Aufruf zur Anerkennung der Elektrosensibilität

50 französische Ärzte und Fachkräfte appellieren
50 Ärzte und medizinische Fachkräfte haben die Regierung dazu aufgefordert, Elektrosensibilität als einen pathologischen Zustand anzuerkennen, der sich auf die Gesundheit auswirkt. Die Hypersensibilität gegenüber elektromagnetischen Wellen, die durch die Mobilfunkmasten oder Handys erzeugt würden, könnten mehrere Beschwerden auslösen, unter ihnen Schlafstörungen, kognitive Beeinträchtigungen, Kopfschmerzen.

"Da es sich um ein komplexes pathologisches Phänomen mit mehreren Faktoren handelt, stehen wir den Personen hilflos gegenüber, deren körperliche Leiden reell und deren Symptome erwiesen sind. Selbst wenn die wissenschaftliche Kontroverse zu bestimmten Aspekten dieses Themas fortdauert, gibt es diese Patienten und ihnen müssen medizinische Antworten gegeben werden, um ihr Leiden zu lindern", urteilen die Ärzte, die diesen an die Gesundheitsministerin gerichteten Appell unterzeichnet haben.

Die Elektrosensibilität, von der bis zu 2% der Bevölkerung betroffen sind, wird zwischen skeptischen Wissenschaftlern und den Patienten, die sich durch die Justiz bestärkt sehen, diskutiert. Diese hatte im August 2015 einer Betroffenen eine Behindertenunterstützung zugesprochen. Bis jetzt ist die Elektrosensibilität in Frankreich noch nicht als Krankheit anerkannt. Die Unterzeichner des Appells stellen das Vorsorgeprinzip in den Vordergrund und fordern die Schaffung "weißer Zonen" oder "Schutzzonen" (ohne elektromagnetische Wellen) für Elektrosensible.

"Wir appellieren hiermit feierlich an den französischen Staat und insbesondere an die Gesundheitsministerin, die Frage der gesundheitlichen Auswirkungen elektromagnetischer Felder zu einer gesundheitspolitischen Priorität zu machen und auf diese Patienten Rücksicht zu nehmen, die immer zahlreicher werden, die größtenteils unter großen Schwierigkeiten und sozialer Unsicherheit leiden", schreiben die Ärzte. Sie fordern, dass eine "unabhängige und vertiefte Forschung zu diesem Thema erfolgen muss". Dieser Aufruf wurde am Ende eines Kolloquiums verabschiedet und ist an die Nationalversammlung gerichtet. Es geht um die angenommenen gesundheitlichen Auswirkungen elektromagnetischer Felder. Der Aufruf erfolgte auf Initiative der ökologischen Abgeordneten der Nationalversammlung, bzw. des Europaparlaments Laurence Abeille (Bild) und Michèle Rivasi.

Seit 2005 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Vorhandensein von potenziell schweren Symptomen anerkannt, die je nach Person unterschiedlich ausgeprägt sein können. Sie ging aber davon aus, dass es weder klare Kriterien für eine Diagnose gebe noch eine wissenschaftliche Grundlage, um den Zusammenhang mit einer Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern herzustellen. Der wissenschaftliche Rat der Europäischen Kommission (SCENIHR) ist im vergangenen März zur gleichen Schlussfolgerung gelangt. "Die Elektrosensiblen gibt es, aber es handle sich dabei um Hirngespinste. Man wollte, dass sie existieren. Es gibt Ärzte und Wissenschaftler, die sich darum kümmern, aber das Gesundheitsministerium nimmt von diesen neu entstehenden Krankheiten keine Notiz", hat Michèle Rivasi (Bild) bei einer Pressekonferenz erklärt.

"Man behandelt die Menschen, aber man interessiert sich nicht für die Umwelt, in der sie leben", kommentiert  Laurence Abeille. "Es verläuft wieder genauso wie bei Asbest. Es dauerte 100 Jahre, bis anerkannt wurde, dass er tödlich ist". Michèle Rivasi und Laurence Abeille haben die "Unfähigkeit der politischen Entscheidungsträger" bedauert, sich dieser Angelegenheit anzunehmen und zeigten dabei mit dem Finger auf die "Lobbygruppen verschiedener Industriezweige".

Die französische Behörde für Gesundheitsschutz (Agence nationale française de sécurité sanitaire = ANSES) hat beschlossen, einen Bericht zur Elektrosensibilität zu erstellen, der im Herbst veröffentlicht werden soll.

In einem im Jahr 2013 veröffentlichten allgemeinen Bericht hatte sie geurteilt, dass die Exposition gegenüber elektromagnetischen Wellen biologische Veränderungen im Körper hervorrufen kann, aber dass die verfügbaren wissenschaftlichen Daten keine "schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit" zeigten. Sie hatte dennoch empfohlen, die Exposition von Kindern gegenüber Handys zu verringern.

(Übersetzung: diagnose:funk)

Artikel veröffentlicht:
01.03.2016
Autor:
Deutsche Übersetzung: diagnose:funk
Quelle:
www.liberation.fr
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