Digitalisierung der Energiewende

Protokoll der Bundestagsdebatte: Schlimmer geht immer ...
Am 23.6.2016 hat der Bundestag mit seiner Mehrheit aus Schwarz-Rot das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende beschlossen. Ein Auszug aus den Debattenbeiträgen der Opposition im Bundestag zeigt die Kernpunkte der Kritik an diesem Gesetz auf. Wie ersichtlich, wurde die von den Umweltverbänden formulierte Kritik gehört und verstanden:

Auszüge aus dem Protokoll der Bundestagssitzung vom 23.06.2016: 

Ralph Lenkert (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schlimmer geht immer Diesen schwachsinnigen Gesetzentwurf nochmals zu verschlechtern, hätte ich nicht für möglich gehalten. Aber die Konzernlobbyisten werden es Ihnen danken.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, es geht ausschließlich um den Einbau von intelligenten Stromzählern bei Ihnen zu Hause. Legen Sie schon einmal Geld beiseite, ab 2020 werden die meisten von Ihnen einen solchen Zähler eingebaut bekommen Ihr Vermieter oder ein Messstellenbetreiber legt das für Sie fest Sie haben kein Mitspracherecht, dürfen aber die 60 Euro für den Zähler und die 20 Euro für die jährliche Datenauswertung schon mal bezahlen.

Damit Sie Strom sparen können, zeigt Ihnen eine Anzeige, wie viel Strom Sie gerade verbrauchen Das soll Sie zum Sparen anregen Die Stadtwerke Nürnberg machten einen Versuch bei 600 Stromkunden mit einem ernüchternden Ergebnis: Nichts wurde eingespart.

Nun erklärt diese Regierung, das Gesetz soll Sie, die Stromkunden, dazu anregen, Strom dann zu verbrauchen, wenn es reichlich und genügend billigen Strom gibt. Es gibt keine angebotsabhängigen Tarifangebote für Privatkunden.

Zweitens Das gibt viel Spaß mit Ihren Nachbarn und Vermietern, wenn dann nachts die Waschmaschine plötzlich anspringt.

Es ist doch wirklich toll, wenn das Mittagessen morgens früh um 4 Uhr gekocht wird, weil dann der Stromtarif gerade billig ist Nicht einmal meine Oma glaubt Ihnen, dass man so Strom spart.

Selbst die besten Freunde der Koalition, die Übertragungsnetzbetreiber, sind der Ansicht – hören Sie gut zu! –, dass es bei intelligenten Stromzählern sinnlos ist, sie bei Kunden mit einem Jahresverbrauch unter 20 000 Kilowattstunden einzubauen.

Das nächste Argument von Union und SPD lautet, dieses Gesetz sei notwendig für die Netzstabilität

  1. und dafür, dass mehr Lastmanagement, also gesteuerter Stromverbrauch, möglich wäre

Ich sitze im Beirat der Bundesnetzagentur, der BNetzA Noch nie war die Stromversorgungssicherheit so hoch wie heute, sagt die BNetzA Selbst die Übertragungsnetzbetreiber räumen ein – ich zitiere –: Für den sicheren Betrieb der Stromnetze ist das normale kleine Verbrauchssegment nicht maßgebend

Es gibt sogar noch eine preiswerte Alternative für ein besseres Lastmanagement Die Stadtwerke Nürnberg investierten 17 Millionen Euro in zwei 25 Megawatt fas- sende Warmwasserspeicher, gekoppelt mit einem Kraft- werk mit Wärmenutzung und zwei großen Tauchsiedern Damit könnten die Stadtwerke Nürnberg mehr Regelleis- tung für das Stromnetz bereitstellen, und zwar mehr, als 2,5 Millionen intelligente Stromzähler zum Beispiel über Kühlschränke regeln könnten 17 Million Euro – das macht bei 2,5 Millionen Haushalten einen Kostenanteil von lächerlichen 7 Euro im Vergleich zu den 80 Euro, die Sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern aufdrücken wollen

Liebe Verbraucherinnen und Verbraucher, anstatt diese verbraucherfreundliche Lösung wie in Nürnberg zu unterstützen, führt diese Bundesregierung parallel zu diesem Gesetzentwurf ein Gesetz ein, das den Rahmen für

  1. (B)  Speicher verschlechtert Somit wird mit diesen kein Geld mehr verdient Damit verhindert diese Bundesregierung den Bau weiterer Speicher Gleichzeitig verlagert diese Bundesregierung das Geschäft der Stromabrechnung von den Stadtwerken zu privaten Konzernen

Es ist unverschämt, wie dieser Wirtschaftsminister im Schatten der Europameisterschaft Kommunen und damit unseren Bürgerinnen und Bürgern in die Tasche greift, um seinen Freunden in der Industrie Profite zuzuschanzen und um den Stromzählerherstellern Millionenabsätze auf Jahre hinaus zu sichern.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, dieses Gesetz will nicht nur Ihr Geld, sondern auch Ihre persönlichen Daten Die Zähler können den Verbrauch in Milliwatt erfassen...

 

Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen):

Wir kritisieren, dass die Mieterinnen und Mieter beispielsweise nicht gefragt werden, wenn der Hausbesitzer auf Smart Meter umstellt.

Auch die Hausbesitzer können sich in Zukunft nicht wehren, wenn der grundzuständige Messstellenbetreiber die neuen Zähler zur Pflicht macht. Bezahlen müssen sie die teuren Zähler dann dennoch, und das gefährdet die Akzeptanz der neuen Technologie und letztlich auch der Energiewende.

Dieser Plan zur Markteinführung von sogenannten intelligenten Zählern, den Sie haben, ist also unintelligent – Ja, aber auch sie eröffnet verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen Das kann man feststellen.

Akzeptanz ist die Grundbedingung dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Impulse, die von den Smart Metern ausgehen, reagieren. Hier wäre also Wahlfreiheit statt Einbauzwang die richtige Strategie, wenn es um den Einbau dieser intelligenten Messsysteme geht. Warum lassen Sie also die Privathaushalte nicht selbst entscheiden, ob sie Smart Meter haben wollen oder nicht? Sie haben doch hoffentlich keine Angst vor mündigen Verbrauchern!

Wer weniger als 6.000 Kilowattstunden Strom im Jahr verbraucht, ist nicht derart systemrelevant, dass sich eine sogenannte Lastverschiebung lohnt Wir Grüne wollen deshalb die freie Entscheidung für Kunden mit einem Verbrauch von bis zu 6.000 Kilowattstunden im Jahr und ein Widerspruchsrecht zum Einbau eines intelligenten Messsystems für private Haushaltskunden mit einem Stromverbrauch zwischen 6.000 und 10.000 Kilowattstunden im Jahr.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde mit dem Änderungsantrag der GroKo für die Betreiber von Anlagen für erneuerbare Energien verschlechtert, indem es nun in Zukunft den verp ichtenden Einbau von Smart Metern auch schon für Kleinstanlagen von 1 kW geben soll.

Das betrifft vor allem Betreiber von kleinen Solarstromanlagen Dieser Zwangseinbau von Smart Metern ist netztechnisch über üssig und kostet nur unnötig Geld. Aus meiner Sicht ist das eine weitere Schikane der Großen Koalition Sie wollen jetzt das Engagement der Bürgerinnen und Bürger für die Energiewende mit Steuern, Abgaben und Bürokratie bestrafen.

Hintergrund

Am 4. Nov. 2015 hatte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur "Digitalisierung der Energiewende" verabschiedet, mit dem die Kosten auf den Endverbraucher abgewälzt werden sollten. Zur ersten Lesung im Bundestag am 26. Feb. 2016 hatte die Regierung im "überarbeiteten" Entwurf die umfangreichen Einwände des Bundesrats, welche noch in der Dezembersitzung 2015 vorgebracht wurden, vollständig ignoriert. Die Zwangseinführung und die Entrechtung der Mieter waren immer noch Bestandteil des Gesetzentwurfs und viele Fragen zum Datenschutz offen. Lesen Sie hierzu die Pressemitteilungen der Umwelt- und Verbraucherschutzverbände.

Trotzdem hat der Bundestag mit seiner Mehrheit aus Schwarz-Rot das Gesetz am 23.6.2016 beschlossen. Ein Auszug aus den Debattenbeiträgen der Opposition im Bundestag finden Sie im oben stehenden Artikel.

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Redebeiträge im Parlament

Ralph Lenkert, MdBScreenshot: bundestag.de
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Selbst die besten Freunde der Koalition, die Übertragungsnetzbetreiber, sind der Ansicht – hören Sie gut zu! –, dass es bei intelligenten Stromzählern sinnlos ist, sie bei Kunden mit einem Jahres-verbrauch unter 20 000 Kilowattstunden einzubauen.

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Ralf Lenkert in der Bundestags-debatte zur Digitalisierung der Energiewende
Dr. Julia Verlinden, MdBScreenshot: bundestag.de
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Akzeptanz ist die Grundbedingung dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Impulse, die von den Smart Metern ausgehen, reagieren. Hier wäre also Wahlfreiheit statt Einbauzwang die richtige Strategie, wenn es um den Einbau dieser intelligenten Messsysteme geht.

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Dr. Julia Verlinden in der Bundestagsdebatte zur Digitalisierung der Energiewende
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