in medizinischen Studien üblich ist.

Publikation zum Thema

Format: A4Seitenanzahl: 16 Veröffentlicht am: 08.02.2017 Bestellnr.: 233Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

Studie weist nach, wie Grenzwerte scheinwissenschaftlich legitimiert werden

Mobilfunk-Grenzwerte entzaubert
Autor:
Sarah J. Starkey / diagnose:funk
Inhalt:
Der neue diagnose:funk 'Brennpunkt' behandelt die Studie "Fehlerhafte offizielle Bewertung der Sicherheit von Funkstrahlung durch die Beratergruppe für nicht-ionisierende Strahlung" (2016) von S. J. Starkey und liegt in deutscher Übersetzung vor. Die Studie zeigt am Beispiel des AGNIR-Berichtes (Advisory Group On Non-ionising Radiation, Großbritannien), mit welchen Methoden eine Rechtfertigung der Grenzwerte zusammengezimmert und manipuliert wird. Ergänzung: Die Beratergruppe AGNIR wurde im Mai 2017 aufgelöst. In England gab es so gut wie keine Berichterstattung darüber. Am 17.10.2018 hat das Investigativ-Portal http://truepublica.org.uk diese heimliche Abwicklung aufgedeckt. Siehe unten stehende Links zum englischen Artikel und zur Online-Übersetzung.
Format: A4Seitenanzahl: 12 Veröffentlicht am: 27.05.2011 Bestellnr.: 208Sprache: Deutsch

Europarat fordert Kurswechsel

Die potentiellen Gefahren durch elektromagnetische Felder und ihre Auswirkung auf die Umwelt
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Der zuständige Ausschuss des Europarates hat ein Zeichen gesetzt. In einer einstimmig verabschiedeten Resolution und dem dazugehörigen Report fordert der Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und regionale Angelegenheiten am 06.05.2011 ein grundsätzliches Umsteuern in der Mobilfunkpolitik. Am 27.05.2011 wurde die Resolution vom Ständigen Ausschuss des Europarates modifiziert übernommen und angenommen. Detailliert wird in dem Report der Stand der Forschung wiedergegeben, werden Schutz- und Vorsorgemaßnahmen gefordert, eine Forschungsförderung für neue Technologien und besonders eine Aufklärung unter Kinder- und Jugendlichen angemahnt.
Format: A4Seitenanzahl: 8 Veröffentlicht am: 18.03.2015 Bestellnr.: 229Sprache: Deutsch

Weniger Strahlung - mehr Daten

Intelligente Mobilfunkversorgung in St. Gallen
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Ist es möglich, die Strahlenbelastung wesentlich zu begrenzen, Wohnungen zu schützen und in Zukunft in Innenstädten und Wohngebieten auf Mobilfunksendemasten zu verzichten? Und besser mobil zu kommunizieren als vorher? Der Praxisbeweis dafür ist da. Politiker, BUND- und Diagnose-Funk Vorstände waren auf Einladung der Stadtverwaltung in St. Gallen. Lesen Sie den Bericht über das Projekt "St. Gallen - Wireless" im neuen Brennpunkt.
Format: DIN langSeitenanzahl: 8 Veröffentlicht am: 24.01.2019 Bestellnr.: 317Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

5G-Mobilfunk + Smart City

Fortschritt für wen?
Inhalt:
Alle Autobahnen und Straßen, Städte und Kommunen sollen mit zig-tausend neuen Sendemasten und hunderttausenden 5G-Hotspots lückenlos vernetzt werden. Die Folgen: Zunehmende Strahlenbelastung und digitale Überwachung gefährden unsere Gesundheit, die Demokratie und das Klima. Dieser Flyer gibt einen ersten Überblick, was unter dem Schlagwort 5G-Mobilfunkausbau angedacht ist. Totale Elektrosmogverseuchung der Umwelt - alle Wohnungen und Lebensbereiche werden zwangsweise durchstrahlt - keine Orte mehr zur Erholung vom dauernden Elektrostress - Energieverschwendung, explodierender Ressourcenverbrauch und Elektronikmüll ohne Ende - sowie Stück für die Stück die vollständige Überwachung - der Aufbau chinesischer Zustände auch in Deutschland.
Artikel veröffentlicht:
19.02.2019

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