WLAN und Elektrosmog zwangen sie zum Umzug

Diagnose Elektro-Hypersensibilität (EHS)
Schlaf fand Daniela Pichler lange Zeit nur noch im Auto in der Tiefgarage. Erst Jahre später erhielt sie die Diagnose Elektro-Hypersensibilität (EHS). Zuvor wäre sie an ihrer Krankheit fast gestorben.
Daniela Pichler, eine Elektrohypersensible mit einem langen Leidensweg.Foto: Birgit Kaltenböck

Ihr Leidensweg mit Übelkeit und Kopfschmerzen begann 2008. Zu dieser Zeit nahmen nach und nach Handys und Computer Einzug im Reihenhaus der fünfköpfigen Familie in Faistenau. Die Kinder waren 16, 14 und elf Jahre alt. „Erst brachte ich die Symptome mit der Pubertät der Kinder in Zusammenhang. Auch nachdem ich nach Telefonaten mit dem Handy immer erschöpft war, habe ich mir noch nicht viel gedacht“, sagt die heute 47-Jährige.

 

 

Erhöhter Augendruck, Herzrasen, Hautbrennen ...

Im Lauf der Zeit kamen erhöhter Augendruck, Herzrasen, Hautbrennen mit Ausschlag im Gesicht und extremer Harndrang dazu. „Dann hatte ich Ein- und Durchschlafstörungen. Ich hab’ mich hundemüde ins Bett gelegt und konnte nicht schlafen.“

Bis 2013 hat sich das Ganze hingezogen. Hausarzt, Psychiater, Hormonspezialisten diagnostizierten der Friseurin in Hof, zuletzt in Thalgau, als erste Diagnose ein Burnout, versorgten sie mit Beruhigungstabletten und chemischen Keulen. Noch wusste niemand,wo das Ganze herkommt. 2012/13 machte Daniela Pichler ihr Diplom zur Arztassistentin, ihrem Traumjob. Bald darauf entdeckte sie eine Geschwulst in der rechten Hand, die sich als bösartiger Tumor entpuppen sollte. „Eigentlich wollte ich wieder beruflich durchstarten.“ Die Operation verlief gut, auch ihre Hand konnte gerettet werden. An den anderen Symptomen änderte sich jedoch nichts. „Man hat alles auf den Tumor geschoben.“

Die empfindsame Frau hat gemerkt, dass Spaziergänge im Wald sofortige Linderung brachten. Dafür ist es 2014 im Haus immer schlimmer geworden. „Ich hatte Panikattacken, Schwindel, Appetitlosigkeit und Kopfschmerzen in einer noch nie dagewesenen Form; die Steigerung der Symptome bis zur kompletten Schlaflosigkeit.“ Die dreifache Mutter legte einen Ärzte-Marathon hin: Kopf-MRT, Augen-, HNO-Arzt, Neurologen, Psychotherapeut etc. Niemand konnte ihr helfen. Auch nicht Mann Christian, der immer zu ihr gehalten hat. Ohne seine Hilfe hätte ich schon ein Ende gehabt.“ 

„Du wirst als psychisch krank abgestempelt und kommst sofort in eine Schublade.“

Daniela Pichler begann, in der Tiefgarage im Auto zu schlafen. „Da waren die Symtome sofort weg.“ Ein Radiästhesist fragte nach Elektrosmog. „Wir haben nur das Normale“, antwortete sie ihm. Umweltmediziner Gerd Oberfeld äußerte den Verdacht auf EHS und empfahl die Messung von elektrischen und magnetischen Feldern sowie der Funkstrahlung. Baubiologe Dietrich Moldan eruierte dann vor allem eine WLAN-Strahlung aus der anderen Doppelhaushälfte. „Wir hatten keinen Funk.“ Auch aufgrund der Uneinsichtigkeit der Nachbarn schlief sie drei Jahre lang bei ihren Eltern im Haus. Nur für kurze Hausarbeiten und um ihrer Tochter Frühstück zu machen, kam sie nach Hause. Vor fünf Monaten ist die Familie nach Hintersee in ein Haus übersiedelt. Das Schlafzimmer ist mit schwarzer Graphitfarbe gestrichen. Und zur geringfügigen Arbeit in einer Gärtnerei trägt Daniela Pichler Abschirmkleidung. „Ich musste viel Spott und Hohn hinnehmen.“ Ihr Wunsch ist es, Leute auf EHS zu sensibilisieren. Seit 2003 gibt es eine Selbsthilfegruppe. „Wir haben es mit zunehmend jüngeren Personen zu tun, die unter einer allergieähnlichen Unverträglichkeit gegenüber elektromagnetischen Feldern leiden. Ihre körperlichen Beschwerden bessern sich beim Aufenthalt in einem funkarmen Gebiet oder verschwinden vollständig“, sagt Peter Müller, Sprecher der Selbsthilfegruppe.

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Daten und Fakten zur Elektrosensibilität

Immer mehr Menschen sind von den Auswirkungen elektrischer und magnetischer Felder sowie elektromagnetischer Strahlung, kurz „Elektrosmog“, im Lebens und Arbeitsbereich betroffen. Der Schweregrad der Elektrosmogkrankheit ist sehr unterschiedlich und reicht von leichten vorübergehenden Symptomen bis zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Die Selbsthilfegruppe Elektrosmog-Salzburg ist Teil der Selbsthilfe Salzburg, Engelbert-Weiss-Weg 10, 5021 Salzburg. Beratung: Di–Fr: 8–11 Uhr, Tel.+436628889-1803, www.selbsthilfe-salzburg.at Infos bei PeterMüller, Email: arbeitskreis-elektrosmog@gmx.at. Nächstes Treffen:27.Juni, 17.30 Uhr, Seniorenklub Itzling, Kirchenstraße55.

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Ein Kommentar von BirgitKaltenböck

Schmerzfreies Leben in Funklöchern

Eine Zeit ohne Computer, iPad, Handy – und keine Internetverbindung. Das tut gut. Am Wochenende bleibt das Handy zu Hause oder es wird im Urlaub nur dann aktiviert, wenn man es wirklich braucht. Eine Unterkunft – privat oder im Urlaub – ohne WLAN-Zugang ist heute für die meisten undenkbar, oft gar eine Katastrophe. Mit einem wirklichen Drama konfrontiert sind jene Menschen, die an Elektro-Hypersensibilität (EHS) leiden – wie Daniela Pichler. Sie wurde schwer krank, verlor ihren Job und musste letztendlich mit ihrer Familie die Reihenhaussiedlung verlassen, um in einem halbwegs allein stehenden Haus wieder durchatmen zu können. Verspottet und verhöhnt wurde die dreifache Mutter, die vorerst mit der Diagnose „Burn-out“ bedacht wurde. Hätte sie nicht einen liebenden Mann und eine verständnisvolle Familie an der Seite, hätte sie alle Lust am Leben verloren – und wäre zum Sozialfall geworden.

Mobilfunkmasten bestrahlen nahezu lückenlos das Land; Hotspots in Zug und S-Bahn, in Gaststätten, Krankenhäusern, auf Almhütten sorgen für pausenlosen Eintritt ins Internet. Wohnungen und Arbeitsplätze sind voller Schnurlostelefone und WLAN-Verbindungen. Für elektro-hypersensible Menschen bedeutet das ein Leben mit Schlaflosigkeit, Übelkeit, Kopfweh, Erschöpfung, Herzrasen ... Wird in Schweden EHS als Behinderung anerkannt und in Paris WLAN aus Bibliotheken verbannt, ist es bei uns höchst an der Zeit, wenigstens gefühlvoll mit dem Thema umzugehen. Es kann nicht sein, jene Menschen zu verspotten, die zu Hause Kabel-Internet nutzen und das Leben nur in abgeschirmten Räumen und Funklöchern ertragen. Dass eine WLAN-freie Zeit viel Erholung bringt, das ist nichts Neues, auch nicht für Menschen mit dickerem Panzer.

Publikation zum Thema

5. Auflage November 2020Format: A5Seitenanzahl: 60 Veröffentlicht am: 01.11.2020 Bestellnr.: 101Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk | Titelfoto: Drobot Dean stock.adobe.com

Elektrostress im Alltag

Anregungen zur Minimierung - Was jeder selbst tun kann
Autor:
Dr. G. Oberfeld (Land Salzburg), Dipl.-Ing. J. Gutbier (diagnose:funk)
Inhalt:
Seit September 2018 ist der vollständig überarbeitete Ratgeber "Elektrosmog im Alltag" mit dem veränderten Titel "Elektrostress im Alltag" erhältlich. Die nun vorliegende 5. Auflage wurde von 56 auf 60 Seiten erweitert. Wieder mit dabei ist die Landessanitätsdirektion Salzburg, auf deren „Informationsmappe Elektrosmog“ von 2008 diese Broschüre aufbaut. Mit einfacher Sprache, kurzen Texten, über 150 Bildern, Grafiken und Tabellen sowie einfache Icons für jede Empfehlung wird versucht, das komplexe Thema der Elektromagnetischen Felder (EMF) für Laien verständlich zu erläutern. Hilfestellung zur Selbsthilfe durch Prävention ist das Anliegen der Autoren. Wir danken Dr. Martin Virnich, Dr. Dietrich Moldan, Dirk Herberg und Dipl. Ing. Dietrich Ruoff für ihre Unterstützung bei der Erstellung.
Auflage Januar 2017Format: A4Seitenanzahl: 84 Veröffentlicht am: 28.09.2016 Bestellnr.: 591Sprache: DeutschHerausgeber: Europäische Akademie für Umweltmedizin (EUROPAEM) – Arbeitsgruppe EMF

EUROPAEM EMF‐Leitlinie 2016 zur Prävention, Diagnostik und Therapie EMF‐bedingter Beschwerden und Krankheiten

Europäische Akademie für Umweltmedizin (EUROPAEM) – Arbeitsgruppe EMF
Autor:
Igor Belyaev, Amy Dean, Horst Eger, Gerhard Hubmann, Reinhold Jandrisovits, Markus Kern, Michael Kundi, Hanns Moshammer, Piero Lercher, Kurt Müller, Gerd Oberfeld*, Peter Ohnsorge, Peter Pelzmann, Claus Scheingraber und Roby Thill
Inhalt:
Ärzte werden immer häufiger mit Beschwerden unbekannter Ursache konfrontiert. Studien, empirische Beobachtungen und Berichte von Patienten weisen ganz eindeutig auf Wechselwirkungen zwischen Beschwerden und der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern (EMF) hin. Die individuelle Empfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen wird jedoch meist außer Acht gelassen.
29.05.2016Format: A4Seitenanzahl: 35 Veröffentlicht am: 27.07.2016 Sprache: EnglischHerausgeber: EUROPAEM-European Academy for Environmental Medicine

EUROPAEM EMF Guideline 2016 for the prevention, diagnosis and treatment of EMF-related health problems and illnesses

EUROPAEM-European Academy for Environmental Medicine
Autor:
Igor Belyaev, Amy Dean, Horst Eger, Gerhard Hubmann, Reinhold Jandrisovits, Markus Kern, Michael Kundi, Hanns Moshammer, Piero Lercher, Kurt Müller, Gerd Oberfeld*, Peter Ohnsorge, Peter Pelzmann, Claus Scheingraber and Roby Thill
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