Brennpunkt: Wissenschaftlicher Dienst des EU-Parlaments benennt Mobilfunkrisiken

"Studien deuten darauf hin, dass 5G die Gesundheit von Menschen, Pflanzen, Tieren, Insekten und Mikroben beeinträchtigen könnte!"
Mit dem Dokument "Effects of 5G wireless communication on human health" weist der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments auf die Risiken der 5G-Mobilfunktechnologie hin. Der eindeutige Tenor: Aufgrund des Forschungsstandes darf 5G nicht eingeführt werden.

Das Briefing ist eine Entscheidungsgrundlage für EU-Abgeordnete, also noch nicht unter dem Druck der Mobilfunkindustrie geglättet oder verwässert. Im Briefing werden all die Beschlüsse von EU-Gremien seit 1999 aufgezählt, in denen immer wieder auf die Gesundheitsgefahren hingewiesen wird und die Regierungen aufgefordert werden, Schutzmaßnahmen zu ergreifen und Verbraucher:innen über Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkstrahlung aufzuklären. Diese EU-Beschlüsse wurden in Deutschland nie umgesetzt. Im Gegenteil: Die Verharmlosungspolitik herrscht bis heute vor.

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Die Hauptaussagen des EU-Briefings [1] zu Gesundheitsgefahren durch 5G lauten:

  • "Die derzeitigen Vorsorgebestimmungen der EU über die Exposition gegenüber drahtlosen Signalen, die Empfehlung des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz bis 300 GHz), ist nun 20 Jahre alt und berücksichtigt daher nicht die spezifischen technischen Merkmale von 5G."
  • "Studien zeigen, dass gepulste EMF (Elektromagnetische Felder) in den meisten Fällen biologisch aktiver und daher gefährlicher sind als nicht gepulste EMF. Jedes einzelne drahtlose Kommunikationsgerät kommuniziert zumindest teilweise über Pulsationen, und je intelligenter das Gerät, desto mehr Pulsationen. Folglich kann 5G zwar leistungsmäßig schwach sein, aber seine dauerhaft künstliche Impulsstrahlung kann Wirkung zeigen. Zusammen mit der Art und Dauer der Exposition scheinen Eigenschaften des 5G-Signals wie das Pulsieren die biologischen und gesundheitlichen Auswirkungen der Exposition zu verstärken, einschließlich der DNA-Schäden, die als Ursache für Krebs angesehen werden. DNA-Schäden werden auch mit dem Rückgang der Fortpflanzungsfähigkeit und neurodegenerativen Krankheiten in Verbindung gebracht."
  • "Die jüngste wissenschaftliche Literatur zeigt, dass kontinuierliche drahtlose Strahlung biologische Auswirkungen zu haben scheint, insbesondere wenn man die besonderen Eigenschaften von 5G berücksichtigt: die Kombination von Millimeterwellen, eine höhere Frequenz, die Anzahl der Sender und die Anzahl der Verbindungen. Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass 5G die Gesundheit von Menschen, Pflanzen, Tieren, Insekten und Mikroben beeinträchtigen könnte - und da 5G eine noch nicht getestete Technologie ist, wäre ein vorsichtiger Ansatz angebracht. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, die Vereinbarungen von Helsinki und andere internationale Verträge erkennen an, dass ein erklärtes und informiertes Einverständnis der Betroffenen - bevor es zu Eingriffen kommt, welche die menschliche Gesundheit beeinträchtigen - ein wesentliches, grundlegendes Menschenrecht ist. Dieses Recht muss noch kontroverser diskutiert werden, wenn man die Exposition von Kindern und Jugendlichen in Betracht zieht."
  • Den Argumenten, wonach die Studienergebnisse der NTP-Studie angeblich keine Relevanz für Menschen hätten, wird mit den Argumenten der NTP-Forscher entgegengetreten: "Nach Ansicht des Autors war die Expositionsintensität im Gehirn von Ratten in der NTP-Studie ähnlich wie die potenzielle Exposition von Menschen durch Mobiltelefone."
  • "Die Europäische Kommission hat noch keine Studien über die potenziellen Gesundheitsrisiken der 5G-Technologie durchgeführt."

Das EU-Papier deckt sich in der Hauptaussage mit den Appellen von Wissenschaftlern und würdigt die Appelle, die ein Moratorium für 5G fordern.

Neuer Review stützt die Einschätzung des EU-Briefing

Weitere neue Dokumente stützen diese Forderung nach einem Stopp von 5G und einer Technikfolgenabschätzung. In dem Review zu 5G von Kostoff et al. (2020), einem Team von US-amerikanischen und griechischen Toxikologen mit dem Titel "Gesundheits­schädliche Auswir­kungen des 5G-Mobilfunks unter realen Anwendungsbedingungen" heißt es in den Schluss­folgerungen:

  • "Leider gibt es eine große Datenlage aus Labor- und epidemiologischen Studien, die zeigt, dass frühere und gegenwärtige Generationen drahtloser Netzwerktechnologien erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben."

Wenn man die Strahlung in Kombination mit anderen schädigenden Umwelteinwirkungen betrachte, was bisher gar nicht gemacht wird, würden die negativen Auswirkungen der Strahlung erheblich verstärkt. Und:

  • "Die Überlagerung einer bereits vorhandenen toxischen drahtlosen Strahlungsumgebung mit 5G-Strahlung wird die bereits nachgewie­se­­nen nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit noch verstärken. Weit mehr Forschung und Tests von potenziellen 5G-Gesundheitseffekten unter realen Bedingungen sind erforderlich, bevor eine weitere Einführung gerechtfertigt ist."[2]

Im Review von Simko / Mattson (2019), Auftraggeber die Telekom, werden 94 Studien zu Millimeterwellen analysiert: "Achtzig Prozent der in vivo-Studien zeigten Reaktionen auf die Exposition, bei 58% der in vitro-Studien wurden Effekte nachgewiesen." [3] Es wurden sowohl thermische als auch nicht-thermische Effekte bei unterschiedlichsten Feldstärken nachgewiesen. Simko et al. schreiben: "Die verfügbaren Studien liefern keine ausreichenden und zufriedenstellenden Informationen für eine aussagekräftige Sicherheitsbewer­tung oder zu der Frage nach nicht-thermischen Effekten. Es besteht Forschungsbedarf zu folgenden Themen: lokale Wärmeentwicklung auf kleinen Oberflächen, z.B. Haut oder Auge, und zu anderen Umwelteinflüssen." Es wird auch dezidiert der Forschungsbedarf zur Wirkung auf Insekten angespro­chen (S.8).

In einer weiteren Analyse von Blackman/Forge (2019) für das EU-Parlament zu 5G wird festgestellt, dass niemand gesichert wisse, wie sich die 5G-Installation auf die menschlichen Zellen, auf alle Lebewesen und die Natur auswirken werde:

  • "Es gibt erhebliche Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit, die sich aus einer potenziell viel höheren Belastung durch hochfrequente elektromagne­tische Strahlung durch 5G ergeben könnten. Eine erhöhte Exposition kann sich nicht nur aus der Verwendung wesentlich höherer Frequenzen bei 5G ergeben, sondern auch aus dem Potenzial der Bündelung verschiedener Signale, ihrer Dynamik und den komplexen Interferenzeffekten, die insbesondere in dichten Stadtgebieten auftreten können.
  • Die 5G-Funkemissionsfelder unterscheiden sich deutlich von denen früherer Generationen durch ihre komplexen strahlförmigen Übertragungen in beide Richtungen - von der Basisstation über das Mobilteil und zurück. Obwohl die Felder der Strahlen stark fokussiert werden, variieren sie schnell mit Zeit und Bewegung und sind daher unvorhersehbar, da die Signalpegel und -muster als geschlossenes System interagieren. Dies muss noch zuverlässig für reale Situationen außerhalb des Labors abgebildet werden.“ [4]

Argumentation der deutschen Behörden

Nach Professor James C. Lins Artikel zur Relevanz der NTP- und Ramazzini-Studien (siehe diagnose:funk Brennpunkt Januar 2020) widerlegt nun auch das vorliegende EU-Papier die Hauptargumente der deutschen Behörden, insbesondere des Bundesamtes für Strahlenschutz, mit denen die scheinbare Unbedenklichkeit der nicht-ionisierenden Strahlung gerechtfertigt wird:

  • Die Forschung habe ergeben, dass von den bisher genutzten Frequenzen (GSM, UMTS, LTE) keine Gesundheitsgefahr ausginge.
  • Die Feldstärken (SAR-Werte) der NTP-Studie seien so hoch, dass ihre Ergebnisse nicht auf den Normalbetrieb des Mobilfunks übertragen werden könnten.
  • Es sei noch nie gelungen, solche Ergebnisse zu reproduzieren.
  • Ergebnisse von Tierversuchen würden sich nicht auf den Menschen übertragen lassen.
  • Ein kausaler Zusammenhang hätte noch nie nachgewiesen werden können. Ein möglicher Wirkmechanismus fehle.[5]
  • Nichtionisierende Strahlung habe nicht die Energie, Zellen zu schädigen.
  • Unterhalb des Grenzwertes gebe es keine Nachweise auf Gesundheitsschäden.

All diese Scheinargumente sind in der internationalen wissenschaftlichen Literatur sowie im vorliegenden EU-Papier widerlegt. diagnose:funk bezeichnet es als verantwortungslos gegenüber der Gesundheit von Mensch und Natur, dass 5G-Mobilfunk dennoch bereits aufgebaut wird. Mit 8 Forderungen zeigt diagnose:funk, wie eine strahlungs­mini­mierte Mobilfunk­versorgung technisch und politisch möglich ist. diagnose:funk unterstützt außerdem die bundesweite Bewegung, dass die Gemeinderäte für ihre Kommunen den Stopp von 5G (Moratorium) beschließen, wie dies bereits in Brüssel, Genf, Rom, Florenz sowie in Kommunen in Südtirol und Bayern geschehen ist.[6] Das EU-Papier wird in den Kommunen dazu beitragen, die Auseinandersetzung über 5G-Mobilfunk zu versachlichen.

8 Forderungen von diagnose-funk für kommunale Regelungen

  1. Breitbandnetze (Glasfaser) als Eigenwirtschaftsbetrieb müssen als Teil der Daseinsvorsorge von den Kommunen betrieben werden. Keine Vergabe von Infrastrukturprojekten an ein Monopol. Glasfasernetze sind die Grundlage zur Umsetzung einer strahlungsarmen Mobilfunkversorgung.
  2. Trennung der Indoor- und Outdoor-Versorgung zum Schutz der Wohnung vor Strahlung muss Grundlage jeder Mobilfunkplanung sein. Neue Technik muss nachweisbar zu weniger Elektrosmog führen. Kleinzellennetze sind nur dann sinnvoll, wenn sie zu einer deutlichen Senkung der Strahlenbelastung führen.
  3. Ein Netz für alle: Es braucht nur ein Mobilfunknetz für alle Betreiber und Nutzer, wie bei Strom, Gas und im Straßenbau. Verpflichtendes Roaming für alle Mobilfunkbetreiber muss umgesetzt werden.
  4. Unabhängige Technikfolgenabschätzung ist Pflicht. Sie muss durch eine industrie- und regierungsunabhängige Kommission unter Beteiligung bürgerschaftlicher Interessenverbände erfolgen. Ohne Bewertung der Forschungsergebnisse über die Wirkungen der 5G-Frequenzen auf Mensch, Tier und Natur darf 5G nicht eingeführt werden.
  5. Beweislastumkehr: Industrie und Staat müssen die Gesundheitsverträglichkeit der Mikrowellenstrahlung belegen.
  6. Umweltschutz ist Pflicht, die Kommune muss über den Netzausbau (zur SmartCity) ein Gutachten zum ökologischen Fußabdruck vorlegen.
  7. Das Recht, analog leben zu können, ohne digitale Überwachung, ist ein Grundrecht. Die Datenerfassung darf nur mit ausdrücklicher Zustimmung jedes Bürgers erfolgen. Von Jugendlichen unter 16 Jahren dürfen keine Daten erfasst werden.
  8. Erhalt und Schaffung von funkfreien Gebieten für elektrohypersensible Menschen.

Quellen:

[1] EPRS | European Parliamentary Research Service. Autor: Miroslava Karaboytcheva Members' Research Service PE 646.172, February 2020: "Briefing. Effects of 5G wireless communication on human health"

[2] Kostoff RN, Heroux P, Aschner M, Tsatsakis A, ADVERSE HEALTH EFFECTS OF 5G MOBILE NETWORKING TECHNOLOGY UNDER REAL-LIFE CONDITIONS, Toxicology Letters (2020), doi: https://doi.org/10.1016/j.toxlet.2020.01.020; Download: http://www.avaate.org/IMG/pdf/toxicology_letters_pre_proof.pdf

[3] Simkó M, Mattsson MO (2019): 5G Wireless Communication and Health Effects-A Pragmatic Review Based on Available Studies Regarding 6 to 100 GHz. Int J Environ Res Public Health 2019; 16 (18): E3406:

"Abstract: The introduction of the fifth generation (5G) of wireless communication will increase the number of high-frequency-powered base stations and other devices. The question is if such higher frequencies (in this review, 6–100 GHz, millimeter waves, MMW) can have a health impact. This review analyzed 94 relevant publications performing in vivo or in vitro investigations. Each study was characterized for: study type (in vivo, in vitro), biological material (species, cell type, etc.), biological endpoint, exposure (frequency, exposure duration, power density), results, and certain quality criteria. Eighty percent of the in vivo studies showed responses to exposure, while 58% of the in vitro studies demonstrated effcts. The responses affected all biological endpoints studied. There was no consistent relationship between power density, exposure duration, or frequency, and exposure effects. The available studies do not provide adequate and sufficient information for a meaningful safety assessment, or for the question about non-thermal effects. There is a need for research regarding local heat developments on small surfaces, e.g., skin or the eye, and on any environmental impact. Our quality analysis shows that for future studies to be useful for safety assessment, design and implementation need to be significantly improved."

[4] Blackman C, Forge S. (2019): 5G Deployment: State of Play in Europe, USA, and Asia. Study for the Committee on Industry, Research and Energy, Policy Department for Economic, Scientific and Quality of Life Policies, European Parliament, Luxembourg, 2019; diagnose:funk Homepage 12.04.2019,

https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail&newsid=1388, Artikel vom 12.04.2019

[5] "Aber warum sollte ich eine Maßnahme verlangen (Vorsorgeentscheidung Anm. df), wenn ich nicht sicher sagen kann, dass da ein Problem ist? Wenn ich nicht einmal eine Idee habe, wie das biologisch funktionieren kann, dass ich von einem Ausgesetzsein zu einer Wirkung komme." Dr. Inge Paulini, Präsidentin des BfS im TAZ-Interview vom 26.11.2019. https://taz.de/!5640565/

[6] https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail&newsid=1385, Artikel vom 11.04.2019

https://www.diagnose-funk.org/aktuelles/artikel-archiv/detail&newsid=1383, Artikel vom 06.04.2019

Publikation zum Thema

Brennpunkt März 2020Format: DIN A4Seitenanzahl: 13 Veröffentlicht am: 02.03.2020 Bestellnr.: 239Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

EU-Briefing: „Studien deuten darauf hin, dass 5G die Gesundheit von Menschen, Pflanzen, Tieren, Insekten und Mikroben beeinträchtigen könnte!“

Handreichung für Abgeordnete des des Europäischen Parlaments
Autor:
Wissenschaftlicher Dienst der EU
Inhalt:
Dieser Brennpunkt enthält die Übersetzung einer Analyse des wissenschaftlichen Dienstes der Europäischen Union zur 5G Technologie mit dem Titel: "Briefing: Auswirkungen der drahtlosen 5G-Kommunikation auf die menschliche Gesundheit". Die Kernaussage: "Studien deuten darauf hin, dass 5G die Gesundheit von Menschen, Pflanzen, Tieren, Insekten und Mikroben beeinträchtigen könnte!" Das Papier warnt aus drei Gründen vor der Einführung von 5G: Erstens: Die bestehenden Grenzwerte sind auf 5 G nicht anwendbar. Zweitens: Die Studienlage zu den bisherigen Frequenzen, also GSM, UMTS und LTE weist eindeutig nach, dass sie die Gesundheit schädigen können. Drittens: 5G kann diese Risiken erhöhen. Diese Risiken werden im Briefing mit Hinweisen auf zahlreiche Forschungsergebnisse untermauert. Dieses Briefing ist eine Entscheidungsgrundlage für EU-Abgeordnete, also noch nicht unter dem Druck der Mobilfunkindustrie geglättet oder verwässert.
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