NTP-Studie: Richtigstellungen der Verfälschungen

Eiertänze um die Risiken der Handystrahlung
Das Ergebnis der NTP-Studie: Mobilfunkstrahlung kann zu Tumoren führen. Die US-Studie des National Toxicology Program (NTP) wird einen Klärungsprozess herbeiführen, auch in der Gesundheitspolitik. Die Industrie schweigt bisher dazu. Doch sie wird das nicht auf sich sitzen lassen. Schon beginnt das Anzweifeln und Zerreden dieses Studienergebnisses, um eine Aufklärungspolitik der staatlichen Behörden zu verhindern. Es geht um ein weltweites Milliardengeschäft. In den USA lässt die Industrie über die Medien Zweifel an der NTP-Studie streuen.

Ron Melnick, der die NTP-Studie konzipierte, sah sich veranlasst, zu den acht wichtigsten Verharmlosungen und Verfälschungen der Studienergebnisse durch die New York Times Stellung zu beziehen (1). Prof. Joel M. Moskowitz, Ph.D. Direktor des Center for Family & Community Health School of Public Health University of California, Berkeley, nimmt zu den bereits aufgetauchten Lobbyisten-Argumenten in einer Tabelle Stellung. Wir haben die Tabelle für Sie übersetzt (auch abrufbar als PDF unter Downloads mit den Verlinkungen):

Tabelle nach Prof. Joel M. Moskowitz, Ph.D.

NTP Ergebnis - eine Überraschung?

Einige Zeitungen schreiben jetzt, im Gegensatz zur bisherigen Studienlage hätte die NTP-Studie erstmals ein Krebsrisiko nachgewiesen. Das ist purer Unsinn. Die Studie bestätigt und rundet das Bild der Forschungsergebnisse der letzten Jahre ab. Die NTP-Studie weist nach, dass durch die Strahlung zwei Krebsarten (Schwannom, Gliom) und bei einer zusätzlichen Anzahl von Ratten präkanzerogene Zellverän­de­rungen (Hyperplasie von Gliazellen) ausgelöst werden. Die epidemiologischen  Untersuchungen von Prof. Hardell (Schweden) fanden bereits bei genau diesen Krebsarten  strahlungsbedingte Anstiege, aus in-Vitro (Versuche in Zellkulturen) und in-Vivo Studien (Tierstudien) liegen über 80 Ergebnisse vor, die eine Gentoxizität und DNA-Strangbrüche, also eine Vorstufe von Krebs, nachweisen, vielfach ausgelöst durch den Wirkmechanismus oxidativer Zellstress. Die Arbeitsgruppe Yakymenko et al. dokumentierte dies 2015 eindrucksvoll, 93 von 100 Studien zeigten diesen Schädigungsmechnismus. Die theoretischen Grundlagen kann man in dem neuen Artikel der angesehenen US-Hochfrequenz Forscher Barnes/Greenebaum (2016) nachlesen: "Einige Wirkungen von schwachen Magnetfeldern auf biologische Systeme: HF-Felder können die Konzentration von Radikalen und Krebszell-Wachstumsraten verändern. Some Effects of Weak Magnetic Fields on Biological Systems: RF fields can change radical concentrations and cancer cell growth rates", erschienen in: IEEE Power Electronics Magazine 2016; 3 (1): 60 - 68.

Signifikanter Anstieg von Krebs bei Kindern und Jugendlichen in den USA

2015 legte das Bundesamt für Strahlenschutz eine Studie vor, die die krebspromovierende Wirkung nicht-ionisierender Strahlung als gesichert ansieht. Dadurch treten Krebserkrankungen früher auf. Prof. Kundi (Med.Uni.Wien) bestätigte dies anhand der Krebs-Statistik in seinem Vortrag im Landtag von Südtirol (Mai 2015).

Eine aktuelle Auswertung der Krebsstatistik der USA dokumentiert signifikante Anstiege von Krebs bei Kindern und Jugendlichen: „Die Fälle von gutartigen Tumoren des zentralen Nervensystems haben jedoch deutlich zugenommen. Zum Vergleich kam es bei Jugendlichen zu einer Zunahme von bösartigen und gutartigen Tumoren des zentralen Nervensystems. Bei Kindern kam es zu einer Zunahme von akuter myeloischer Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphomen sowie bösartigen Tumoren des zentralen Nervensystems.“ (S. 102)

In der Studie wird ausdrücklich erwähnt: „Insgesamt gab es eine deutliche Zunahme von gutartigen Tumoren des zentralen Nervensystems. In mehreren aktuelleren Analysen wurde versucht festzustellen, ob es zu deutlichen Veränderungen beim Auftreten von Tumoren im zentralen Nervensystem gekommen ist. Bei manchen wurde an einer Bewertung von Trends gearbeitet, die möglicherweise mit der Verbreitung von Handys in Zusammenhang gebracht werden können.“ (S.109) (2)

Eiertänze in den deutschen Medien

In den USA berichteten die Medien sofort breit über die NTP-Studie, in Deutschland sehr zögernd. Die Berichterstattung ist ein Eiertanz. Die deutschen Journalisten wollen das Ergebnis offensichtlich nicht wahrhaben. Ob es nun daran liegt, dass das Online-Geschäft über Tablets und Smartphones ein wesentliches Standbein der Medien ist, oder die Journalisten selbst schon Smartphone-süchtig sind, wir können es nur vermuten. Anscheinend bestimmt das Sein doch das Bewusstsein. Da werden die Ergebnisse der bisher aufwändigsten Studie, durchgeführt und überprüft von erstklassigen Wissenschaftlern, mit teilweise unterirdischen Argumenten angezweifelt.

Als die IARC der WHO 2011 die Mobilfunkstrahlung als möglicherweise krebserregend in die Gruppe 2B einstufte, konterte die Industrie mit dem Verharmlosungsargument, in dieser Gruppe 2B sei auch Kaffee eingestellt (siehe dazu den Artikel zum "Kaffee-Argument" >>>). Fast in allen Artikeln in Deutschland zur NTP-Studie plappern das Journalisten wieder nach. Weil in der NTP-Studie Fragen offen blieben, z.B. dass bei weiblichen Tieren keine Tumore entstanden, wird mit Berufung auf "Kritiker", die nicht genannt werden, die gesamte Studie in Frage gestellt. Mit offenen Fragen, die es bei jeder Studie gibt,  wird versucht, geklärte, unangenehme  Ergebnisse kleinzuschreiben. Die Diskussion über solche Pseudokritiken offen zu halten und zu verunsichern, das wird voraussichtlich die Strategie der Mobilfunkindustrie in nächster Zeit sein, oder sie wird über fabrizierte Verharmlosungsstudien Verwirrung zu stiften. So wird derzeit in den Medien der klinischen NTP-Studie eine rein statistische  Auswertung des australischen Krebsregisters von Prof. Simon Chapman  gegenübergestellt. Selbst das EMF-Portal merkt zu  dieser Studie an: "Dies ist eine Trend-Analyse ohne Daten zu der individuellen Mobiltelefon-Nutzung und des Gesundheits-Zustands" (3). Zudem ist sie nicht altersspezifisch, untersucht einen Zeitraum der Handynutzung, der nicht aussagekräftig ist und unterstellt eine zu kurze Latenzzeit für Krebs von nur 10 Jahren (4). Die Auswertung des US-Krebsregisters, das v.a. bei Kindern und Jugendlichen bereits einen Anstieg von Tumoren zeigt, wird in den Medien ignoriert, ebenso die Stellungnahmen zur NTP-Studie der American Cancer Society und industrieunabhängiger Wissenschaftler wie Hardell, Davis, Carpenter oder Moskowitz.

Die NTP-Studie bestätigt: die Arbeit für den Verbraucherschutz von diagnose:funk ist wichtiger denn je. Sie braucht Ihre Unterstützung! Werden Sie Mitglied oder Förderer.

(1) http://microwavenews.com/news-center/ntp-nyt

(2) Gittleman et al. (2015): Trends in Central Nervous System Tumor Incidence Relative to Other Common Cancers in Adults, Adolescents, and Children in the United States, 2000 to 2010; Erschienen in: Cancer 1-2015.  Originaltext: "However, the incidence of NMCNST increased significantly. In comparison, adolescents had increasing rates of MCNST and NMCNST, and children had increasing rates of AML, NHL, and MCNST.” "There were significant increases in the incidence of NMCNST overall. Several recent analyses have attempted to determine whether there have been significant changes in the incidence of CNST. Some of these have worked to assess trends that may be associated with the popularization of cellular telephones."

Abkürzungen: ALL: Acute Lymphocytic Leukemia, NHL:Non Hodgkin Lymphoma , NMCNST: Non Malignant Central Nervous System Tumors,  MCNST:Malignant Central Nervous System Tumors.

(3) https://www.emf-portal.org/de/article/29441

(4) Eine ausführliche Kritik an  der Chapman-Studie und einen Forschungsüberblick verfasste Prof.Devra Davis, download: http://ehtrust.org/wp-content/uploads/2016/02/InconvenientTruthsCatalyst-Dr.Davis_.pdf

In seinem Blog führt Prof. Darius Leszcynski eine öffentliche Auseinandersetzung mit Prof. Chapman: https://betweenrockandhardplace.wordpress.com/2016/05/10/professor-simon-chapman-responds/

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