Stellungnahme von diagnose:funk e.V. zum:
Gesetz zur Erleichterung des baurechtlichen Verfahrens beim Mobilfunknetzausbau 2022 in Baden-Württemberg
Das Ziel der Landesregierung wird mit der Novelle der LBO-BW nicht erreicht
Das Ziel der Landesregierung „… zügig eine flächendeckende Verfügbarkeit mobiler Breitbanddienste auf der Basis neuester Standards zu erreichen“ wird mit den formulierten Änderungen zur Novellierung der Landesbauordnung (LBO) sicher nicht erreicht.
Eine „leistungsfähige digitale Infrastruktur“ als „grundlegende Voraussetzung sowohl für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse als auch für die Entwicklung des Landes als Wirtschaftsstandort in der Zukunft“ ist nicht abhängig vom „Ausbau der bestehenden Mobilfunknetze nach dem neuen Mobilfunkstandard 5G“.
Eine zukunfts- und „leistungsfähige digitale Infrastruktur“ für „gleichwertige Lebensverhältnisse“ ist vom flächendeckenden Ausbau der Glasfasernetz-Infrastruktur abhängig und nicht vom Mobilfunk.
- Echtes 5G mit niedriger Latenzzeit und hoher Bandbreite (5G-fast) kann nur durch direkte Anbindung der Sendeanlagen an das Glasfasernetz realisiert werden.
- Die Netzbetreiber selbst können auch zwei Jahre nach Marktstart keine Endkundenanwendung benennen, für die die hohe Leistungsfähigkeit von 5G-fast flächendeckend benötigt werden könnte und für die die Leistungsfähigkeit von 4G nicht ausreicht.
- Mobilfunk ist weiterhin keine Universaldienstleistung[1] und damit kein Festnetzersatz.
- Versorgungslage in Baden-Württemberg: Aktuell werden in Baden-Württemberg 0,3% der Haushalte (= 14.400 Einheiten) nicht mit 4G versorgt[2]. Bei GSM sind es weniger als 1.000 Haushalte (= 0,02%). Eine Umrüstung der vorhandenen GSM-Anlagen auf 5G-wide mit 700, 800 oder zukünftig 900 MHz würde diese Lücke weitestgehend schließen. Bei den Verkehrswegen sind es 0,28% und 4,2 %, die nicht mit GSM oder 4G versorgt sind. In der Landfläche geht es um 0,43% und 4,6% von Baden-Württemberg, die nicht mit GSM oder 4G versorgt sind. Die Abdeckung der Gewerbegebiete ist nur bei 0,01% bzw. 0,2% nicht gegeben.
- Eine Mobilfunknetzplanung für eine maximale Versorgung mit Internetdiensten innerhalb von Gebäuden ist im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2012 (BVerwG 4 C 1.11) für die „ausreichende und flächendeckende“ Versorgung gerade nicht angemessen. Diese Art der Netzauslegung widerspricht der Vorsorge, verletzt Grundrechte und ist zudem technisch unnötig.
- Wo kabelgebundene Breitbandanschlüsse vorhanden sind, ist die mobile Erreichbarkeit innerhalb von Gebäuden über WLAN u.a. Verfahren jederzeit herstellbar.
- Die frequenzunabhängige Verwendung des Übertragungsprotokolls von 4G und 5G sowie die Freigabe der 700 MHz-Frequenzen für Mobilfunkanwendungen seit 2020 (digitale Dividende) ermöglicht es, insbesondere mit 5G-wide mindestens so hohe Reichweiten bereit zu stellen, wie diese beim 2G Mobilfunknetz nahezu flächendeckend bereits realisiert sind. Die erzielbare Leistungsfähigkeit von 5G-wide liegt bei Verwendung gleicher Frequenzen und Bandbreite nur wenig oberhalb des Niveaus von 4G (Faktor ca. 1,3), sodass eine Verdichtung der vorhandenen 4G-Netzinfrastruktur spezifisch für das endkundenrelevante 5G-wide nur bedingt bzw. gar nicht erforderlich ist.
- Gerade innerörtliche Anlagen auf Immobilien, die nun bis 15 m Höhe verfahrensfrei gestellt werden sollen, sind für eine Verbesserung der flächendeckenden Versorgung und der Verbesserung der Versorgung von Verkehrswegen i.d.R. funktechnisch nicht geeignet. Die flächendeckende Versorgung wird in der Praxis über Sendeanlagenstandorte mit Masthöhen von 30 bis 60 m erreicht.
Zudem besteht bereits mit der aktuell vorhandenen Sendeanlagen-Infrastruktur die Möglichkeit nahezu Flächendeckung für mobile Breitbanddienste zu erreichen und gleichzeitig das leistungsarme aber immissionsstarke GSM-Netz aus den 90er Jahren endlich abzuschalten. 4G und 5G-wide liefern hierfür die technische Alternative.