Experte fordert: Handys bis 18 verbieten

'Saldo' interviewt Lloyd Morgan
Für Lloyd Morgan ist klar: Hunderttausende Benutzer von Handys werden an einem Hirntumor erkranken. «Handys sollte man bis zum 18. Lebensjahr verbieten!», so der Direktor der Hirntumor-Gesellschaft der USA.

Studienresultate, die das Gegenteil behaupten, hätten krasse Mängel. So etwa die grosse Interphone-Studie im europäischen Raum. Lloyd Morgan ist Direktor der Hirntumor-Gesellschaft der USA. Seit Jahren studiert Morgan die wissenschaftlichen Arbeiten im Zusammenhang mit Hirntumoren und nicht-ionisierenden Strahlen. Er gilt deshalb als einer der weltweit kompetentesten Kritiker der Mobilfunkindustrie. Im Jahr 1995 erkrankte er an einem Hirntumor.

Herr Morgan, warum sind Sie überzeugt, dass die Handy-Strahlen krank machen?
Die Fakten sind überwältigend, es gibt genügend wissenschaftliche Beweise dafür.

Wie schädlich sind denn die Strahlen?
Es gibt klare Beweise, dass Handy-Strahlen Hirntumore erzeugen können.

Fälle von Hirntumoren nahmen aber in den letzten zehn Jahren nicht zu. Die Handy-Industrie und einige Wissenschafter verneinen deshalb den Zusammenhang zwischen Handy-Gebrauch und Hirntumor.

Es kann mehr als dreissig Jahre dauern, bis ein solcher Tumor ausbricht. Heute erkranken in den USA jährlich rund 50000 Menschen an einem Hirntumor. Wenn wir nichts unternehmen, wird es in 20 Jahren über 130 000 Fälle pro Jahr geben. Andere Berechnungen sprechen gar von bis zu 4 Millionen Menschen, die wegen des Handys einen Hirntumor bekommen. Allein in den USA.

Das ist eine Horrorvision. Woher stammen diese Zahlen?
Es sind Berechnungen von mir.

Wie erklären Sie sich den eklatanten Unterschied zwischen Ihren Beurteilungen und denen der Industrie?
Die Industrie blendet die Risiken aus und stiftet Verwirrung. Sie sagt, es gäbe mehrere Studien, die beweisen, dass Handys
ungefährlich seien – und andere, die das Gegenteil zeigten. Deshalb sei das Ganze nicht so einfach. Sie verwischen Fakten und streuen Zweifel. Wissenschafter entwerfen zudem die Studien so, dass sie am Ende gar keine klaren Ergebnisse erhalten. Das machen sie mit Absicht.

Warum soll denn die Wissenschaft nicht an klaren Studienergebnissen interessiert sein?
Die Mobilfunkindustrie finanziert meist die Studien dieser Wissenschafter. Und diese wollen nicht in die Hand beissen, die sie füttert. Bei den meisten Studien besteht deshalb ein Interessenkonflikt. Dies trifft auch auf die Interphone-Studie in Europa zu (siehe unten).

Immerhin handelt es sich dabei um die grösste je gemachte Studie zum Thema: Was soll an der Interphone- Studie nicht richtig sein?
Die Hälfte des Budgets – 3,5 Millionen Euro – stammt von der Industrie. Selbst der Aufbau des Studienkonzepts war mangelhaft. Dies verfälschte am Schluss auch die Resultate. Ein Teilergebnis der Interphone-Studie ist etwa, dass die Nutzung eines Handys den Benutzer vor Hirntumor schützt. Das ist widersinnig und kann gar nicht sein! Doch jetzt erklären die Verantwortlichen der Studie einfach, es bestehe kein gesundheitliches Risiko, wenn man mit dem Handy telefoniere. Sie verschweigen, dass das eigentliche Resultat der Studie völlig unbrauchbar ist. Sie wissen selbst, dass das gar nicht sein kann.

Was sind das konkret für Mängel?
Die Interphone-Studie hat mehrere grosse Mängel. Einer davon ist, dass jemand als «regelmässiger Nutzer» gilt, wenn er das Mobiltelefon mindestens einmal wöchentlich während mindestens sechs Monaten benutzte. Das ist weltfremd: Die meisten Menschen benützen ihr Handy viel häufiger.

Sie kritisieren zudem, dass junge Erwachsene und Kinder von der Studie ausgeschlossen waren. Weshalb?
Kinder haben ein wesentlich höheres Tumorrisiko, wenn sie Handy-Strahlen ausgesetzt sind.

Aber Kinder werden kaum schon während zehn Jahren ein Handy benutzt haben.
Ja, aber trotzdem werden die Studienergebnisse verfälscht, wenn gewisse Altersgruppen nicht miteinbezogen werden. Das ist nicht korrekt.

Sollen Kinder überhaupt mit dem Handy telefonieren?
Nein! Bis zu einem Alter von 18 sollten Handys verboten sein. Es müsste ein Gesetz dafür geben. Die Handy-Firmen vermarkten ihre Handys geschickt: Sie gaukeln den Eltern vor, dass ihre Kinder mit einem Handy in der Tasche sicherer sind. Aber wann wird ein Kind schon entführt?

Sie kritisieren auch, dass Handys nicht dieselben Prüfungen durchlaufen müssen wie etwa Medikamente. Ist das Ihre Forderung für die Zukunft?
Ja, unbedingt. Aber bis es entsprechende Bestimmungen gibt, vergehen noch Jahrzehnte. Man braucht sich nur daran zu erinnern, wie lange es ging, bis Asbest oder Tabak als schädlich eingestuft wurden.

Was sollten denn Handy-Hersteller Ihrer Meinung nach an den Geräten verbessern?
Sie sollten Modelle entwickeln, die man während des Telefonierens nicht an den Kopf hält.

Was sollen Handy-Benutzer heute beachten?
Nur mit sogenannten Headsets telefonieren. Ist das Telefon 20 Zentimeter vom Kopf entfernt, ist die Strahlenbelastung enorm viel kleiner.

Lloyd Morgan ist Direktor der Hirntumor-Gesellschaft der USA. Seit Jahren studiert Morgan die
wissenschaftlichen Arbeiten im Zusammenhang mit Hirntumoren und ionisierenden Strahlen. Er gilt deshalb als einer der weltweit kompetentesten Kritiker der Mobilfunkindustrie. Im Jahr 1995 erkrankte er an einem Hirntumor.

Artikel veröffentlicht:
29.09.2009
Autor:
Interview von Gabriela Braun | Konsumentenzeitschrift Saldo
Quelle:
Saldo Nr. 14 | 9.9.2009 Veröffentlicht auf diagnose:funk mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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