Lübecker Studie: Handystrahlung macht dick!

Ergebnisse der Grundlagenforschung durch Studie an Menschen bestätigt
Handystrahlung steigert den Appetit, die Nahrungsaufnahme und trägt zur Fettleibigkeit bei. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Lübeck (Wardzinski et al. 2022). Wie ist dies zu erklären?
Macht Mobilfunk dick?Illustration: Thorsten Kirsch

Die stundenlange Smartphone-Nutzung führt zur Bewegungsarmut mit der Folge von Übergewicht. Dieser Zusammenhang zwischen Handynutzung und Adipositas liegt auf der Hand. Doch wie ist der Zusammenhang mit Strahlung? Das untersuchte eine Forschungsgruppe in Lübeck.

Bereits bekannte Experimente mit bestrahlten Ratten ergaben, dass das Körpergewicht bei den erwachsenen Tieren anstieg. Ein anderes Experiment zeigte, dass bestrahlte Tiere mehr Futter aufnahmen als die Kontrolltiere (Studien dazu bei Wardzinski et al.). Vor diesem Hintergrund fragten sich die Wissenschaftler der Universität Lübeck, ob zwischen Mobilfunkstrahlung und Nahrungsaufnahme eine Verbindung besteht. Weil gepulste und amplitudenmodulierte Mikrowellen bei Ratten die Homöostase im Gehirn beeinflussen und der Energiestatus im Gehirn eine wichtige Rolle bei der Nahrungsaufnahme und der Körpergewichtsregulation spielt, prüften die Forscher, ob die Mobilfunkstrahlung auf die Energiehomöostase des Gehirns einwirkt und so die Nahrungsaufnahme beeinflusst.[1] Jetzt wurde die Studie publiziert:

  • Wardzinski EK, Jauch-Chara K, Haars S, Melchert UH, Scholand-Engler HG, Oltmanns KM, (2022): Mobile Phone Radiation Deflects Brain Energy Homeostasis and Prompts Human Food Ingestion. Nutrients 14, 339

Im neuen ElektrosmogReport wird das Ergebnis dieser Studie, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde, ausführlich besprochen:

  • „Erstaunlicherweise stieg bei 13 der 15 Probanden bei beiden Mobilfunkgeräten (Zwei 900 MHz-Telefone) die Kalorienaufnahme hochsignifikant um 22–27 % gegenüber der Scheinbestrahlung an, hauptsächlich durch vermehrte Aufnahme von Kohlenhydraten ... Die Untersuchung der Nahrungsbestandteile ergab nach der Bestrahlung neben der erhöhten Aufnahme von Kohlehydraten an 2. Stelle mehr Proteine, die Fettzufuhr war als Trend nur bei Telefon 2 leicht erhöht.“
  • „Darüber hinaus wurden in diesem Experiment Veränderungen der Energie-Homöostase im Gehirn festgestellt. Der Anstieg des hochenergetischen Phosphatstoffwechsels nach Einwirken der Mobilfunkstrahlung könnte darauf hindeuten, dass der Glucosebedarf zur Aufrechterhaltung der Homöostase in den Nervenzellen erhöht ist. Das ergibt eine fundamentale Bedeutung für alle Hirnfunktionen, mit Einfluss auf mentale Gesundheit, Verhalten und auf weitere Organe. Mögliche Störungen durch elektromagnetische Felder könnten daher einige allgemeine neurobiologische Wirkungen haben, die noch nicht überschaubar sind. Besonders Kinder und Jugendliche sind betroffen, da sie vom Beginn ihres Lebens der Strahlung ausgesetzt sind und deren Gehirn signifikant mehr Strahlung aufnimmt, die tiefer in das Gehirn eindringt, z. B. in den Hypothalamus.“[2]

>>> Zur Rezension der Studie im ElektrosmogReport 2022-1.

Die Studie von Wardzinski et al. liefert ein klinisches Ergebnis, über das Eltern, Pädagogen, Mediziner und Kinderschutzbünde unterrichtet werden sollten. Kinder und Jugendliche sind demnach drei dickmachenden Faktoren durch Handynutzung ausgesetzt, (i) durch die Bewegungsarmut, (ii) die Sucht, v.a. durch das Triggern des Belohnungssystems durch die Reizüberflutung, (iii) und jetzt nachgewiesen: durch die Einwirkung der Strahlung auf den Gehirnstoffwechsel. Alle drei Faktoren verstärken sich gegenseitig.

>>> Lesen Sie mehr zu dieser Studie und weiteren zur Wirkung der Strahlung auf das Gehirn im neuen ElektrosmogReport 2022-1

Nora Volkow, SuchtforscherinFoto: Mary Noble Ours

Grundlagenforschung 2011: Glukosestoffwechsel wird durch Handystrahlung beeinflusst

Bereits 2011 ergab die damals vielbeachtete Studie von Volkow et al., dass Handystrahlung sich auf den Glukosestoffwechsel, der den Appetit beeinflusst, auswirkt. Die Studie fand auch deshalb große Beachtung, weil die Studienleiterin Nora D. Volkow Direktorin des US National Institute on Drug Abuse (NIDA) war und noch ist.[3]

 

 

 

 

Volkow et al. machten damals noch keine Aussagen zu gesundheitlichen Folgen ihres Ergebnisses. Das EMF-Portal schrieb 2011 zu den Ergebnissen:

  • „Der Gesamt-Hirn-Stoffwechsel war zwischen den Mobiltelefon "An"- und "Aus"-Bedingungen nicht unterschiedlich. Im Gegensatz dazu war der Stoffwechsel in der Region, die der Antenne am nächsten lag (temporaler Pol und orbitofrontaler Kortex), in der "An"-Bedingung signifikant höher als in der "Aus"-Bedingung. Die Anstiege waren signifikant mit den geschätzten elektromagnetischen Feld-Amplituden korreliert, sowohl für den absoluten Stoffwechsel als auch für den normalisierten Stoffwechsel (Region/Gesamthirn).
  • Im Vergleich zur Schein-Exposition war die 50-minütige Handy-Exposition mit einem erhöhten Hirn-Glukose-Stoffwechsel in der Region, die der Antenne am nächsten war, verbunden. Insgesamt liefert diese Studie die Evidenz dafür, dass eine hochfrequente elektromagnetische Feld-Exposition durch die Handy-Nutzung bei Menschen die Gehirn-Funktion beeinflusst, wie durch die regionalen Anstiege der metabolischen Aktivität gezeigt wurde. Das Ergebnis ist von unbekannter klinischer Bedeutung.“[4]

Die Ärztezeitung berichtet 2011 über die US-Studie

Über dieses Ergebnis der Gruppe um Nora Volkow berichtete auch die Ärztezeitung: 

  • [...] "47 Studienteilnehmer erhielten für 50 Minuten an beide Ohren ein Mobiltelefon. In einem Durchgang war das rechte Handy eingeschaltet, im zweiten Durchgang waren beide Telefone ausgeschaltet. Der Glukose-Stoffwechsel wurde durch vorherige Injektion von 18F-markierter Glukose anschließend im PETScan sichtbar gemacht. Die Ergebnisse: Ausschließlich in den Gehirnbereichen in unmittelbarer Nähe zur Antenne des Telefons war der Glukose-Stoffwechsel verändert. In diesen Regionen führten die elektromagnetischen Wellen zu einem um sieben Prozent erhöhten Glukose-Umsatz. Der Rest des Gehirns war unbeeinflusst. Dies sei ein Indikator für eine höhere Absorption der Handystrahlung durch die Zellen, schreiben die Forscher. Das Ausmaß der Verstärkung des Glukose-Umsatzes war zudem abhängig von der Amplitude der elektromagnetischen Wellen. Wie allerdings die Handystrahlung auf den Glukose-Metabolismus wirkt, sei noch unklar. Die Forderung der Forscher: mehr Studien dazu. Diese Forderung ist auch Inhalt eines Editorials zu der Studie (JAMA 2011; 305: 828). Zum einen müsse die biologische Relevanz des erhöhten Glukose-Metabolismus erforscht werden. Zum anderen müsse untersucht werden, ob das Gehirn durch Handys mit höherer energetischer Strahlung chronisch geschädigt werde."[5]

Auch Prof. Lennart Hardell (Schweden), und Henry Lai PhD (USA) erkannten damals die Bedeutung der Entdeckung von Volkow et al. und schrieben in ihrem Artikel an die Herausgeber von JAMA (Journal of the American Medical Association): „Obwohl die biologische Bedeutung des erhöhten Glukosestoffwechsels durch akute Handyexposition unbekannt ist, rechtfertigen die Ergebnisse weitere Untersuchungen.“[6]

Die Praxisrelevanz dieser Studie von Volkow et al. wiesen nun die Lübecker Wissenschaftler nach.

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Studie Wardzinski et al. Deckblatt Studie

Original Abstract Wardzinski et al. 2022

„Unsere Studie am Menschen zeigt, dass die von Mobiltelefonen ausgehende RF-EMF-Strahlung zu einer signifikant erhöhten Nahrungsaufnahme, insbesondere von Kohlenhydraten, führt.

Außerdem wurde nach der Nutzung von Mobiltelefonen ein gestörter zerebraler Hochenergiephosphat-Stoffwechsel festgestellt, der eng mit der Nahrungsaufnahme und dem Körpergewicht zusammenhängt. Daher identifizieren unsere Ergebnisse RF-EMFs als einen potentiellen Faktor, der zu übermäßigem Essen beim Menschen beiträgt, das der weltweiten Fettleibigkeitsepidemie zugrunde liegt.

 

Darüber hinaus können unsere Daten über RF-EMF-induzierte Veränderungen der Energiehomöostase des Gehirns, wie sie hier beobachtet wurden, in einen breiteren Kontext gestellt werden, denn eine ausgeglichene zentralnervöse Energiehomöostase ist von grundlegender Bedeutung, nicht nur für die Regulierung der Nahrungsaufnahme und des Körpergewichts, sondern auch für alle Gehirnfunktionen.

Deshalb wurde die hohe Priorität dieses Forschungsgebiets bereits vor langer Zeit in der der WHO-Forschungsagenda für hochfrequente Felder [65] betont. Vielleicht können unsere Daten als erster Schritt zu einer tieferen Einsicht in dieses Thema dienen und eine neue Perspektive in der neurobiologischen und Adipositas-Forschung eröffnen."

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„Our human study demonstrates that the RF-EMFs radiation emitted by mobile phonesresults in significantly increased food ingestion, particularly carbohydrate intake. Moreover,a deflected cerebral high-energy phosphate metabolism, which is closely related to food intake and body weight, was found after mobile phone use. Therefore, our results identify RF-EMFs as a potential contributing factor to overeating in humans, which underlies the worldwide obesity epidemic.

Beyond this, RF-EMF-induced alterations of the brain energy homeostasis, as observed here, may put our data into a broader context because a balanced central nervous energy homeostasis is of fundamental importance, not only for the regulation of food intake and body weight, but also for all brain functions.

Therefore, with good cause, the high priority of this research field was already emphasized a long time ago by the WHO Research Agenda for Radiofrequency Fields [65]. Perhaps our data could serve as first step towards deeper insight into this issue and open a new perspective in neurobiological and obesity research.“

Quellen

[1] Wardzinski EK, Jauch-Chara K, Haars S, Melchert UH, Scholand-Engler HG, Oltmanns KM, (2022): Mobile Phone Radiation Deflects Brain Energy Homeostasis and Prompts Human Food Ingestion. Nutrients 14, 339; https://doi.org/10.3390/nu14020339,

Volltext: https://www.mdpi.com/2072-6643/14/2/339/pdf,

Rezension deutsch: https://www.emfdata.org/de/studien/detail&id=625

[2] https://www.emfdata.org/de/elektrosmogreport/detail&id=18

[3] https://nida.nih.gov/about-nida/directors-page, https://nida.nih.gov/about-nida/directors-page/biography-dr-nora-volkow

[4] Volkow ND, Tomasi D, Wang GJ, Vaska P, Fowler JS, Telang F, Alexoff D, Logan J, Wong C (2011): Effects of cell phone radiofrequency signal exposure on brain glucose metabolism. [Wirkungen von Handy-Hochfrequenz-Exposition auf den Glukose-Stoffwechsel im Gehirn]JAMA 2011; 305 (8): 808-813; https://www.emf-portal.org/de/article/19036

Volltext: https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/645813, https://www.emfdata.org/de/studien/detail?id=348

[5] https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Schaedigen-Mobiltelefone-doch-das-menschliche-Hirn-257232.html

[6] Lai / Hardell: JAMA, February 23, 2011—Vol 305, No. 8 (Reprinted)

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