Die Pläne, mit Smart Home, SmartCity, SmartSchool, autonomem Fahren und Industrie 4.0, Smart Meter und Smart Grid alles zu vernetzen, mit WLAN und 5 G Millionen neue Sendeanlagen aufzustellen, um explodierende Datenmengen zu transportieren, werden nicht nur den Stromverbrauch in die Höhe schnellen lassen, sondern auch die Umwelt bis in den kleinsten Winkel verstrahlen. Als ob es nicht selbst vom Bundesamt für Strahlenschutz die Empfehlung gibt, die Strahlenbelastung zu minimieren, was heute mit neuester Technik möglich wäre, definiert die Bundesregierung "Ausbauauflagen" (KV 1677) für Lizenzen, damit jeder Winkel verstrahlt wird. Das ist wohl schon eine Reminiszenz an das autonome Auto. Mit einer Bundes-App zur Mobilfunknetzmessung (KV 1697) sollen Bürger Funklöcher melden. Das Bedürfnis, immer und überall Online sein zu können, wird noch bestärkt, Erholungszonen für elektrosensible Menschen beseitigt.
BigData durch WLAN überall
"WLAN ist wichtiger Teil einer modernen digitalen Infrastruktur," heißt es auf Seite 39 (KV 1704). Warum? Das kostenlose WLAN-Netz, das auch jeder "Arme" ständig nutzen kann, ist die Überwachungsstruktur für BigData. BigData und digitale Zwillinge dienen der personalisierten Werbung und dem Konsumismus, dem Staat zur Überwachung in Echtzeit. Um jeden Ort von Privatheit zu beseitigen und lückenlos überwachen zu können, wird versucht, die Freifunk-Initiativen als nützliche Helfershelfer zu rekrutieren, wird ihnen im Koalitionsvertrag ausdrücklich die Gemeinnützigkeit zugesichert (KV 1708). Mit der WLAN- und 5 G-Infrastruktur soll die total überwachte Stadt, die SmartCity, organisiert werden (KV 2122). Die Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts: "Daten sind der Treibstoff für Innovationen und neue Dienste" (KV 2069). Im Koalitionsvertrag wird der Datenschutz deshalb komplett aufgehoben: "Wir streben an, die Freizügigkeit der Daten als fünfte Dimension der Freizügigkeit zu verankern" (KV 2182), damit erweisen sich alle Hinweise auf Datenschutz als Makulatur (KV 1618). Vor dieser Entwicklung warnt der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar: "Bald werden unsere Städte und Häuser mit intelligenten Augen ausgestattet sein, und überall werden Sensoren unseren Alltag prägen und in unsere privatesten Bereiche vordringen. Wir sollten uns darüber klar sein, dass sich dann ein wesentliches Prinzip umkehrt: Nicht mehr wir machen die Bilder, sondern wir werden von Bildern erfasst und gedeutet. Wenn dieser Strom aus visuellen Datenanalysen seinen Fokus auf uns richtet, werden es diese Bilder sein, die über uns bestimmen oder uns richten"(2). Den Weg in den digitalen Totalitarismus beschreibt der Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung im Deutschen Bundestag (TAB), Prof. Armin Grunwald: "Aus dieser Infrastruktur, die um uns herum entstanden ist, noch einmal rauszukommen, noch umzusteuern, das wird schwer. Und noch eins: Zu keiner Zeit in der Menschheitsgeschichte hat es derart gute Bedingungen für eine totalitäre Diktatur gegeben wie heute. Was Hitler an Propaganda-Möglichkeiten, was die Stasi an Überwachungsapparat hatte, ist Kinderkram gegen das, was heute möglich ist"(3).
KITA´s als Rekrutierungsfeld für die Industrie
Im Bildungsbereich haben sich die BITKOM-Konzerne mit ihren Eingaben erfolgreich durchgesetzt (KV 1715 ff). Kindergarten und Schule werden als Rekrutierungsfeld für die Industrie definiert, in dem die Erziehung zu angepassten Bürgern erfolgen soll. Die Reform heißt "Digitale Bildung". Mit zentralen Schulclouds, die bereits von IT-Konzernen entwickelt sind, wird die Steuerung der Erziehung der Industrie überlassen, werden Voraussetzungen für die Lernfabrik 4.0 und das eLearning geschaffen. Der Industrie wird ein sicherer Milliardenabsatzmarkt für Tablets , Schulsoftware, Hardware und WLAN-Netzen zugesichert. Von den Erkenntnissen aus der pädagogischen Forschung, dass "Digitale Bildung" zu schlechterem Lernen führt, dass Kinder gerade vor WLAN geschützt werden sollen, ist nichts zu lesen.
Zwei kleine Lichtblicke enthält der Koalitionsvertrag: die Glasfasertechnologie soll ausgebaut werden (KV 1646), das wäre eine Voraussetzung für strahlungsminimierte Versorgungskonzepte und die Trennung der Indoor- und Outdoorversorgung zum Schutz von Wohnungen. Und die Erforschung der Lichttechnologie Visible Light Communication (KV 2592) soll gefördert werden. Sie könnte v.a. in Schulen ein Ersatz für die toxische WLAN-Technologie sein.
Der Staat als kommerzielles Internet
Der Koalitionsvertrag liest sich wie ein 5-Jahresplan, geschrieben von Angestellten der Industrie. Es bewahrheitet sich, was Frank Schirrmacher befürchtete. Der „Staat der Zukunft” werde „ein gigantisches kommerzielles, real existierendes Internet ... Vorherzusagen, was einer tun, kaufen, denken wird, um daraus einen Preis zu machen, diese Absicht verbindet Militär, Polizei, Finanzmärkte und alle Bereiche digitaler Kommunikation” (4). Digital First. Bedenken Second. - dieses Mantra gewissenloser Industriepolitik ohne jede Technikfolgenabschätzung prägt das Denken fast aller Parteien.
Die angekündigte Regierungspolitik ist eine Herausforderung für diagnose:funk, aber besonders für alle Menschen, die für Verbraucherschutz, Umweltschutz und Demokratie eintreten. Stärken sie diagnose:funk, werden Sie jetzt Mitglied, damit wir die Aufklärung über die Risiken der Mobilfunktechnologie und unsere Arbeit zum Verbraucherschutz voranbringen und ausbauen können.
(1) WELZER, H. (2016): Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit, Frankfurt/Main,S. 287
(2) YOGESHWAR, R (2017): Nächste Ausfahrt Zukunft. Geschichten aus einer Welt im Wandel, Köln, S. 284
(3) BAUCHMÜLLER, M / BRAUN, S: Die Leute merken nicht mehr, wie fragil das System ist; Interview mit dem Leiter des TAB des Bundestages Armin Grunwald; Süddeutsche Zeitung, 29.01.2018
(4) SCHIRRMACHER, F. (2013): Ego. Das Spiel des Lebens, München, S. 101