Mobilfunkstrahlung schädigt Salatpflanzen

Hallo Umweltministerin Lemke, da haben Sie den Strahlen-Salat!
Eine Studie an der TU-Darmstadt beweist: Mobilfunkstrahlung weit unterhalb der Grenzwerte beeinflusst die Entwicklung von Salatpflanzen negativ. Es ist ein erneuter Nachweis, dass nicht-ionisierende Strahlung im Niedrigenergiebereich den Zellstoffwechsel beeinflusst. Das hat natürlich, verallgemeinert, eine große Bedeutung für Pflanzen, Tieren und Menschen, dem die Politik mit dem Vorsorgeprinzip begegnen muss.
Versuchsaufbau der Studie von Tran et al. (2023), Foto: Forschungsring e.V.

Die Autoren schreiben zu ihrem Experiment (>> Volltext), bei dem die Salatpflanzen mit DECT-Telefonen und WLAN im Normalbetrieb mit geringen Leistungsflussdichten (wie in Stadtzentren üblich) bestrahlt wurde (>>> wir berichteten):

  • „Um die Auswirkungen von RF-EMF auf Pflanzen zu untersuchen, haben wir elektromagnetische Felder mit Frequenzbereichen von 1880-1900 MHz (DECT) und 2,4 und 5 GHz (Wi-Fi) generiert. RF-EMF wurden durch zwei Wi-Fi-Systeme (Fritzbox 7530) mit einer DECT-Basisstation und zwei DECT-Telefone (Motorola t412+, mit ausgeschaltetem Eco-Modus) erzeugt. Die DECT-Telefone standen in permanenten Telefonverbindung mit einem zusätzlichen Endgerät. Die RF-EMF-Strahlung wurde mit zwei breitbandigen RF-Analysatoren (Gigahertz Solution) gemessen. Die RF-EMF-Strahlung (Spitzenwerte) im Frequenzbereich 1880-1900 MHz und 2,4 GHz gemessen mit dem Hochfrequenz-Analysator (HF59B für Frequenzen von 700 Mhz-2,7 GHz) gemessen wurde, betrug 8.000 µW/m2.
  • Das obere Wi-Fi-Band (5 GHz), gemessen mit dem Hochfrequenzanalysator (HFW35C, Gigahertz Solutions, Deutschland für Frequenzen von 2,4-6 GHz) gemessen wurde, betrug 2.000 µW/m2. Die Leistungsflussdichten in unseren Experimenten sind vergleichbar mit dem üblichen Niveau in einem Stadtzentrum. Die RF-EMF-Exposition wurde auf dem Versuchsfeld des Forschungsring e.V. (Koordinaten 4949057.400 N 834022.200 E) und in einer Phytokammer im Gewächshaus der Technischen Technischen Universität Darmstadt durchgeführt.“

Die Hauptergebnisse

  • „Unter Gewächshaus-Bedingungen hatte die RF-EMF Exposition nur einen geringen Einfluss auf die schnelle Chlorophyll-Fluoreszenz-Kinetik und keinen Einfluss auf die Blütezeit. Im Gegensatz dazu zeigten Salatpflanzen, die im Feld bei RF-EMF exponiert wurden, eine signifikante und systemische Abnahme der photosynthetischen Effizienz und eine beschleunigte Blütezeit im Vergleich zu den Kontrollgruppen.
  • Die Analyse der Genexpression zeigte eine signifikante Herabregulierung von zwei stressbezogenen Genen in RF-EMF-exponierten Pflanzen: Violaxanthin-Depoxidase (VDE) und Zeaxanthin-Epoxidase (ZEP).
  • RF-EMF-exponierte Pflanzen hatten eine geringere maximale photochemische Quantenausbeute (FV/FM) des Photosystems II und nicht-photochemisches Quenching (NPQ) als Kontrollpflanzen unter Lichtstressbedingungen.

Zusammenfassend deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass RF-EMF die Stressreaktionen und Stresstoleranz der Pflanzen beeinträchtigen“ (aus der Zusammenfassung).“

Das thermische Dogma ist längst widerlegt, ein Artikel in Kompakt 4/2022diagnose:funk

Das Kartenhaus des thermischen Dogmas vor dem Zusammenbruch

Diese Salatstudie weist nach, dass nicht-thermische Wirkungen der Mobilfunk-Strahlung biologische Organismen schädigen können. Die in Deutschland geltenden Grenzwerte beruhen jedoch darauf, dass eine Schädigung nur durch Wärme erfolgen kann und ignorieren nicht-thermische Wirkungen. Siehe dazu auch unseren Brennpunkt "Internationale Grenzwertkommission ICBE-EMF will strengere Mobilfunk-Grenzwerte"

Die Bundesregierung hält im „Zehnten Emissionsminderungsbericht“ (2023), verfasst vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), am durch die Studienlage vielfach widerlegten thermischen Dogma fest:

  • „Maßgeblich für die Beurteilung von möglichen gesundheitlichen Auswirkungen von HF EMF ist nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand weiterhin die Gewebeerwärmung ... Im Bereich niedriger Intensitäten von HF EMF konnten gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge nicht-thermischer Wirkungen in jahrzehntelanger Forschung bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden.“ Die Schlussfolgerung:
  • „Der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand gibt insgesamt keinen Anlass, die Schutzwirkung der bestehenden Grenzwerte in Zweifel zu ziehen.“[1]

Die Propagandaoffensive 2022 „Handy machen keine Tumoren“, von der Werbeagentur Scholz & Friends konzipiert und mit dem BfS und der Bundesregierung durchgeführt, beruht auf diesem Dogma. So schreibt die Projektleiterin Sybille Neuss: „Die einzige erwiesene Wirkung von Mobilfunkstrahlung ist eine geringfügige Wärmestrahlung, die keine Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Zudem gelten in Deutschland strenge Strahlengrenzwerte, die in der Praxis nie erreicht werden.“[2]

Der Salat wurde mit thermisch nicht relevanten 2.000 µWatt/m2 (per DECT mit 1,9 GHz) und 8.000 µWatt/m2 (per WLAN mit 5 GHz) bestrahlt. Hat sich der Salat die Schädigungen nur eingebildet?

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Tran NT, Jokic L, Keller J, Geier JU, Kaldenhoff R (2023): Impacts of Radio-Frequency Electromagnetic Field (RF-EMF) on Lettuce (Lactuca sativa) - Evidence for RF-EMF Interference with Plant Stress Responses med./bio.  [Auswirkungen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) auf Salat (Lactuca sativa) - Hinweise auf HF-EMF-Interferenz mit pflanzlichen Stress-Reaktionen] Plants 2023; 12 (5): 1082, Open Access

Durchführende Institutionen: Angewandte Pflanzenwissenschaften, Fachbereich Biologie, Technische Universität Darmstadt, 64287 Darmstadt, Deutschland; Forschungsring e.V., 64295 Darmstadt, Deutschland

https://www.emf-portal.org/de/article/50164

Quellen

[1]  Deutscher Bundestag, Drucksache 20/5600: Zehnter Emissionsminderungsbericht, 09.02.2023

[2]  Sybille Neuß (2023): Was können Bürgerdialoge bewirken? https://www.politik-kommunikation.de/politik/was-koennen-buergerdialoge-bewirken/

Publikation zum Thema

diagnose:funk
Format: A4Seitenanzahl: 36 Veröffentlicht am: 01.02.2023 Bestellnr.: 249Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

ICBE-EMF: Die Zeit ist reif für neue Grenzwerte

Die neu gegründete Grenzwertkommission weist die Unwissenschaftlichkeit der geltenden ICNIRP-Grenzwerte für Mobilfunkstrahlung nach
Autor:
ICBE-EMF / diagnose:funk
Inhalt:
Dieser Brennpunkt publiziert die Übersetzung der Studie der internationalen Grenzwertkommission ICBE-EMF (International Commission on the Biological Effects of EMF) „Wissenschaftliche Erkenntnisse entkräften gesundheitliche Annahmen, die den FCC (Federal Communication Commission, USA) und ICNIRP-Grenzwertbestimmungen für Hochfrequenzstrahlung zugrunde liegen: Folgen für 5G“ (2022). Darin fordert die ICBE-EMF die Rücknahme und Neufestlegung der Grenzwerte für die Exposition gegenüber hochfrequenter Funkstrahlung (HF). Die Rücknahme der Grenzwerte ist notwendig, denn ihre Festlegung beruht auf falschen Annahmen. Das Ziel neuer Grenzwerte wäre die Festlegung von Standards zum Gesundheitsschutz für Arbeitnehmer, die Öffentlichkeit und die Natur.
diagnose:funk
Format: A4Seitenanzahl: 16 Veröffentlicht am: 12.01.2023 Bestellnr.: 250Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

Die Auseinandersetzung um die Deutungshoheit zu Risiken der Mobilfunkstrahlung

Über Kampagnen eines Kartells von Industrie, Bundesamt für Strahlenschutz und ICNIRP
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Ob Mobilfunkstrahlung gesundheitsschädlich ist oder nicht, darüber wird nicht nur eine Wissenschaftsdebatte über Ergebnisse der Forschung geführt. Bei dieser Debatte geht es auch und vor allem um Produktvermarktung, in diesem Fall um das Milliardengeschäft einer Schlüsselindustrie. Dieser brennpunkt dokumentiert die Auseinandersetzung. Im Jahr 2022 gab es vier Entwarnungskampagnen, basierend auf vier Studien mit der Botschaft: Mobilfunkstrahlung ist unbedenklich für die Gesundheit, ein Krebsrisiko besteht nicht. Das beweise die MOBI-Kids-Studie, die bisher weltweit größte Studie zu Hirntumoren und Kinder. Mit der UK-Million Women Studie liege auch der Beweis für Erwachsene vor. In einem von ICNIRP-Mitglied Prof. M. Röösli verfassten Artikel zu 5G in der Zeitschrift Aktuelle Kardiologie bekamen gezielt Mediziner diese Botschaft übermittelt. Abgeordneten des deutschen Bundestages wird vom deutschen Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und dem Umweltministerium mitgeteilt, die STOA-Studie, die Schädigungen zu Krebs und Fertilität auswertet, sei unwissenschaftlich. Diagnose:funk nahm zu allen diesen Meldungen Stellung.
Format: DIN A4Seitenanzahl: 12 Veröffentlicht am: 27.11.2020 Bestellnr.: 242Sprache: DeutschHerausgeber: diagnose:funk

Heftige Debatte um die Insektenstudie

Klarstellung zum Review "Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Insekten"
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Dieser Brennpunkt nimmt Stellung zu den vielen Reaktionen zu dem Review „Biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Insekten“ (2020) von Alain Thill vor. Darin wird die weltweite Studienlage zur Wirkung elektromagnetischer Felder (EMF) auf Insekten dargestellt. Der Review kommt zu dem Ergebnis, „dass elektromagnetische Felder einen ernstzunehmenden Einfluss auf die Vitalität von Insektenpopulationen haben könnten“. Der Review wurde von der Luxemburger Umweltorganisation AKUT herausgegeben und in der Zeitschrift umwelt-medizin-gesellschaft veröffentlicht. Über die Studie wurde nicht nur deutschlandweit, sondern auch darüber hinaus berichtet. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sowie die österreichischen und deutschen Mobilfunkbetreiber kritisierten in Stellungnahmen den Review als unwissenschaftlich, seine Schlussfolgerungen seien nicht durch die Studienlage gedeckt. Dass von politisch hoher Stelle, also dem Bundesamt für Strahlenschutz, Stellung bezogen wird, bestätigt die Bedeutung dieses Reviews. Auch einige Journalisten kritisierten den Review. Doch sind die Kritiken berechtigt? Auf all diese Reaktionen gehen wir ausführlich in diesem Brennpunkt ein.
Artikel veröffentlicht:
08.04.2023
Autor:
diagnose:funk
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