Gibt es einen Grenzwert, der schützt?

Mit einem scheinbar schlagkräftigen Argument versuchen sich die Behörden – gleich einem nimmer endenden Mantra – zu rechtfertigen: „Die Grenzwerte werden eingehalten, ja, sie werden weit unterschritten.“ [75] Es bestehe daher keine Gesundheitsgefahr. Inzwischen wissen wir: Das ist falsch! Denn man weiß schon lange, dass weit unterhalb der Grenzwerte die Strahlung Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Konzentrations-, Gedächtnis- und Lernstörungen, Allergien, Immunschwäche, Erschöpfung, DNA-Schäden, Herzrhythmusstörungen, depressive Verstimmungen, sowie erhöhtes Krebs- und Tumorrisiko verursacht. Diese Erkenntnisse versuchen die Behörden mit den immer gleichen Argumentationsmustern wegzudiskutieren.

Ob bei Radar- oder Röntgenstrahlung, Niederfrequenz, Hochspannungsleitungen, Atomkraftwerken, die herrschende Wissenschaft gab immer zuerst folgende Antwort: „Keine Gefahr – die Grenzwerte werden eingehalten!“ Doch dem muss man entgegenhalten: Es gibt bei künstlich erzeugter Strahlung kein risikofreies Expositionsniveau. Grenzwerte legen lediglich das Verhältnis von Nutzen und Risiko fest, d.h. wieviel geschädigte Personen kann man in Kauf nehmen.

Bei Frequenzen oberhalb 2 GHz (z.B. UMTS, LTE 2.6 GHz, 5G-3.6 GHZ) ist der Grenzwert auf 10.000.000 μWatt/m² (61 V/m) festgelegt. Der BUND fordert einen einklagbaren Grenzwert von 100 μWatt/m² zur Gefahrenabwehr und 1 μWatt/m² als Vorsorgewert.

Die gültigen Grenzwerte sind so, als würde man die Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Straßen auf 280 km/h festlegen. Dann würde es keine Überschreitungen mehr geben und jeder könnte tun und lassen, was er will.

Die Grenzwerte wurden von der ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) definiert. Die ICNIRP ist eine industrienahe, selbsternannte Kommission. Ihr wurden von der Industrie und der Bundesregierung das Interpretationsmonopol zugestanden. Die Grenzwerte für Mobilfunksendeanlagen, aber auch der SAR-Wert [76] orientieren sich an der thermischen (Wärme-) Wirkung der Mikrowellenstrahlung. Die Grenzwerte schützen nur vor einer übermäßigen Gewebeerwärmung durch Absorption. Die nachgewiesenen schädigenden Effekte der nicht-ionisierenden Strahlung treten aber auch im nicht-thermischen Bereich auf, d.h., sie sind also nicht durch Temperaturerhöhungen im menschlichen Körper erklärbar. [77] Die gegenwärtigen Grenz- und SAR-Grenzwerte klammern die nicht-thermischen Effekte der Mobilfunkstrahlung aus, genau das zeigt die Absurdität der Bemessungsgrundlage. Die gegenwärtigen Grenzwerte vernachlässigen elementare Einflussgrößen der Strahlung und ihre Wirkung auf die Biologie des Menschen.

Die Grenzwerte der ICNIRP erfassen nicht:

  • Dauerdosis und Langzeitwirkungen
  • Strahlungsspitzen, sondern nur rechnerische Mittelwerte
  • Gepulste oder modulierte Strahlung
  • die biologisch wirksame niederfrequente Taktung
  • den Frequenzmix durch die verschiedenen Anwendungen
  • kumulative Effekte
  • athermische Wirkungen der Strahlung
  • Membranpotentiale und andere Ströme und Frequenzen in den Zellen
  • verletzlichere Personen und Organismen

Die ICNIRP räumt in ihren Richtlinien ein, dass die Grenzwerte nur vor „kurzfristigen, unmittelbaren gesundheitlichen Auswirkungen“ schützen. [78] Die Grenzwerte haben also mit den Menschen, die sie schützen sollen, nichts zu tun. Dies bestätigte die Bundesregierung in der Antwort vom 4. Januar 2002 auf eine Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (Bundestagsdrucksache 14/7958) ausdrücklich. Auf die Frage der CDU/CSU-Fraktion nach der wissenschaftlichen Begründung des Strahlenschutzes antwortete die Bundesregierung:

  • „Die internationalen Gremien haben allerdings bisher darauf verzichtet,Vorsorgeaspekte in ihre Überlegungen mit einzubeziehen.“
  • „Die o.g. Bewertungen der SSK (Strahlenschutzkommission) stimmen mit den Einschätzungen internationaler wissenschaftlicher Expertengremien überein. Bei der Ableitung der geltenden Grenzwerte, die die Grundlage der Standortbescheinigung bilden, hat das Vorsorgeprinzip keine Berücksichtigung gefunden.“

Die Bundesregierung bestätigte also, dass die Grenzwerte keine medizinischen Schutz- und Vorsorgekomponenten enthalten. [79] Durch Mobilfunkmasten, WLAN und Smartphone-Apps sind die Menschen heute einer 24-Stundenbestrahlung ausgesetzt. Seriöse Forschungen weisen auf den Zeitfaktor hin und bringen ihn in Verbindung mit einer Dauerbestrahlung. Intensität x Zeit = Wirkung. Dieser wichtige, kumulative Effekt wurde in der Grenzwertfestlegung unterschlagen. Die Mobilfunk-Grenzwerte und der SAR-Wert haben weder einen Bezug zur Zeit noch zur Biologie des Menschen, der Tiere und der Pflanzen. Die Grenzwerte haben mit den Menschen, die sie schützen sollen und den realen Bedingungen wenig zu tun.

Hinzu kommt, dass sie auch nicht auf die besondere Verletzlichkeit von Kindern und anderen sensiblen Personengruppen ausgelegt sind. Das bestätigt die ICNIRP sogar ausdrücklich:

„Verschiedene Gruppen in einer Bevölkerung können Unterschiede in ihrer Fähigkeit haben, eine bestimmte NIR-Exposition (Non Ionising Radiation) zu tolerieren. Zum Beispiel können Kinder, ältere Menschen und einige chronisch kranke Menschen eine geringere Toleranz für eine oder mehrere Formen der NIR-Exposition haben als der Rest der Bevölkerung. Unter solchen Umständen kann es sinnvoll oder notwendig sein, für verschiedene Gruppen innerhalb der Allgemeinbevölkerung getrennte Richtwerte zu entwickeln, aber es wäre effektiver, die Richtwerte für die Allgemeinbevölkerung so anzupassen, dass sie solche Gruppen einbeziehen.“ [80]

Eine solche Anpassung der Grenzwerte wurde nie vorgenommen!

Die vorliegenden Grenzwerte hat die Industrie durch die ICNIRP festlegen lassen, einer Organisation ohne demokratische Legitimation. Die Industrie hatte vorausschauend ein selbstreferentielles System von „Schutz“-Organisationen aufgebaut. Die WHO, die EU (SCENHIR) und die ICNIRP bestätigen sich gegenseitig bis heute, in gemeinsamer, personeller Verflechtung, die Unbedenklichkeit der Grenzwerte. [81]

Dieses Lobby-System wurde durch die Veröffentlichung des Rechercheteams Investigate Europe [82] im Berliner Tagesspiegel (Jan. 2019) und durch die Studie von Starkey (2016) [83] detailliert aufgedeckt. Die Grenzwerte sind also ein Bluff. Die Grenzwerte sollen den ungehinderten Ausbau des Mobilfunks schützen und legitimieren. [84] Solange die Grenzwerte nicht auf der Grundlage gesicherter biologischer und medizinischer Erkenntnisse festgelegt sind - und zwar hinsichtlich der nicht-thermische Auswirkungen - ist eine Diskussion, ob ein Grenzwert von 100 oder 10.000 μWatt/m² den Menschen schützt, auch ein Ablenkungsmanöver, was die Komplexität des Themas betrifft. Die Professoren Josef Lutz und Franz Adlkofer schreiben in ihrem Artikel:

„In lebenden Organismen finden biologische Prozesse wie Zellteilung, Zelldifferenzierung etc. statt, die die Moleküle, speziell die DNA und die RNA sehr verletzbar machen. Chemische Verbindungen werden aufgebrochen und neue gebildet. DNA-Ketten werden geöffnet, vervielfältigt und neue Zellen werden gebildet. Eine viel tiefere Energieschwelle kann für eine Störung der zellulären Prozesse genügen. Es wird überhaupt sehr schwer sein, eine untere Energieschwelle zu definieren, um eine Störung in Lebensprozessen, für die die molekulare
Instabilität eine Vorbedingung ist, auszuschließen.“ [85]

Die Forderung des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), den Grenzwert auf 100 μWatt/m² zu senken und einen Vorsorgewert von 1 μWatt/m² einzuführen, ist heute vertretbar und absolut notwendig. Ein Vorsorgewert von 1 μWatt/m² würde eine Senkung der Grenzwerte um das 100.000-fache bedeuten, um die jetzt bestehenden Risiken zu minimieren. Außerdem ist es interessant zu wissen, dass es in Europa keine Versicherungsgesellschaft gibt, die den Mobilfunk gegen Strahlenschäden versichert. Der Rückversicherer Swiss-Re stufte 2013 und 2019 den Mobilfunk in die höchste Risikostufe ein. Diese Einstufung der Swiss-Re, den Mobilfunk als nicht versicherbar einzustufen, spricht eine deutliche Sprache. [86] Dennoch verkaufen uns die Bundesbehörden ein nicht zu versicherndes Produkt als sicher.

Foto: guruXOX - stock.adobe.com
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Durch Mobilfunkmasten, WLAN und Smartphone-Apps sind die meisten Menschen heute einer 24-Stunden-Bestrahlung ausgesetzt. Für einen Langzeitschutz sind die Grenzwerte aber überhaupt nicht festgelegt worden.

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