350 Besucher:innen bei Veranstaltung zur Smart City

Bürger:innen zeigten sich entsetzt über Vorgehen und Inhalt des 5G-Projekts in Stuttgart
350 Besucher:innen füllten den Hospitalhof bei der Veranstaltung "SmartCity-Stuttgart. Pro und Contra zur digitalen Stadt". So viele Besucher:innen hatten die Veranstalter, das Forum 3 und der Hospitalhof nicht erwartet. Ulrich Morgenthaler (Forum 3) musste zu Beginn die Besucher:innen enttäuschen: kein Pro-Vertreter war auf dem Podium.
Veranstaltung zum Thema Smart City im Hospitalhof Stuttgart 2019Foto: diagnose:funk

Nur ein kompetenter Pro-5G-Vertreter in der gesamten Region Stuttgart?

Wochenlang hatten sich die Veranstalter bemüht, eine(n) politische(n) Vertreter:in der Stadt Stuttgart zu gewinnen, auch die Fraktionen wurden angefragt. Sie reagierten nicht oder sagten mit der Begründung ab, sie seien im Thema nicht kompetent, auch die direkten Mitarbeiter:innen des Oberbürgermeisters Fritz Kuhn. Leider zog auch der Breitbandbeauftragte der Region Stuttgart, Hans-Jürgen Bahde, aus familiären Gründen seine Zusage zurück, ohne Ersatz. Sein Pressesprecher erklärte, Herr Bahde sei der Einzige in der Region, der sich mit 5G auskenne.

Ulrich Morgenthaler fragte zu Recht:

  • "Wie kann die Region Verhandlungen mit der Telekom führen, wenn sich alle politischen Entscheidungsträger für inkompetent erklären?"

OB-Kuhn forderte Zustimmung zum 1,5 Milliardenprojekt innerhalb einer Woche

Aus der Politik reagierte nur die Fraktion SÖSLinkePluS. Ihr Fraktionsvorsitzender Hannes Rockenbauch eröffnete die Impulsvorträge. Er stellte dar, wie der Oberbürgermeister versuchte, innerhalb einer Woche die Zustimmung zum Vertragsabschluss (Letter of Intend) über den 1,5 Milliarden Deal mit der Telekom im Gemeinderat durchzusetzen. Keine/r der StadtratskollegInnen wusste vorher über die bereits seit langem geführten Verhandlungen mit der Telekom Bescheid, es wurde lediglich mitgeteilt, wir bekommen nun endlich alle schnelles Internet. Was die Smart City eigentlich bedeutet, sollte erst gar nicht diskutiert werden.

Stadt Stuttgart schon lange an der 5G-Planung beteiligt

Das stellte Peter Hensinger von der Bürgerinitiative Mobilfunk im zweiten Beitrag dar. Die Stadt Stuttgart war an der Ausarbeitung der "Smart City Charta" der Bundesregierung beteiligt, auch ohne Wissen des Gemeinderats. Diese Planungen sehen vor, so Hensinger, die Städte von Orten kommunaler Demokratie zu total überwachten Zonen umzubauen: "Das Ziel: von jedem Bürger in Echtzeit immer zu wissen, wo er sich befindet und was er tut. Für diese totalitäre Planung bekam die Smart City von Digitalcourage e.V. den BigBrother Award 2018," so Hensinger, und weiter:"Geplant wird der Umbau der Städte für neue digitale Geschäftsmodelle der Indu­s­trie, die Installation eines Überwachungskapitalismus zur Werbung, Konsumorientierung und zur politi­­­schen Kontrolle und Manipulation. Dafür wird die Privatsphäre, bisher ein Grundpfeiler der Demokratie, geopfert. Diese Folgen machen klar: wer für Demokratie, für eine ökologische Politik ist, gegen die Klimakata­strophe kämpft, muss diese Smart City Pläne ablehnen." Er wies darauf hin, dass durch tausende neue 5G Mobilfunksender die Stadt von Elektrosmog verseucht werden wird.  Die investigative Recherche im Berliner Tagesanzeiger vom 13.01.19 zeige, welche Gesundheitsrisiken von 5G ausgehen und wie das von Politik und Industrie vertuscht werde.

Auch in der Bildung soll fundamental digitalisiert werden - weg vom Lehrer, hin zum Lerncoach

Zum Schluss stellte der Schriftsteller und Medienpädagoge Andreas Neider dar, dass die digitale Bildung genau in dieselbe Richtung geht. Der Lehrer wird zum Lerncoach und die Schüler von Computerprogrammen  unterrichtet, die ihn für die Arbeitswelt berechenbar dressieren sollen. Das ist nicht Fiktion, sondern wird geplant und an Google-Schulen in den USA bereits umgesetzt. Zentrale Schulclouds zur Steuerung des Unterrichts werden im Auftrag der Bundesregierung vom Hasso-Plattner-Institut bereits entwickelt. Künstliche Intelligenz soll in Zukunft den Unterricht steuern und die Menschen verfügbar und berechenbar machen. Er rief dazu auf, gegen diese geplante Dehumanisierung der Erziehung zu protestieren. Daran schloss sich eine ausführliche Diskussion über die Beiträge und Fragen aus dem Publikum an.

5G-Umbau muss Teil des Kommunalwahlkampfes werden

Die meisten BesucherInnen waren entsetzt, dass ohne gesellschaftliche Debatte solche grundlegenden Veränderungen durchgesetzt werden sollen. Viele Beiträge forderten dazu auf, sich Gedanken zu machen, wie dagegen eine Protestbewegung entwickelt werden kann. Es wurde klar: das Interesse an den Veränderungen, die die geplante digitale Transformation der Städte bringen soll, ist groß, und es wird auch Thema im Kommunalwahlkampf werden.

Im Download der Impulsvortrag von Peter Hensinger;
Kontakt:peter.hensinger@diagnose-funk.de

Publikation zum Thema

Format: DIN A5Seitenanzahl: 8 Veröffentlicht am: 20.11.2018 Sprache: DeutschHerausgeber: GEW-Hamburg

Behaviorismus als Geschäftsmodell?

Konzepte für eine “Digitale Bildung”, “Smart Schools” und die “Lernfabrik 4.0” sollen ein neues Zeitalter der Erziehung einleiten
Autor:
diagnose:funk | Peter Hensinger
Inhalt:
Die Hamburger Lehrerzeitung der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) hat in der Serie "Digitales Lernen" in 2018 drei Artikel publiziert zu den Plänen und Folgen der Digitalisierung der Kindergärten und Schulen. Hier steht der Beitrag von Peter Hensinger "Smart Schools - Behaviorismus als Geschäftsmodell?" zum Download zur Verfügung: Erziehungsziel ist nicht mehr der im Humboldt‘schen Sinne erzogene Homo politicus, sondern der widerspruchslos funktionierende Homo oeconomicus. Schule hat dagegen einen anderen Auftrag. Bildung ist Haltung, die Fähigkeit, Wissen einzuordnen in ein Wertesystem. Wissen allein, so genannte PC-vermittelte Skills, ohne Ethik, erzeugt Fachidioten, skrupellose Banker, die auf den Hunger wetten, gewissenlose Ingenieure, die Waffensysteme optimieren, Soziologen und Psychologen, die Konditionierungs- und Manipulationssysteme entwerfen, Journalisten, die für RTL2- und die Bildzeitung für die Volksverdummung schreiben.
Format: DIN A4Seitenanzahl: 94 Veröffentlicht am: 01.10.2018 Sprache: DeutschHerausgeber: Diagnose-Funk e.V.

iDisorder im Digi-Tal

Gesammelte Publikationen zu den Folgen der digitalen Transformation des Kapitalismus
Autor:
Prof. Dr. Teuchert-Noodt; Peter Hensinger
Inhalt:
In den Artikeln dieses Readers werden wesentliche Aspekte der Folgen der digitalen Transformation der Gesellschaft analysiert. Schwerpunkte sind die Folgen der geplanten „Digitalen Bildung“, die möglichen Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung, die Auswirkungen auf die Entwicklung des Gehirns und Denkens, die Aufhebung der Privatsphäre, die neuen Möglichkeiten der politischen Manipulation, die Folgen der Konsum- und Wachstumsideologie und die gesundheitlichen Auswirkungen der Strahlenbelastung. Jede gesellschaftliche Umwälzung und jedes Geschäftsmodell konstruiert zur Legitimation eine eigene Ideologie. Sie wird in zwei Artikeln behandelt.
Format: A4Seitenanzahl: 24 Veröffentlicht am: 22.03.2016 Sprache: Deutsch

Homo politicus - Homo oeconomicus - Homo algorithmicus

BigData und der Wandel der Erziehung zur Konditionierung für den neoliberalen Wachstumswahn
Autor:
Peter Hensinger
Inhalt:
Auf einer Ärztefortbildung an der Uni Frankfurt/Oder analysierte Peter Hensinger in seinem Vortrag "Homo politicus-Homo oeconomicus-Homo algorithmicus. BigData und der Wandel der Erziehung zur Konditionierung für den neoliberalen Wachstumswahn" die ökonomischen Triebkräfte und die psycho-sozialen Auswirkungen der digitalen Bildungsreform.
Format: A4Seitenanzahl: 16 Veröffentlicht am: 16.07.2015 Bestellnr.: Vers.2012-1

Schwerwiegende Argumente

Argumente gegen den Bau einer Mobilfunkantenne
Autor:
diagnose:funk
Inhalt:
Grundlagen - Informationspapier für die Auseinandersetzung um Mobilfunkmasten für Bürgerinitiativen, Gemeinderäte in Kommunen und Kirchen, interessierte Bürgerinnen und Bürger.
Artikel veröffentlicht:
17.01.2019

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