Brennpunkt

WHO-Interphone-Studie

19 Mio. für ein zensiertes Ergebnis
Seit Jahren stand die INTERPHONE-Studie im Focus des Interesses: Tumorgefahr oder nicht? Haben sich die unterschiedlichen Interessen, die im Hintergrund ausgefochten wurden, gegenseitig paralysiert?

Die Fachzeitung ElektrosmogReport (Juni 2010) kommentiert das Ergebnis als „nichtssagend“ und empfiehlt die Analyse im Brennpunkt von Diagnose-Funk:

„Das gemeinsame Ergebnis aller beteiligten Arbeitsgruppen ist, wie zu erwarten war, relativ nichtssagend bzw. enthält nichts Neues. Es gibt kein Risiko, an einem Gliom oder Meningeom (Hirntumor) zu erkranken, Langzeitnutzung muss noch untersucht werden. Zu anderen Tumorarten gibt es keine Aussagen. Eigentlich ist die Studie unin-teressant geworden, veraltet, sozusagen bereits verjährt. So war es vielleicht auch gewollt. Die Ergebnisse der vor 10 Jahren begonnenen Untersuchungen sind längst nicht mehr auf die heutigen Bedingungen anwendbar. Auch wenn heute eine solche Untersuchung begonnen würde, müsste sie in kurzer Zeit veröffentlicht werden, sollte die Aussage von Bedeutung sein.
Wie immer in solchen Fällen, reagieren die Medien gespalten. Die einen geben Entwarnung, die anderen nicht. Das Geld und den Zeitaufwand hätte man sich sparen bzw. sinnvoller einsetzen können.

Eine genauere Betrachtung der Studie und aufschlussreiche Retrospektive ist im Diagnose-Funk Brennpunkt nachzulesen.

Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) nimmt in seinem BAG-Bulletin (Ausgabe 21/10, s. Link) Stellung:

„Eine große internationale Studie zu Handybenutzung und Hirntumorrisiko bei Erwachsenen zeigt interessante Resultate. Ein erhöhtes Risiko bei häufiger Benützung von Mo-biltelefonen ist nicht auszuschließen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt deshalb, die Strahlenbelastung am Kopf so gering wie möglich zu halten(...)
Die Interpretation der Ergebnisse ist wegen der oben genannten Unsicherheiten schwierig, und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass starke Handynutzung das Risiko, an einem Glioma zu erkranken, erhöhen kann. Zudem muss beachtet werden, dass sich das Mobiltelefonverhalten in den letzten Jahren stark verändert hat und es heutzutage immer mehr, auch junge, Handybenutzer gibt, die sehr oft telefonieren.“

18.05.2010 Diagnose-Funk Pressemitteilung

Interphone: Massive methodische Mängel
Risiko beim Mobiltelfonieren bleibt bestehen

Die internationale Studie INTERPHONE kann die bereits bestehende unabhängige Studienlage zur Gefährdung durch Mobiltelefone nicht entkräften. Erhebliche Mängel im Studiendesign führen dazu, dass die Studie das Risiko eines Gehirntumors infolge Handynutzung nicht beziffern kann.

Die von der internationalen Krebsagentur IARC (WHO) koordinierte internationale Studie zur Frage des Hirntumorrisikos von Handynutzern wurde heute online publiziert. Auf den ersten Blick scheint das Ergebnis eine Entwarnung zu liefern, doch die Studie ist prall gefüllt mit methodischen Fehlern. Dies wird von den Forschern im Schlusssatz der Studie bestätigt: „Wie auch immer, Verzerrungen und Designfehler limitieren das Gewicht der Aussagen welche wir aus den Analysen ziehen können und verhindern eine Interpretation des Zusammenhangs“, heisst es auf S.14 des Originaltextes.

Es ist ein Skandal, dass eine entscheidende Statistik aus der Studie, die Hinweise auf ein mehrfaches Hirntumorrisiko gibt, in der Endfassung des Studientextes unterschlagen wird. Wahrscheinlich weil es allzu peinlich ist, findet man in der Schlussfassung auch keinen Hinweis auf das Problem der Schnurlostelefone, die oft eine Hauptbelastungsquelle darstellen.

Obwohl die jetzigen Ergebnisse ohne die zensierte Statistik wertlos sind, formuliert man Entwarnungsmeldungen. Sie täuschen eine falsche Sicherheit vor, die von der Industrie nun ausgekostet werden kann, während die heutigen Kinder zur ersten Generation gehören, die eine noch nie erlebte Strahlendosis kumulieren wird.

Präzisere Forschungs-Ergebnisse liefern dagegen die Studien der unabhängigen schwedischen Forschergruppe um Lennart Hardell: Die Teilnahmerate der Kontrollen ist mit rund 90% wesentlich höher, womit der Auswahlfehler vermieden wird. Zudem werden in der Gruppe der „Nicht-Nutzer“ (bezgl. Mobiltelefone) auch keine Schnurlostelefone verwendet. Dementsprechend fand man hier bei einer 10-jährige Nutzung von Mobiltelefonen ein hohes, bis 5.2-faches Risiko für Gliome. Besonders gefährdet sind gemäss diesen Studien Personen, die bereits vor dem 20. Lebensjahr mit der Handynutzung beginnen.

Mit einem Kostenaufwand von über 19 Millionen* Euro und 50 beteiligten Wissenschaftlern in 13 Ländern, ist die Interphone-Studie die bisher grösste epidemiologische Studie („am Menschen“), welche zu den Ursachen von Gehirntumoren jemals durchgeführt wurde. Die Studie wurde im Jahr 2000 begonnen und sollte offiziell schon 2005 enden. An rund 14'000 Personen sollte geklärt werden, ob die Nutzung von Mobiltelefonen das Risiko für Tumore im Kopfbereich erhöht. Während schon fast jedes zweite Kind im Alter zwischen 8 und 12 Jahren bereits ein Mobiltelefon nutzt (siehe auch www.kinder-und-mobilfunk.de ), mussten Eltern und Politiker auf die bereits mehrmals hinausgezögerte Publikation der INTERPHONE-Endresultate warten. Nun wird die Studie veröffentlicht, ohne jedoch ihr Geld wert zu sein: Nach jahrelangem Streit über die unplausiblen Ergebnisse, reduziert sich das Projekt zur „Diskussion von Design-Fehlern“.

Publikation zum Thema

Format: A4Seitenanzahl: 10 Veröffentlicht am: 20.09.2010 Bestellnr.: 203Sprache: Deutsch

Interphone Studie

19 Millionen Euro für ein zensiertes Ergebnis
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Der Brennpunkt analysiert die Ergebnisse der Interphone-Studie.
Artikel veröffentlicht:
18.05.2010

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