Kürzlich fand in Neckartenzlingen ein Vortrag zum Thema Mobilfunk und Insekten statt. Referent des Abends war Dr. Niels Böhling aus Kirchheim. Eingeladen hatte die Ortsgruppe „InfoMobilFunk Neckartenzlingen und Umgebung“.
Studienergebnisse zeigen besorgniserregendes Bild
Böhling referierte anhand vieler einschlägiger Studienergebnisse über den aktuellen Stand des Wissens. Die Fülle von Informationen machte deutlich, dass die künstlichen elektromagnetischen Felder, wie sie durch Mobilfunk erzeugt werden, für Insekten zum Problem werden können, weil sie selbst elektromagnetische Wesen sind. Die elektromagnetischen Eigenschaften von Bienen seien seit den 1970er Jahren bekannt. 2007 habe der Saarländer Biologe Ulrich Warnke über die Zerstörung der Natur durch ‚Elektrosmog‘ im Hinblick auf Bienen, Vögel und Menschen publiziert.
Insekten leben in und mit elektromagnetischen Feldern
Insekten leben in natürlichen elektromagnetischen Feldern, und wenn diese durch die künstlichen Mobilfunkfelder überlagert werden, dann habe das Konsequenzen. Studienergebnisse belegen, dass bei Bienen die Größe der Kolonien, die Leistung der Arbeiterbienen, der Polleneintrag, die Honigproduktion, die Orientierungsfähigkeit leiden und ihre Immunabwehr unter Mobilfunkeinwirkung geschwächt wird.
Studien aus den Jahren 2012 und 2014 zeigen, dass die Lern- und Gedächtnisleistung von Ameisen negativ beeinflusst wird; Futterstellen würden nicht mehr gefunden, die Brutentwicklung leide. Auch hier gebe es Orientierungsprobleme: die Ameisen finden ihren Bau nicht mehr und können bei Gefahr keine Helfer holen. Die Strahlung von Dect-Telefonen, Smartphones und WLAN verringern ihre Fähigkeit, sich linear fortzubewegen; stattdessen laufen sie im Kreis.Bei Frucht- und Taufliegen nimmt unter Handystrahlung die Fruchtbarkeit ab, die Zahl der Verpuppungen geht bis zu 30% zurück, die DNA wird zerstört.
Böhling berichtete, dass es nur eine Freilandstudie zur Auswirkung von Mobilfunkbasisstationen auf Insekten gibt, durchgeführt 2015 auf zwei griechischen Inseln. Interessant darin sei zum Beispiel, dass dort bei zunehmender Stärke der Bestrahlung die Zahl unterirdisch nistender und damit besser vor Strahlung geschützter Wildbienen zugenommen habe.
Das Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm verweigerte Studien zu Insekten
Der Referent verwies mit Nachdruck auf das deutsche Mobilfunkforschungsprogramm, das in den Jahren 2002-2008 mit 17 Millionen Euro ausgestattet war, in dem Insekten keine Rolle gespielt haben. Und dies, obwohl schon im Jahr 2000, die ICNIRP, eine Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung, Untersuchungen an „Pflanzen, Tieren, Vögeln und anderen lebendenden Organismen“ als notwendig gefordert habe. Dass es durchaus Zusammenhänge von Mobilfunk und Insektensterben geben kann, machte Böhling daran deutlich, dass z. B. der NABU 2017 Klima- und Biotopveränderungen als Hauptverursacher für das Insektensterben ausgeschlossen hat.
Böhling sprach an, dass zwar bei der 5. Mobilfunkgeneration (5-G) die Reichweiten kurz seien, dafür werde es aber mehr Sendeanlagen brauchen. Es gelten auch hier einzuhaltende Sicherheitsabstände, die jedoch von Insekten und Vögeln nicht wahrgenommen werden könnten. Er forderte deswegen spezielle Untersuchungen.
Anhand verschiedener erhellender Beispiele spannte er den Bogen bis zu den bekannten Risiken für Menschen. Am Ende des Vortrags sprach er das Problem der Vernetzung von Mobilfunkindustrie und Wissenschaftlern mit der sog. Kabellos-Lobby an.
Nach dem knapp 90-minütigen Vortrag wurde deutlich, dass all dieses Wissen Konsequenzen haben muss, denn Insekten haben vielfältige Funktionen in der Natur. Verschwinden sie, dann gerät ein labiles System aus den Fugen und das wird auch Folgen für uns Menschen haben.
Anschließend wurde ein vorbereiteter Brief der Ortsgruppe an den Vorsitzenden des Beirats bei der Bundesnetzagentur verlesen. Er war auch zur Kenntnisnahme an das Beiratsmitglied, den Umweltminister von Baden-Württemberg, gerichtet. Darin wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, bei der anstehenden 5G-Frequenzauktion den Schutz von Mensch und Natur in die aktuellen Beratungen mit einzubeziehen und das Vorsorgeprinzip des Staates zu bedenken. Dieser Brief wurde durch viele Unterschriften der Zuhörerinnen und Zuhörer unterstützt.In der Diskussion ging es um weitere Konsequenzen aus dem Gehörten. Klar wurde: Ein Großteil der Verantwortung liegt auch beim Nutzer der mobilen Kommunikation.
Nachdruck des Artikels der Nürtinger Zeitung vom 27.11.2018, S.27 mit freundlicher Gemehmigung des Verlages und des Autors.